Kultobjekte der 50er Jahre
Überschattet von einer beträchtlichen Absatzkrise feiert Ford Deutschland jetzt sein 75-jähriges Bestehen. Der Geburtstag bietet Anlass, auf bessere Zeiten des Konzerns zurückzublicken.
Ford Deutschland feiert seinen 75. Geburtstag. 1925 in Berlin gegründet gehören seit der Nachkriegszeit in Köln gefertigte Ford-Fahrzeuge heute immer noch zum Straßenbild in Deutschland. Mit dem Erfolg des Autokonzerns ging es im Laufe der Firmengeschichte jedoch auf und ab. Während 1952 der Autohersteller mit der Pontonkarosserie des Mittelklassewagens „Taunus 12 M“ Designer-Maßstäbe setzte und quasi ein Kultobjekt für die unbeschwerten 50er Jahre schuf, gilt es jetzt – 75 Jahre nach Firmengründung – eine Absatzflaute zu überwinden.
Das 75-jährige Bestehen eines Unternehmens ist üblicherweise willkommener Anlass für eine mehr oder minder prunkvolle Geburtstagsfeier. Dass bei den Kölner Ford-Werken von Jubiläumslaune derzeit wenig zu spüren ist, liegt vor allem am katastrophalen Rückgang der Pkw-Neuzulassungen, die in den ersten vier Monaten dieses Jahres um fast 30 % unter dem Ergebnis des Vorjahres blieben. Mit nur noch 7,1 % Marktanteil wurde ein historischer Tiefstand erreicht. Schwacher Trost für das deutsche Management: Weltweit verdient die amerikanische Muttergesellschaft derzeit gutes Geld, nur auf dem als besonders anspruchsvoll geltenden deutschen Markt ist der Absatz in den Keller gerutscht. Indes: Krisen waren in der wechselvollen Geschichte des deutschen Ford-Ablegers nicht selten.
Schon 1903 hatte Firmengründer Henry Ford I. im damaligen Deutschen Reich zwei Brückenköpfe errichtet: Die Generaldirektion in Berlin und Stolp (heute Polen) waren für den Import und Vertrieb amerikanischer Ford-Modelle zuständig. Als eigentlicher Geburtstag gilt allerdings der 18. August 1925. An jenem Tag wurde mit 5 Mio. Reichsmark Aktienkapital die Ford Motor Company AG in Berlin gegründet. Knapp acht Monate später, am 8. April 1926, rollte aus der angemieteten Halle am Berliner Westhafen das erste in Deutschland montierte Ford-T-Modell, die legendäre „Tin-Lizzie“. Bis 31. August 1927 baute die 30 Mann zählende Belegschaft noch knapp 9000 Exemplare zusammen, bevor die Produktion stoppte und die Montagehalle nahezu ein Jahr lang geschlossen blieb. Von August 1928 bis April 1931 lief dann dort noch der Nachfolger Ford A vom Band, bevor die Produktion nach Köln verlegt wurde. Dort hatte Henry Ford I. am 2. Oktober 1930 im Stadtteil Niehl nahe am Rheinufer den Grundstein für die heute noch bestehenden Werksanlagen gelegt. Zu den Ehrengästen zählte auch der damalige Kölner Oberbürgermeister und spätere Bundeskanzler Konrad Adenauer. Am 4. Mai 1931 lief in Niehl die Produktion des A-Modells an, das in Deutschland unter der Modellbezeichnung „AF“ vetrieben wurde. Bis zur Produktionseinstellung 1932 entstanden 23548 Einheiten des wahlweise mit 21 kW oder 29 kW lieferbaren Vierzylinders, der im Gegensatz zum spartanischen T-Modell bereits über ein Dreiganggetriebe, hydraulische Stoßdämpfer, Vierradbremsen, Scheibenwischer und Rückspiegel verfügte.
Die Weltwirtschaftskrise zu Beginn der 30er Jahre ging auch an Ford nicht vorüber. Im August 1931 wurde die Produktion vorübergehend eingestellt, die Mitarbeiterzahl fiel von 1000 auf 250. Im Jahr 1932 war der Tagesausstoß auf 30 Pkw und Lkw geschrumpft. Zu den wirtschaftlichen Schwierigkeiten kamen politische Querelen: Der Reichsverband der Automobilindustrie erwirkte gegen die Ford-Werke eine einstweilige Verfügung, wonach die Bezeichnung „Deutsche Ford-Wagen“ untersagt wurde, weil bei der Montage überwiegend importierte Teile verwendet wurden.
Von 1935 an war dieses Thema vom Tisch. Ford-Köln hatte auf eigene Teilefertigung umgestellt und dokumentierte das durch eine Kühlerplakette mit der Aufschrift „Deutsches Erzeugnis“. Gebaut wurden nun die Modelle „Köln“, „Rheinland“, „Eifel“ und „V 8“, ab 1939 auch der neue „Taunus“. Wegen des Kriegsausbruchs kam seine Produktion jedoch nicht mehr richtig auf Touren: 1941 liefen noch 927 Exemplare vom Band, ein Jahr später nur noch 41. In den restlichen Kriegsjahren produzierten die Ford-Werke nur noch Lkw für die Wehrmacht, darunter pikanterweise auch etwa 1500 Einheiten aus US-Teilesätzen.
Schon wenige Tage nach Kriegsende lief im durch deutschen Artilleriebeschuss beschädigten Kölner Werk die Lkw-Produktion wieder an, bis Ende 1945 wurden bereits 2846 Stück gefertigt. Das erst 1939 errichtete, nunmehr im Ostsektor gelegene Zweigwerk Berlin-Johannisthal schloss Ende 1947 seine Pforten. Am 1. Oktober 1948 startete in Köln erneut die Produktion des „Taunus“ (Volksmund: „Buckel-Taunus“), der sich von seinem 1939 präsentierten Vorgänger kaum unterschied. Seine Fertigung endete nach 62 828 Exemplaren im Januar 1952.
Nachfolger wurde der „Taunus 12 M“ (das „M“ stand für Meisterstück) als miniaturisierter amerikanischer Straßenkreuzer mit modischer Pontonkarosserie, die erste Kölner Neukonstruktion nach dem Krieg. Unter seiner Haube tat freilich nach wie vor das antiquierte Vorkriegsaggregat mit stehenden Ventilen Dienst, das nunmehr 28 kW statt 25 kW aus 1,2 l Hubraum holte. Bald jedoch folgte der damals äußerst temperamentvolle „Taunus 15 M“ mit 40 kW, der erste seriengefertigte Mittelklassenwagen, der bis etwa 100 km/h bei der Beschleunigung manchem damaligem Oberklassen-Pkw die Rücklichter zeigte. Das nächste Modell wirkte noch amerikanischer als „12 M“ und „15 M“. Das war der 44 kW starke „17 M“ mit geradezu barocken Kanten und Spitzen.
In der Zulassungsstatistik vor dem Rüsselsheimer Erbfeind
Zum Bestseller avancierte der 1960 vorgestellte Nachfolger des „Ford 17 M“ mit seiner damals unkonventionellen rundlichen, unter aerodynamischen Gesichtspunkten entworfenen Karosserie. Die Ford-Werber rühmten die eher französisch als amerikanisch wirkende Karosserie als „Linie der Vernunft“, im Volksmund hieß sie schlicht „Badewanne“. Dieser „17 M“ (Werkscode: P 3) mit 40 kW und 44 kW starken Motoren wurde zum Stammvater einer ganzen Generation harmonisch gestylter Ford-Limousinen, -Kombis und -Coupés mit langlebigen, anspruchslosen Vier- und Sechszylindermotoren, die im 92 kW starken, serienmäßig mit Getriebeautomatik gelieferten Topmodell „Ford 26 M“ von 1969 kulminierte. Sie bescherte der deutschen Ford-Dependance goldene Zeiten und 1965 den zweiten Rang in der Zulassungsstatistik vor dem Rüsselsheimer Erbfeind. Der damalige Marktanteil von 18,5 % muss der heutigen Frührungscrew wie ein Märchen aus einer anderen Welt vorkommen.
Unkonventionelle Designideen ziehen sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der in Köln entwickelten Modelle. 1982 sorgte der unter der Regie von Designchef Uwe Bahnsen entstandene „Taunus“-Nachfolger „Sierra“ mit seiner „Aero-Linie“ und dem für jene Zeit niedrigen cw-Wert von 0,32 für Aufsehen. Mitte der 90er Jahre überraschte der „Ka“ mit avantgardistischem New-Edge-Design, das dann beim Sportcoupe „Puma“ und anschließend beim „Escort“-Nachfolger „Focus“ zielstrebig weiter entwickelt wurde. Nur: Im Gegensatz zu den einst zukunftsweisenden Pkw-Formen in den 50er und 60er Jahren kommt momentan das futuristische Ford-Design nicht mehr an. HANS W. MAYER/E.W.
Erfolgreiche Fords: Nachdem 1952 die Pontonform des „12 M“ (oben rechts) Anklang fand, setzte bald Bruder „15 M“ (unten rechts) motorische Maßstäbe. Mit dem Bestseller „17 M“ (oben) ging es dann in die 60er Jahre.
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