Schiffbau 21.11.2003, 18:27 Uhr

Geisterschiffe finden keine Ruhe

Große Wracks könnten sich künftig in Goldgruben verwandeln.

Sie sind Geisterschiffe – dem Tode geweiht und doch lebendig. Wohin mit 13 alten Versorgungsschiffen der US Navy, die vor rund einem halben Jahrhundert vom Stapel liefen. Seit Jahren schon harrten sie vertäut im James River des Bundesstaats Virginia ihrer Abwrackung entgegen.
Eigentlich sollte es jetzt soweit sein: In einem komplizierten Ausschreibungs- und Bewertungsverfahren der US-Regierung setzte sich ein Abwrackbetrieb im nordostenglischen Hartlepool durch. Die Tinte unter dem Vertrag war längst trocken, die ersten vier Schiffe im Schlepptau niederländischer Spezialisten auf dem Weg über den Atlantik, als ein britisches Gericht in letzter Sekunde entschied: Die Dampfer werden abgewiesen.
Auf Betreiben von Anwohnern und dem Umweltschutzverband Friends of the Earth, hatte sich in letzter Sekunde das britische Umweltamt eingeschaltet und argumentiert, dass es sich beim Export der Schiffe um unerlaubten Mülltourismus handele. Der Streit um die „Giftschiffe“ sorgt längst weltweit für Schlagzeilen.
Doch sind sie wirklich die tickenden Zeitbomben, für die sie gehalten werden? Zweifel scheinen angebracht. „Mir ist nicht klar, warum diese Einheiten so viel gefährlicher und giftiger sein sollen als andere alte Tanker-Tonnage“, meint John Barnes, Schiffbau-Ingenieur und Chefredakteur des Fachmagazins Safety at Sea. Ins Gerede gekommen sind die alten Navy-Kähne aufgrund zweier Inhaltsstoffe: Asbest, das bis in die 80er Jahre wegen seiner hohen Feuerfestigkeit als Isoliermaterial verarbeitet wurde, und den als Dichtungsmittel verwendeten polychlorierten Biphenylen (PCB).
Letztere gelten als hautschädigend bei Menschen und schaden Leber und Immunsystem von Tieren. Hinzu kommen Öl- und Dieselreste in den Tanks der Schiffe. Alle diese Materialien sind laut einem Öko-Ausweis der Internationalen Schifffahrtskammer allerdings als gewöhnliche Bau- und Betriebsstoffe alter Frachter und Luxusliner einzustufen.
Die Kammer fordert die Reedereien lediglich auf, Ort und Lagerung der Gifte zur Sicherheit der Umwelt und betrieblichen Abläufe in den Abwrackbetrieben akkurat zu dokumentieren. „Das Bizarre ist, dass jeden Monat Dutzende ähnlicher Schiffe an den Stränden von Entwicklungsländern wie Bangladesch landen, wo sie unter sehr riskanten Bedingungen zerlegt werden“, meint Barnes. Auch Umweltschützer wie Greenpeace verurteilen die Praktiken in den Entwicklungsländern (siehe Kasten). „Eine Verschrottung in Hartlepool hätte hingegen unter schärfsten Umwelt- und Sicherheitsauflagen stattgefunden“, ist Barnes überzeugt.
In der Tat kann die Firma Able UK, die sich einen Verdienst von umgerechnet 7 Mio. € aus dem Geschäft erhofft hat, mit besten Referenzen aufwarten. Die Spezialisten erfüllen alle Kriterien, die die UNO-Seeschifffahrtsorganisation in einem Memorandum zur Schiffsabwrackung zugrunde legt. Außerdem haben die Ingenieure in den vergangenen 30 Jahren umfangreiche Erfahrungen mit der Entsorgung von Bohrinseln und Ölraffinerien gesammelt.
Der Geschäftsführer von Able UK, Peter Stephenson, meint, dass sich die Umweltlobby in diesem Fall ein dickes Eigentor geleistet hat. 98 % der Schiffskörper wären wiederverwendet oder recycelt, nur 2 % auf Sonderdeponien eingelagert worden, verspricht der Firmenboss. „Wir haben alle unsere Pläne offen gelegt, um den Kritikern zu beweisen, dass wir die sichersten und umweltverträglichsten Entsorgungsmethoden anwenden.“
Durch das vorläufige Abwrackverbot entgehen dem Struktur schwachen Hartlepool obendrein wirtschaftliche Chancen. Denn die Vereinten Nationen arbeiten seit Jahren an schärferen Qualitäts-Auflagen für das Abwrackgeschäft, und Regionen, die das nötige Know-how dafür bündeln, könnten bald von wachsenden Entsorgungsaufträgen profitieren. 200 neue Jobs hatte Able UK der Gemeinde versprochen.
Jetzt profitiert nur noch die niederländische Reederei ITC in Rotterdam. Die nämlich, so zeichnet sich ab, kann die vier bereits gelieferten Geisterschiffe nächstes Frühjahr wieder 4000 Meilen zurück über den Atlantik schleppen. MICHAEL HOLLMANN

Mülltourismus?
Giftige Gruft
Viele Reedereien verkaufen ihre ausrangierten Schiffe zum Abwracken nach Südasien. 700 bis 800 Schiffe landen jährlich an den Stränden von Indien, Bangladesch, China und Pakistan. Für die armen Länder sind die rostigen Dampfer eine unerschöpfliche Rohstoffquelle. Bangladesch etwa bezieht rund 80 % seines Recyclingstahls aus den Schiffsfriedhöfen in Chittagong. Barfuß und in Handarbeit zerstückeln dort Einheimische die oft asbest- und schwermetallverseuchten Wracks. Umweltschützer fordern seit langem, die alten Dampfer unter die Basler Konvention fallen zu lassen – seit 1998 wird Mülltourismus aus OECD-Ländern in die dritte Welt geächtet. Für Regeln plädieren auch das UN-Umeltprogram UNEP, die Internationale Seeschifffahrtsorganisation IMO und die Internationale Arbeitsorganisation ILO. Greenpeace hat vorgeschlagen, dass Schiffe in den Industrieländern ausgeschlachtet und schadstofffrei exportiert werden. Doch die Reedereien sträuben sich: Sie scheuen die Kosten – angesichts der scharfen EU-Arbeits- und Umweltrichtlinien würden die Entgiftungskosten den Schrottwert auffressen. mph/eb

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