Pkw „made in Hong Kong“
VDI nachrichten, Hongkong, 5. 8. 05 – In den 90er-Jahren verließen produzierende Firmen aus Kostengründen Hongkong. Nun kommt der private Automobilhersteller Geely aus der Volksrepublik China in die ehemalige Kronkolonie, um dort Kostenvorteile zu nutzen. Das Freihandelsabkommen mit dem Mutterland macht es möglich, von Hongkong zollfrei nach China zu liefern, aber auch der Export auf die großen Pkw-Märkte soll künftig ein Ziel der Wagen „made in Hong Kong“ sein.
2005 exportierte die Geely-Gruppe mit 10 000 Autos etwa 10 % der in vier Werken, jeweils zwei in Schanghai und Zhejiang, gefertigten Fahrzeuge; 5000 mehr als im letzten Jahr, so Dai. Die Wagen gibt es umgerechnet ab 3150 € zu kaufen. Der derzeit teuerste Pkw ist der neue Mittelklassewagen Zihou Jian für rund 7800 €. Der GH1 „made in Hong Kong“ könnte ein kräftig aufgerüsteter Zihou Jian werden. Abnehmer seien bisher neben Kunden auf dem heimischen Markt vor allem Käufer im Fernen und Mittleren Osten sowie in Lateinamerika, so Dai.
Li Shufo, Gründer von Geely und Gruppenchef, habe im Mai einen Kooperationsvertrag mit der Information Gateway Corp. (IGC) in Kuala Lumpur, Malaysia, unterzeichnet. Dort kümmere sich die IGC um Endmontage und Vertrieb der Autos, die Geely als Bausätze nach Malaysia liefere. 2006 soll der Marktauftritt mit dem Absatz von 30 000 Wagen gestartet werden.
Für Dai ist das ein Modellfall: „Funktioniert es wie erwartet, expandieren wir auf diese Weise weltweit.“ Geely-Chef Li und seine Mitstreiter in der Unternehmenszentrale Huangzhou (Provinz Zhejiang), ca. 180 km von Schanghai, denken an eine weitere Endfertigung per Kooperationspartner im Mittleren Osten, in Russland und Mexiko. „Auch aus Zollgründen“, so Geely-Direktor Dai: „Denn im Fall von Malaysia arbeiten wir in der Freihandelszone Afta, in Mexiko in der nordamerikanischen Freihandelszone Nafta. Europa gehen wir anschließend an.“ Die Europäer schotteten ihren Markt mit Händen und Füßen ab, so Dai. Das gestalte sich kompliziert, „aber wir werden auch damit zurechtkommen“. Das langfristige Ziel sei, zwei Drittel der Produktion jenseits der chinesischen Grenzen abzusetzen. Deshalb sei Geely auch auf der Internationalen Automobil-Ausstellung IAA“05 in Frankfurt (15. – 25. September) präsent und stelle dort fünf Modelle der Gruppe vor.
Der Geely-Partner Hong Kong Productivity Council investiert umgerechnet 26 Mio. € in das neue Forschungs- und Entwicklungszentrum, das neben Geely auch für andere Interessenten entwickeln soll, Geely mobilisiert fast 250 Mio. €. „Für uns macht das sehr viel Sinn“, sagte Dr. Stephen Lee, Direktor für industrielle Projekte des halb-staatlichen Hong Kong Productivity Council. Sie hätten den Auftrag, sich darum zu kümmern, dass die Wirtschaft der einstigen britischen Kronkolonie im weltweiten Wettbewerb bei forschem Tempo mitlaufen könne. Man werde auch helfen, rasch die richtigen technologischen Weichen zu stellen, denn Geely will mit dem GH1 ebenfalls in Sachen Markenimage punkten.
Ein Brückenschlag selbst zu Top-Akteuren der Branche, die keine Massenproduktion planen, sei nicht ausgeschlossen. Typ Ferrari? Lee wich im Gespräch aus: „Auf jeden Fall wird das Gros der Entwicklung, hier bei uns ablaufen und der Unternehmensphilosophie folgen, keine fertigen oder weitgehend fertigen Lösungen zu kaufen. Das Einbringen der einen oder anderen Innovation ist jedoch durchaus denkbar. Auf alle Fälle wollen wir, dass unsere Kooperation mit Geely ein Rundum-Erfolg wird und wir langfristig engagiert sind.“ Als Plandatum für den Auftritt des Geely-Topmodells GH1 nannte Lee Frühjahr 2007.
Der GH1 stünde auch für einen industriellen Modellfall Hongkongs. „Forschung und Entwicklung sowie die Endfertigung bei uns, das interessiert nicht nur chinesische Unternehmen“, versichert Lee: „Wir haben hier in der Region bereits eine solide Plattform im Bereich Elektronik, Materialien, Informatik bis hin zu Top-Fertigungstechnologien, das neue ,Automotive Parts and Accessory Systems R&D Center“ wird das bündeln.“
In fünf bis zehn Jahren wolle Hongkong laut Lee eines der ersten Entwicklungszentren der Autoindustrie in der Region sein. Diese Basis werde man bis dahin realisieren. Hiermit und dem „Closer Economic Partnership Agreement“ (CEPA), dem seit 2004 geltendem Freihandelsabkommen zwischen Hongkong und China, machen wir Unternehmen ein attraktives Angebot. „Wir haben bereits Kontakte mit anderen Konzernen, die an dem interessiert sind, was wir zusammen mit Geely realisieren“, so Lee und erwähnte, dass er u.a. mit Bosch spreche: „Die Deutschen wollen frühzeitig herausfinden, was sie in das neue Forschungs- und Entwicklungsvorhaben einbringen können, aber auch, was es ihnen bringt.“ JAN HÖHN/WOP
Hongkong will in der Region das Zentrum für die Entwicklung von Autos werden
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