Innovation für Ottomotoren offeriert ein Heizungsspezialist
VDI nachrichten, Holzminden, 8. 10. 04 -Autos mit Benzinmotoren verfügen über Katalysatoren, damit die Abgasstandards eingehalten werden. Die Funktion des Dreiwegekats gewährleistet ein Sensor, die „Lambda-Sonde“. Droht diesem profitablen Bauteil nun das Aus? Stiebel Eltron misst die aktuelle Sauerstoffkonzentration im Abgas mit der Zündkerzenelektrode. Mit seiner Technik will sich der Heizungsspezialist im Autobereich ein neues Geschäftsfeld erschließen.
Lambda-Sonden sind ein gutes Geschäft. Das Bauteil steckt in jedem Auto mit Benzinmotor, das über einen Dreiwegekat zur Abgasreinigung verfügt, und ermittelt die Sauerstoffkonzentration im Rohabgas. Nun will der Heizungsspezialist Stiebel Eltron mit einem Messverfahren über die Elektrode der Zündkerze den Lambda-Sonden-Einsatz überflüssig machen und für sich ein neues Geschäftsfeld erschließen.
Mit den Daten der Lambda-Sonde regelt das Motormanagement das Verhältnis des Luft-Kraftstoff-Gemischs bei Ottomotoren. Die müssen für die Umwandlung ihrer Abgasschadstoffe durch den Dreiwegekat mit stöchiometrischem Luft-Kraftstoff-Verhältnis betrieben werden – dabei ist die Luftzahl Lambda ( l) = 1, die zugeführte Luftmenge entspricht dem theoretischen Luftbedarf. Allerdings arbeiten Lambda-Sonden erst ab etwa 250 oC präzise, so dass die Gemischregelung besonders nach einem Kaltstart nicht sofort ausreichend funktioniert. Optimal wäre es, die Verbrennung direkt im Brennraum zu messen.
Diesem Ziel hat sich Stiebel Eltron von anderer Seite genähert. Als namhaftes Unternehmen für Warmwasserbereitung, Heizung und Klimatisierung sowie für Wärmepumpen überwachen die Holzmindener schon seit Jahren die Verbrennung bei Gasthermen mit Hilfe einer Ionisationselektrode (System Control Technology – Scot). Aus deren Signalen ermittelt das Steuergerät die Gasqualität und stellt bei einem Wechsel der Gasart – beispielsweise von russischem auf Nordseegas – das Verhältnis von Brennstoff und Luft neu ein.
$bild1$Die Übertragung von Scot auf Pkw-Motoren sei laut Rudolf Sonnemann, Geschäftsführer Stiebel Eltron GmbH & Co KG, kein Problem: „Bei stationären und mobilen Anwendungen, bei Erdgas, Otto- oder Dieselkraftstoffen entstehen ähnliche kohlenwasserstoffhaltige Verbrennungsgase, die Ionisationssignale sind fast deckungsgleich. Unterschiedlich ist nur der Einbauort der Ionisationselektrode – beim Ottomotor in der Zündkerze, beim Dieselmotor in der Glühkerze. Wir konzentrieren uns zunächst auf den Ottomotor.“
Bei dem Verfahren von Stiebel Eltron wird unmittelbar nach dem Zündfunken eine Prüfspannung von etwa 600 V an die Elektroden der Zündkerze angelegt, so dass durch das entflammte Gemisch ein Ionisationsstrom fließt. Der Detektionsschaltkreis lässt sich im Zündkerzenstecker integrieren. Aus dem Verlauf des als Spannungsabfall über einen Widerstand gemessenen Ionisationssignals ermittelt die Software der On-Board-Elektronik den aktuellen Lambda-Wert.
Das Ionisationssignal wird mit Wichtungsfunktionen vorbehandelt, um Störeinflüsse des Zündwinkels, der Motordrehzahl, der Zylinderwände, des Zylinderkopfes und des Kolbenbodens zu eliminieren. Durch den speziellen Schaltkreis und die Einbindung der Detektionsschaltung auf der Sekundärseite der Zündspule wird der unerwünschte Einfluss der Zündspule auf das Ionisationssignal vollständig ausgeschaltet. Diese Maßnahme sei der entscheidende Unterschied zu ähnlichen Systemen, etwa im Zwölfzylindermotor von Mercedes-Benz. Dort ist die Messelektronik anders eingebaut, ein Restfeld der Zündspule kann nach Angaben der Scot-Entwickler das Ionisationssignal überlagern. Mercedes-Benz nutze die Ionisationssignale bisher nur zur On-Board-Diagnose, etwa zur Erkennung von Zündaussetzern.
„Scot stellt als erstes Verfahren im dynamischen Motorbetrieb zuverlässig den Lambda-Wert direkt aus der Verbrennungsflamme fest“, erklärte Sonnemann gegenüber den VDI-nachrichten. Der große Vorteil im Vergleich zur Lambda-Sonde sei, dass mit Scot für jeden Zylinder individuell das Luft-Kraftstoff-Verhältnis gemessen und nicht einen Durchschnittswert im Abgasstrang ermittelt werde. Zusätzliche Korrekturfunktionen kompensieren eventuelle Alterungserscheinungen – etwa der Zündkerzen – und kalibrieren das System bei einer möglichen Signaldrift automatisch neu. Stiebel Eltron plant, mit den Ionisationssignalen künftig auch die Abgasrückführung zu regeln.
Besondere Vorteile für Scot sieht Sonnemann darin, dass die Gemischregelung mit Ionisationssignalen die Verhältnisse selektiv in jedem Zylinder und direkt am Ort der Verbrennung misst. Mit zusätzlicher Software lassen sich auch wichtige Daten für die On-Board-Diagnose detektieren. Bisher werden dafür Klopfsensoren, Lambda-Sonden und Beschleunigungssensoren benötigt. Außerdem kompensiere Scot die Alterungsprozesse der einzelnen Komponenten und sei selbst nach mehreren Betriebsjahren noch sehr präzise, hieß es.
Neue gesetzliche Regelungen werden bald die Anforderungen an die On-Board-Diagnose erhöhen. Falls Diagnosedaten bereits ab Start des Motors gefordert werden, böten die Ionisationssignale bessere Möglichkeiten als Lambda-Sonden. Daneben seien die Kosten ein Argument. „Bei einem Vierzylindermotor liegen Scot und eine Lambda-Sonde etwa gleich auf. Bei mehr Zylindern und aufwändigeren Abgasanlagen mit mehreren Sonden ist unsere Lösung kostengünstiger“, so der Geschäftsführer von Stiebel Eltron.
Für die Markteinführung im Automobilbereich denken die Holzmindener ähnlich vorzugehen wie vormals bei den stationären Gasbrennern. Dort hatte sie mit der Ruhrgas AG einen General-Lizenzgeber. Diese vergab Lizenzen an andere Hersteller von Gasbrennern, so dass die Ionisationsregelung heute praktisch als Standard gilt.
Ein großer Kfz-Zulieferer wäre für den Einsatz im Automobil der optimale Partner. Sonnemann gab allerdings auch zu bedenken, dass diese potenziellen Multiplikatoren teilweise viel Geld in die Lambda-Sonden investiert hätten und daher wenig Interesse an dieser Technik haben dürften. Denkbar wäre auch eine Partnerschaft mit einem technikorientierten Automobilhersteller.
Die Frage nach der Zuverlässigkeit im Auto beantwortet Sonnemann gelassen: „Bei der stationären Verbrennung arbeitet Scot sehr zuverlässig und ist absolut langlebig. Das System für Pkw haben wir auf den Motorprüfständen von Audi, Ruhrgas und der TU Braunschweig neutral testen lassen – mit sehr guten Ergebnissen.“ Mit einer Serienapplikation der Scot-Regelung könnte Stiebel Eltron sofort beginnen. Das Unternehmen strebe aber keine eigene Produktion an, sondern die Vergabe von Lizenzen und Know-how-Transfer, so Sonnemann: „Denn eine völlig neue Technik wird wohl nur akzeptiert, wenn ein etabliertes Unternehmen dahinter steht. Wir haben dieses Standing in der Automobilbranche nicht.“ JÜRGEN GORONCY/WOP
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