High-Tech-Getriebe am Fahrrad
Ein Kassler Unternehmen tritt mit einer neuen Nabenschaltung für Mountainbikes und Tourenräder gegen die Giganten der Branche an.
Wir gehen davon aus, daß die Kettenschaltungen ausgereizt sind. Was bei den Kettenschaltungen jetzt noch kommt“, da ist sich Bernhard Rohloff ganz sicher, „sind nur noch Spielereien.“
Für Rohloff Grund genug, über leistungsfähige Alternativen nachzudenken. Gut vier Jahre hat er mit seinen Mitentwicklern „gerechnet bis zum Abwinken“, seit einigen Monaten verläßt das Produkt ihrer Überlegungen die kleine Fabrikationshalle am Rande von Kassel: die Speedhub-Getriebenabe 500/14. Sie ist das Herzstück einer 14-Gang-Nabenschaltung, der ersten Nabenschaltung, die auch den Herausforderungen des Extremsports standhalten soll.
„Was wir nicht wollten“, so Rohloff, Technischer Geschäftsführer der Rohloff Gesellschaft für antriebstechnische Entwicklungen mbH und von Haus aus Maschinenbauingenieur, „war eine Alternative zu den bestehenden Nabenschaltungen“. Denn die sind bisher nur für Alltagsradler zu gebrauchen. Seine Referenz ist die wohl leistungsfähigste Kettenschaltung, die derzeit auf dem Markt ist, die 27-Gang-Schaltung XTR vom japanischen Schaltungsriesen Shimano. „Daran“, weiß Rohloff, „müssen wir uns messen lassen.“
Kettenschaltungen haben von Anfang an im Sport dominiert. In den 70er Jahren kamen durch den Mountainbike-Sport immer mehr Ritzel ans Rad, mittlerweile sind es neun, mit drei Kettenblättern vorn macht das 27 Gänge.
Doch mit diesen 27 Gängen, vermutet Rohloff, der selbst seit zwölf Jahren hochwertige Fahrradketten herstellt, „hat die Kettenschaltung ihren Höhepunkt überschritten“.
Wenn aber eine Alternative zur Kettenschaltung überhaupt eine Chance haben kann, dann nur, wenn sie ebensogut ist wie die beste 27-Gang-Kettenschaltung, zugleich aber ohne deren Nachteile – kurze Lebensdauer (2000 km bis 4000 km) und hoher Wartungsaufwand – auskommt.
Blieb also nur das gekapselte System einer Nabenschaltung. Und was Rohloff mit der „Speedhub 500/14“ präsentierte, ist ein kleines Meisterwerk.
Auf engstem Raum werden drei Planetengetriebe hintereinander angeordnet und ermöglichen so 14 gleichmäßig abgestufte Gänge. Die Wälzlagerung aller Planetenräder in Verbindung mit Zahnrädern mit möglichst großen Zähnezahlen und eine Ölschmierung sorgen dafür, daß wenig Kraft durch Reibung verloren geht und die Speedhub-Nabe einen Wirkungsgrad von 96 % bis 98 % erreicht.
Bei den Zahnrädern ließ man sich auf keine Experimente ein. Aus hochwertigem Zahnradstahl wälzgefräst, besitzt das Getriebe unter sportlicher Höchstleistung auch bei 250 Nm an den Kurbeln ausreichende Sicherheitsreserven.
Das Innenleben der aus 125 Einzelteilen bestehenden Nabe liegt in einem gekapselten Ölbad. Die Wartung besteht in regelmäßigen Ölwechseln – ein- bis zweimal pro Jahr. Damit soll die Nabe ein Fahrradleben lang halten.
Noch in diesem Jahr werden gut 10 000 Naben das Unternehmen verlassen, für die nächsten Jahre ist ein deutliches Wachstum geplant.
Rohloff baut dabei auf die drei Eigenschaften seiner Naben: leicht, robust schnell. Zahlreiche Tests sprechen bereits für ihn, ein erster eigenhändiger Fahreindruck bestätigt, daß die Speedhub auch unter Last sauber arbeitet. Schneller als bei einer Kettenschaltung lassen sich in kritischen Situationen Gänge überschalten, zumal man ja nur einen Schaltgriff hat, da vorne nur mit einem Kettenblatt gefahren wird. Die Speedhub läßt sich auch im Stehen schalten.
Ein weiterer Vorteil gegenüber allen anderen Fahrradschaltungen: Die Rastung für die Gänge liegt bei der Speedhub nicht am Griff, sondern in der Nabe selbst. Eingestellt wird nur die Schaltseilspannung, die Rastung der Gänge jedoch muß nie nachgestellt werden.
Auch die Gesamtübersetzung der Speedhub kann mit der 27-Gang-Kettenschaltung mithalten: Sie liegt bei 526 %, d.h. mit dem größten Gang legt man pro Kurbelumdrehung eine mehr als fünfmal so lange Strecke zurück wie mit dem kleinsten. Die Abstufung zwischen den 14 Gängen liegt gleichmäßig bei etwa 13,6 %.
Gedacht ist die Speedhub-Nabe vor allem für Mountain-Bikes und sportliche Tourenfahrer, die sich ihr Vergnügen einiges kosten lassen. Denn im Preis liegt die Speedhub je nach Lieferumfang zwischen 1389 DM und 1569 DM und damit bei dem Preis hochwertiger Kettenschaltungen. Da aber die Kette, das vordere Blatt und das Ritzel nicht so stark wie bei einer Kettenschaltung durch Schaltvorgänge verschleißen, dürfte sich die Lebensdauser dieser Teile bei der Speedhub deutlich verlängern.
Einzig beim Gewicht kann die Kettenschaltung gegen die Speedhub punkten: Sie kann, je nach Komponentengruppe bis zu 250 g leichter ausfallen als die 1,7 kg schwere Speedhub-Nabe. Dem Fahrvergnügen tut das keinen Abbruch.
moc
Der Macher und sein Produkt: Bernhard Rohloff und die Speedhub-Getriebenabe 500/14 an einem Mountainbike. Doch das wartungsfreundliche Getriebe soll auch in hochwertige Trekking- und Stadträder Einzug halten.
Das Innenleben der Speedhub-Nabe, drei hintereinanderliegende Planetengetriebe, setzt sich aus 125 Einzelteilen zusammen.
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