Ottomotor kriegt kräftig Druck
VDI nachrichten, Aachen, 20. 5. 05 – Die Ingenieure greifen dabei tief in die Trickkiste, damit Motoren trotz weniger Hubraum mehr Leistung und Drehmoment entlockt werden können. Dieses „Downsizing“ gilt als Mittel, um sparsame, saubere Ottomotoren zu entwickeln. Wird es gekoppelt mit variabler Verdichtung und langer Achsübersetzung lässt sich der Verbrauch um ein Drittel reduzieren, wie Aachener Ingenieure zeigen.
Jetzt ist der Otto dran; der Ottomotor oder auch Benziner genannt. Während der ehemals behäbige Diesel durch Turbolader und Direkteinspritzung längst zu jugendlicher Frische gefunden hat und spritzige Leistung mit geringem Verbrauch vereint, rücken Aufladung und Direkteinspritzung beim Ottomotor zunehmend in den Fokus der Entwickler.
Mit sparsameren Benzinern wollen Europas Autohersteller ihre Selbstverpflichtung zum Klimaschutz erfüllen. Bis 2008 sollen ihre Fahrzeuge auf 100 km durchschnittlich nur noch 140 g Kohlendioxid (CO2) ausstoßen, 2012 sogar nur 120 g/km. Doch noch klafft zwischen den Zielen und Prognosen anhand aktueller Marktdaten eine Lücke von etwa 20 g CO2/km.
Höchste Zeit also, sparsamere Motoren zu bauen. Doch das ist leichter gesagt als getan. Einerseits setzt der Preisdruck den Entwicklern enge Grenzen, andererseits verlangen die Kunden Pferdestärken, Drehmoment und große Autos. Die Ingenieure müssen Motoren schaffen, die zugleich leistungsfähiger und genügsamer sind. Ihr Rezept: weniger Hubraum, dafür aber höhere spezifische Leistung – im Branchensprachgebrauch „Downsizing“ genannt.
Doch gerade Ottomotoren reagieren empfindlich auf Eingriffe der Entwickler. Sobald ein Turbolader zusätzliche Luft in den Brennraum presst, drohen bei starker Drehzahländerung Spülverluste. Deshalb übernehmen in neuen Ansätzen variabel gesteuerte Ventile das Ladungswechselmanagement, und der Kraftstoff wird in den Brennraum gespritzt, statt dort als Gemisch angesaugt zu werden. Nachteil: Die Gemischbildung ist im Brennraum viel komplizierter als im Saugrohr oder gar im Vergaser. Doch wenn sich Luft und Kraftstoff nicht optimal mischen, steigen Verbrauch und Schadstoffemissionen. Ziel der Entwickler sind deshalb definierte Gemische, die gleichmäßig brennen.
Der dynamische Betrieb legt ihnen jedoch dabei Steine in den Weg. Während der Druck im Brennraum zwischen Teil- und Vollast schwankt, sorgt der Turbolader für zusätzliche Druckspitzen. Steigt der Druck zu sehr, gerät die Verbrennung außer Kontrolle und lässt den Motor klopfen. Dabei zündet die Zündkerze nur Teile der Gemischwolke. An den Rändern kommt es zu einem extremen Druckanstieg, der eine explosionsartige Selbstzündung auslöst. Mangels Platz entfaltet diese Explosion eine massive Schwingung, die im ungünstigsten Fall Kolbenringe oder Lager zerstört. Deshalb sorgen bisher Sensoren dafür, dass es nicht zum Klopfen kommt.
Konzepte variabler Verdichtung ist ein weiterer Weg die Klopfneigung bei Ottomotoren und das Turboloch beim Anfahren in den Griff zu bekommen. Ein möglicher Ansatz, den beispielsweise ein Forscherteam um Prof. Cornel Stan am Forschungs- und Entwicklungszentrum Zwickau beschreitet, ist es, den Druck durch eine rückgeführte Abgasmenge zu regulieren. Ist der Druck zu gering, legen die Ingenieure ein „Abgaspolster“ zwischen Kolbenboden und frisches Gemisch. Bei steigendem Druck fällt das Polster entsprechend dünner aus. Ein „eleganter Weg“, so Stan, bei dem das heiße Abgas zudem den thermischen Wirkungsgrad verbessert.
Allerdings braucht es Fingerspitzengefühl, um den Prozess bei Direkteinspritzern zu managen. Die Strömung und das Verhältnis von Frischluft zu Abgas müssen in jedem Betriebszustand stimmen (hier helfen die variablen Ventile) dazu muss sich der strahlgeführte Kraftstoff im vorgesehenen Gebiet um die Zündkerze so fein verteilen, dass er mit der Luft im Zylinder ein stöchiometrisches Gemisch bildet. Derzeit experimentieren die Entwickler in Zwickau bei Direkteinspritzventilen mit Form, Anordnung und Zahl der Düsen sowie mit speziell geformten Mulden im Kolbenboden und mit unterschiedlichen Brennraumgeometrien.
Entwickler der Aachener FEV Motorentechnik gehen andere Wege. Sie regeln die Verdichtung mechanisch, indem sie die Position der Kurbelwelle verändern. Eine vollvariable Mechanik kippt die ganze Kurbelwelle und verlegt so den höchsten Punkt des Kolbens, oberer Totpunkt (OT) genannt, um etwa 2 mm nach oben oder unten – je nach Randbedingungen. Dazu lagern die Ingenieure die Welle in Exzenterscheiben. Der Trick erlaubt binnen 0,3 s eine stufenlose Regelung der Verdichtung im Bereich zwischen 1:8 und 1:16.
„Mit diesem Verfahren können wir Ottomotoren im gesamten europäischen Fahrzyklus mit maximaler Verdichtung betreiben¿, freut sich FEV Geschäftsführer Prof. Stefan Pischinger. Dafür mussten seine Ingenieure allerdings eine weit schwierigere Aufgabe lösen als die Kippmechanik der Kurbelwelle. Es galt, die veränderliche Kurbelwelle mit der Getriebewelle zu synchronisieren. Das gelang schließlich mit einem kleinen Parallelkurbelgetriebe zwischen beiden Wellen. Das Paket findet in serienüblichen Kurbelgehäusen Platz. Ein Vorteil, denn so könnte der Motor nachträglich, ohne jede Veränderung des Motorraums in Serie gehen.
Auf dem Prüfstand und bei Testfahrten hat der „flexible“ Ottomotor alle Erwartungen der FEV-Entwickler erfüllt. „Schon infolge des Downsizing-Effektes verbraucht er bis zu 18 % weniger Benzin als ein 2,0-l-Saugmotor mit vergleichbarer Leistung¿, so Pischinger. Weitere 9 % Minderverbrauch bringe die variable Verdichtung im Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ). Wähle man dazu noch eine längere Achsübersetzung, seien zusätzlich noch 5 % weniger Verbrauch drin. Die Mehrkosten des Maßnahmenpakets einschließlich einer Direkteinspritzung in der Herstellung beziffert Pischinger zwischen 500 € und 750 €. Dadurch reduziere sich der Kraftstoffverbrauch um ein Drittel – ein ganzes Fahrzeugleben lang. P. TRECHOW/WOP
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