Mit Antischall gegen Fluglärm
Wer in der Nähe eines Flughafens wohnt, leidet vor allem zur Urlaubszeit unter dem Lärm der Maschinen. Mit „Active-noise-Control“ könnte der Triebwerkslärm moderner Flugzeuge gemindert werden.
Active-noise-Control nutzt das technische Prinzip des Antischalls. Dabei wird mit einem oder mehreren Mikrofonen Schall aufgezeichnet und von einem Regler so gesteuert, dass ebenso viele Lautsprecher gleichfrequenten, aber phasenverschobenen Antischall liefern: Ein Druckmaximum des Antischalls trifft auf ein Druckminimum der ersten Schallwelle – es herrscht Ruhe. Mit diesem Antischall beschäftigte sich ein Forschungsprojekt des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR), Köln, in Zusammenarbeit mit dem Triebwerkhersteller MTU Aero Engine und dem Luft- und Raumfahrtunternehmen European Aeronautic Defense and Space Company (EADS) Deutschland.
Bereits 1933 hatte sich der deutsche Ingenieur Paul Lueg das Verfahren patentieren lassen, aber die Ergebnisse der DLR in Köln zeigen erstmalig in Deutschland, „dass das Prinzip der aktiven Schallminderung auch bei den komplizierten Schallfeldern in Triebwerken wirkt“, erklärt Wolfgang Neise vom DLR-Institut für Antriebstechnik.
Bei den heute eingesetzten starken Triebwerken wird der größte Teil der durchströmenden Luft um das Kerntriebwerk herumgeführt. Dabei entsteht am ersten Schaufelkranz im Triebwerkseinlauf tieffrequenter Lärm. Diese Brummen kann auf herkömmlichen Weg durch passive Dämpfung nur schwer ausgeschaltet werden, denn bei dieser tiefen Frequenz müsste der Schalldämpfer besonders groß sein. Active-noise-Control ist vor allem zwischen 20 Hertz und 2000 Hertz wirksam und könnte deshalb gerade hier gut zum Einsatz kommen.
In der Realität haben Triebwerke großer Flugzeuge einen Durchmesser von 2 m bis 3 m, der Versuchsaufbau in Köln simulierte die Verhältnisse in einem Düsentriebwerk an einem Modell von 1 m Durchmesser. Mit den eingebauten 32 Mikrofonen und 32 Lautsprechern konnte bei einer Schaufelpassierfrequenz von 340 Hertz die Schallleistung um 25 Dezibel und bei 680 Hertz um fast 10 Dezibel reduziert werden. Vom Gehör wird dies als Halbierung beziehungsweise Viertelung der Lautstärke empfunden.
„Wir sind mit unseren Versuchsparametern noch nicht an die Verhältnisse in den tatsächlichen Triebwerken herangekommen“, so Neise. Dabei bereitet die Analyse des Schalls keine Probleme. „Das größte Problem sind die Lautsprecher, sie sind zu groß und zu schwer“, berichtet Klaus Heinig, Leiter der Abteilung Akustik und Aeroelastik der MTU. In den realen Triebwerken ist das Schallfeld noch viel komplizierter als im Versuch. Für jede mögliche Eigenfrequenz müsste ein extra Lautsprecher eingebaut werden. Das ist aber nach dem jetzigen Stand praktisch unmöglich, denn die eingesetzten Lautsprecher würden viel zu viel Platz im Triebwerk benötigen. Lautsprecherproduzenten versuchen derzeit, geeignetere Modelle zu entwickeln. „Die Triebwerke, bei denen Active-noise-Control zum Einsatz kommen könnte, gibt es vielleicht in zehn Jahren“, konstatiert Heinig, und auch dann müssten weiterhin herkömmliche Schalldämpfer eingesetzt werden, um den Rauschanteil des Fluglärms wirksam eindämmen zu können.
Lärmreduzierte Flugzeuge sind für die Hersteller ein immer wichtiger werdender Wettbewerbsfaktor. Bereits jetzt kaufen Fluggesellschaften zu laute Flugzeuge nicht mehr, weil internationale Flughäfen mit Sanktionen drohen, wenn der Lärmpegel der Maschinen die jeweils zulässigen Werte übersteigt. In Deutschland wird derzeit die Novellierung des Fluglärmgesetzes diskutiert. Im Gespräch ist unter anderem, die Schutzzonen rund um die Flughäfen auszuweiten, was immense Kosten für passiven Lärmschutz verursachen würde. „Kostengünstiger wäre es, den Flugzeuglärm da zu eliminieren, wo er entsteht, direkt am Flugzeug“ argumentiert Neise.
Der im vergangenen Jahr aus einer Fusion entstandene größte europäische Luft- und Raumfahrtkonzern EADS hat als Produzent des Airbus großes Interesse an einer Fortführung des Antischallprojektes. Der Bund förderte das Projekt zwar mit 1,3 Mio. DM, das zuständige Bundeswirtschaftsministerium signalisiert aber jetzt, dass angesichts leerer Kassen eine Anschlussförderung nicht mehr möglich ist. MANFRED BURAZEROVIC
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