„Ich bin doch kein Hobbyeisenbahner“
die privaten Bahnen in Deutschland.
Die kleine Prignitzer Eisenbahn GmbH (PEG) glänzt durch Freundlichkeit, restaurierte Loks und Pflanzenöl statt Mineraldiesel im Tank. Doch Gründer Thomas Becken ist das Kuschel-Image leid. Für neue Strecken mussten neue Züge her.
Das könnte die Geschichte eines eisenbahnverliebten Lokführers aus der östlichen Provinz sein, der auszog, die Bahn AG mit schrottreifer Technik zu besiegen. In seinem Heimatdorf Putlitz in der brandenburgischen Region Prignitz baute er eine Eisenbahnfirma mit 270 Mitarbeitern auf. Seine Züge fahren klimafreundlich mit Pflanzenöl statt mit Diesel und seine Tochterfirmen bedienen inzwischen Strecken in Hamburg, im Ruhrgebiet und Mecklenburg.
Doch das Öko-Image mag Thomas Becken, 36 Jahre alt, nicht mehr: „Ich bin weder Hobbyeisenbahner noch Eisenbahnfreak.“ Eine Zeit lang war das Bild von der ebenso romantischen wie schrottreifen Prignitzer Eisenbahn GmbH nützlich, doch das ist vorbei. „Das Image mit den alten Loks ist nicht gut bei Verhandlungen um neue Strecken“, sagt Becken kühl.
Deshalb ist bei der PEG jetzt alles im Umbruch: Die Büros sind gerade aus dem Bahnhofshäuschen von Putlitz in eine alte Schnapsbrennerei umgezogen. Und statt alter Museumsloks fahren sechs moderne, effiziente Nahverkehrsfahrzeuge vom Typ VT 643 aus dem Hause Bombardier für die Prignitzer Eisenbahn zwischen Oberhausen, Duisburg-Ruhrort und Dorsten.
Und Becken expandiert unaufhörlich: Sieben weitere sind auf neu hinzugewonnenen Strecken in Mecklenburg unterwegs, elf Fahrzeuge hat Becken für die Strecke Dortmund-Eschede, 25 für Ostbrandenburg bestellt. 18 Mio. ‰ bis 19 Mio. € Umsatz macht die Firma inzwischen im Jahr. Und wenn die neuen Strecken im Münsterland sowie in Brandenburg hinzukommen, wird sich der Umsatz 2005 verdoppeln und die Zahl der Beschäftigten auf 500 steigen.
Doch in Putlitz, der Wiege von Beckens PEG, ist von moderner Technik nichts zu sehen. Der kleine Schienenbus VT 798 ist 45 Jahre alt. Die 17 km kurze Strecke nach Pritzwalk zockelt er in gemütlichen 30 Minuten während draußen ein grünes Meer von hügeligen Feldern und Hecken vorbei zieht.
Im Abteil des Zugwagens sitzt ein treuer Kunde: Willi Aerre, Rentner. Wie jeden Tag fährt er zu seinem Sohn in Groß-Langerwisch zum Mittagessen, die Monatskarte zu 20 € macht“s möglich.
Willi Aerre kennt „den Thomas“ noch als Lokführer, Schaffner und Kaffee-Ausgießer. Denn am Anfang war die Prignitzer Bahn ein Zwei-Mann-Unternehmen. Lokführen hatte Becken in der DDR gelernt, bis 1996 hat er bei der Bahn AG in Hamburg gearbeitet. Jeden Tag mit dem Auto zwei Stunden hin. Acht bis zwölf Stunden Schicht. Zwei Stunden zurück. Totale Erschöpfung, erinnert sich Becken. „Das musste ein Ende haben.“
Als die Bahn AG die Strecke Putlitz-Pritzwalk stilllegen wollte, hat er sein Lokführerpatent benutzt, um sich für die wenigen Kilometer vor seiner Haustür zu bewerben. Und als er den Zuschlag bekam, gründete er dann die Prignitzer Eisenbahn GmbH.
Willi Aerre kann sich noch erinnern, wie der schwankende Schienenbus mitten auf der Strecke absoff. „Dann hat “der Thomas“ den Zug auf offener Strecke repariert und wir kamen eine Stunde zu spät“, sagt Aerre. Und er weiß noch, wie „der Thomas“ sein Haus riskiert hat, um den Kredit für die Firmengründung abzusichern. Und sicher könnte er noch mehr erzählen, aber dann kommt Groß-Langerwisch und Aerre muss raus. Die Schaffnerin hilft ihrem Stammkunden die hohen Tritte des Triebwagens hinab.
Bevor Becken sich die ersten Neuwagen leisten konnte, hat die Prignitzer Eisenbahn einen ganzen Zoo von alten Loks zusammengekauft: Auf den Wagenpark im „Ausbesserungswerk Neustrelitz für schwere und betriebsnahe Instandhaltung“ westlich von Putlitz wäre jedes Museum stolz: Hier steht ein altes Krokodil, Baujahr 1941. „Die Maschine haben wir uns in einem Eisenbahn-Museum ausgeliehen“, sagt Vait Oehmichen, Lokführer und zugleich Ausbilder für nachwachsende Monteure. Das Museumsschätzchen braucht viel Pflege, zieht dafür aber klaglos die Kolonnen von Waggons mit Kies oder Kohle. Dafür hat die Prignitzer Eisenbahn gerade noch 20 ausrangierte Loks aus Griechenland gekauft.
Becken musste sich Loks aus Griechenland, Polen, Italien, England und einigen deutschen Museen zusammensuchen, weil die Bahn AG ihre Loks eher ausschlachtet und verschrottet als sie Konkurrenten zu verkaufen. Doch Becken konnte den Nachteil in einen Wettbewerbsvorteil ummünzen: Nicht nur, dass er jetzt ein Gebraucht-Lok-Händler ist, seine Monteure rüsten die alten Diesel auch gleich auf den Betrieb mit Pflanzenölen um. Und da zählt die kleine Bahn zur Avantgarde.
Gut 1500 t Biotreibstoff verbraucht die PEG jedes Jahr. 2005, wenn die neuen Strecken in Betrieb sind, werden es 3500 t bis 4500 t Tonnen sein. Das Pflanzenöl ist von bester Qualität, weder Reste von Säure noch kleine Partikel dürfen darin schwimmen, die Kolben und Zylinder abschleifen und die Filter zusetzten könnten. Denn wenn die PEG bei einer Panne eine Strecke blockiert und sich von der DB Cargo abschleppen lassen muss, kostet das leicht fünfstellige Summen.
Pflanzenöl – die Sonne im Tank. Das kommt bei den Leuten so gut an wie die alten Museumsbahnen. Aber für Thomas Becken zählt nicht allein das Um-welt-Argument: „Ein Liter Pflanzenöl kostet 50 Cent, ein Liter Diesel kostet 75 Cent.“ Durch den billigeren Treibstoff, geringere Kosten in der Verwaltung und flexible Mitarbeiter, die wie Vait Oehmichen schon mal zwischen Lokführer und Monteur pendeln, ist die Prignitzer Eisenbahn rund 10 % billiger als die Bahn AG. Für den Betrieb der Strecken etwa in Brandenburg bekommt sie je Kilometer knapp 8 € statt 8,70 € wie die Bahn AG. Und in puncto Service und Freundlichkeit lässt die Prignitzer Bahn die Bahn AG Lichtjahre hinter sich.
So hat Becken vor allem die Kosten im Auge, egal ob alte Bahnen oder Bioöl: Von den romantischen Bahnen muss er sich verabschieden, weil sie unzuverlässig sind und zu teuer. Und weil die Länder in ihren Ausschreibungen für ihre Strecken neues Gerät fordern. Selbst beim Bioöl zählen letzten Endes nur die Kosten: „Bei rund zwei Millionen Litern Jahresverbrauch sparen wir enorme Kosten. Wenn ökologisch toll, aber teuer wäre, würde ich das nicht machen.“
MARCUS FRANKEN
Weg von der Bahn AG
Private Bahnen
An die 60 nicht bundeseigene Bahnen soll es, so der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen, in Deutschland geben. Dazu kommen gut 100 kleine Privatbahnen, wie Museums- oder reine Güterbahnen. Die meisten sind im Eisenbahnnahverkehr tätig, der 2002 gut 1,8 Mrd. Personen transportierte. Aber nur rund 2 % davon wurden von nichtbundeseigenen Bahnen befördert. Einige Private, wie Connex, bieten auch Verbindungen auf Fernstrecken an. moc
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