Motorendesign aus Aachen lässt US-Loks umweltfreundlich fahren
VDI nachrichten, Aachen, 19. 11. 04 -Abgasvorschriften machen auch vor Loks nicht halt. In den USA müssen sie ab 2005 die neue Emissionsstufe „Tier2“ erfüllen. Das war ein Grund für General Electric, sich einen Partner für die Entwicklung einer neuen Motorenfamilie zu suchen. Die Wahl des Konzerns fiel auf die FEV Motorentechnik in Aachen. Das Ergebnis ist ein kompakter V12-Zylinder mit 188,5 l Hubraum, der dem dieselelektrischen Lokantrieb 3360 kW Leistung zur Verfügung stellt. Nach der Felderprobung soll er 2005 in Serie gehen.
Neue Emissionswerte für Lokomotiven in den USA fordern die Ingenieure heraus. General Electric (GE) hatte sich für die Entwicklung einer neuen Motorenplattform entschieden, um keine Kompromisse bezüglich Emissionen, Zuverlässigkeit, Dauerhaltbarkeit und Kraftstoffverbrauch eingehen zu müssen. Als sich der US-Konzern 1999 daran machte, erste Überlegungen für einen 20-t-Motor zu skizzieren, hieß es: Die NOx- und Partikelwerte müssen ebenso reduziert werden wie der spezifische Verbrauch.
GE suchte für diesen Kraftakt einen Partner. Das Rennen machte die FEV Motorentechnik in Aachen. „Den Zuschlag für die Entwicklung des Großmotors erhielt wir unter anderem, weil wir seit über zehn Jahren mit einem großen Technologiezentrum in Detroit vertreten sind“, erklärte FEV-Chef Prof. Dr.-Ing. Stefan Pischinger gegenüber den VDI nachrichten. Pischinger ist Ordinarius an der RWTH Aachen.
„Time is money“ heißt es nicht nur in den USA. So arbeitete ein Team von durchschnittlich 25 Motorenspezialisten der FEV an dem Auftrag und entwickelte einen vergleichsweise kompakten Dieselmotor, der wahlweise als V12- und V16-Zylinder-Variante gebaut werden kann. Ein Zylinder bringt es auf 15,7 l Hubraum, das Aggregat bei Abmessungen von rund 4,2 m Länge, 1,6 m Breite und 2,7 m Höhe auf ein Gewicht von 19,5 t. Die Maschine erreicht als V12-Zylinder die gleiche Leistung von 3660 kW (4976 PS) wie der bisherige GE-Serienmotor mit 16 Zylindern, darüber hinaus erfüllt sie aber die neue Emissionsstufe Tier2. Beim kompakten Großmotor sind im V-Raum der Zylinderbank (45 Grad) die Ladeluft- und Abgasleitungen untergebracht. Seine Konstruktion ermöglicht den Zugang zu allen wartungsrelevanten Teilen von den Außenseiten des Motors.
Die so genannten Power Units (Zylinderkopf, Wassermantel, Zylinderrohr, Pleuel) sind so konstruiert, dass sie im Bedarfsfall schnell und einfach den Austausch von kompletten Zylindereinheiten ermöglichen – ein wesentlicher Faktor für kurze Wartungszeiten der Lok. Die Turbolader sind auf einer Konsole am freien Ende des Motors positioniert. Diese Konsole bildet auch das Gehäuse für Schwingungsdämpfer, Pumpenrädertrieb und Anbau von Öl- und Wasserpumpe. Die Nockenwellen für Ventiltrieb und Einzel-Einspritzpumpen werden über einen auf der Schwungradseite im Kurbelgehäuse liegenden Rädertrieb angetrieben.
Der für das dieselelektrische Antriebssystem der Lok erforderliche Generator wurde starr an der Kurbelwelle und am Kurbelgehäuse angeflanscht. „Das Package ist das Ergebnis von zweieinhalb Jahren intensiver Mechanikerprobungen nach den vorausgegangenen konstruktiven und rechnerischen Untersuchungen unter konsequenter Anwendung von ,Design For Six Sigma“-Prozessen“, unterstrich Stefan Pischinger, geschäftsführender Gesellschafter der FEV und Sohn des Firmengründers Prof.Franz Pischinger.
Von der FEV wurden ebenso speziell auf die Lokomotiverfordernisse abgestimmte Testprozeduren entwickelt. In Aachen sowie bei General Electric in Erie, Pennsylvania/USA, wurde die analytisch ermittelte Zuverlässigkeit der Konstruktion auf Komponentenprüfständen am Einzylindermotor und an Vollmotoren verifiziert. Die Erprobung der schwergewichtigen Vollmotoren wurde unter Leitung der FEV-Ingenieure auf den Prüfständen von GE in Erie vorgenommen, das etwa zwei Autostunden von den Niagarafällen entfernt liegt. Im Prüfstandsbetrieb mussten die „GEVO V12“-Motoren alle nur denkbaren Lokeinsätze in der Simulation durchlaufen, beispielsweise den Überlastbetrieb in einem Tunnel, bei wenig Sauerstoff und hohen thermischen Belastungen.
Nach der Testphase wurden vom US-Konzern im Frühjahr 2003 zunächst fünf Loks mit den neuen Antriebsaggregaten in die Felderprobung geschickt, also im regulären Eisenbahnbetrieb eingesetzt. Bis heute sind 35 Loks mit dem umweltfreundlichen Großmotor im Betrieb, die insgesamt umgerechnet mehr als 3,3 Mio. km zurücklegten. Selbst im Güterzugbetrieb und unter extremsten Einsatzbedingungen erfüllte das neue Aggregat die aufgestellten Anforderungen. Tests und Felderprobung belegten, dass der Motor die Erwartungen von General Electric und der Eisenbahnen bezüglich Leistung und Zuverlässigkeit mehr als erfüllt. Der erste Motortyp der neuen „GEVO“-Baureihe wurde deshalb für die Serienproduktion freigegeben und soll ab 2005 in die GE-Loks der „Evolution Series“ eingebaut werden.
BETTINA MAYER/WOP
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