Fahrzeugproduktion erobert den „Cotton Belt“
Statt in die windige Region um Detroit zu gehen, zieht es immer mehr Automobilhersteller in den sonnigen Süden der USA. Einen Grundstein dafür legte BMW mit seinem Werk in Spartanburg, South Carolina. Der vom Niedergang der Textilindustrie gebeutelten Region tut dies gut. Sie blüht wieder auf.
Schon auf dem Weg vom Flughafen in Greenville/South Carolina in Richtung Spartanburg fällt auf, was die Region im Südosten der USA prägt: Bäume und Wiesen in sattem Grün säumen den Highway im von der Sonne verwöhnten South Carolina. Was früher vor allem die Landwirte freute, erfreut heute auch die zahlreichen Mitarbeiter der seit einigen Jahren dort aufblühenden Automobilindustrie. So macht die Region mittlerweile auch dem klassischen amerikanischen Automobilschwerpunkt um Detroit/Michigan Konkurrenz, wo z. B. Chrysler, General Motors und Ford ansässig sind.
Von der im „Cotton Belt“ ehemals starken Textil- und Bekleidungsindustrie ist heute kaum noch etwas zu sehen. Deren Geschäfte laufen wegen der billigeren Löhne nun hauptsächlich über Mexiko. Stattdessen fügt sich der flache Bau des BMW-Werkes nahtlos in die nahezu ebenso flache Landschaft ein. Das vom Highway zu erkennende halbmondförmige Besucherzentrum, lässt nur erahnen, was sich dahinter verbirgt.
Spartanburgs Bürgermeister, Bill Barnet, denkt gerne zurück: „Als BMW 1992 entschied, die US-Fabrik in Spartanburg zu errichten, war das ein Signal für die weltweite Industrie, dass South Carolina die Infrastruktur und die Arbeiter hat, um internationale Hightech-Unternehmen zu unterstützen.“ Vom ersten Spatenstich 1993 bis zur Auslieferung des ersten Fahrzeuges dauerte es dann nur 23 Monate. Das war laut Werksleiter Helmut Leube „zum damaligen Zeitpunkt ein Rekord.“ Seitdem hat sich im Werk, aber auch in der Region einiges getan.
Bewusst war BMW damals nicht nach Detroit gegangen, um beim Aufbau des neuen Standortes möglichst flexibel zu sein. „Wir haben hier ein starkes Zulieferer-Netzwerk aufgebaut“, erläutert Leube die Strategie, die der Automobilkonzern aus Bayern weltweit verfolgt.
Anders als andere internationale Hersteller, sei man in den USA das Risiko eingegangen, die Teile nicht aus der Heimat einzuführen. So habe man heute 45 Lieferanten im engeren Umfeld des Werkes. Von Duncan aus versorgt z. B. Lear das Werk mit Sitzen und Michelin liefert Reifen aus dem benachbarten Greenville. Darüber hinaus haben auch andere Automobilhersteller mittlerweile in Werke im Südosten der Vereinigten Staaten investiert.
Sowohl für die Logistik des Automobilherstellers als auch für die Region erweist sich die Entscheidung zu Gunsten Spartanburgs heute als positiv: So belegt eine Studie der „Moore School of Business“ an der Universität von South Carolina, das neben jedem der bis 2001 bei BMW entstandenen 4327 Arbeitsplätze drei weitere in der Region hinzukamen.
Auch Werksleiter Leube hat Grund zur Freude. Zwar hatte es beim Neuanfang etwas gedauert, alle Mitarbeiter und Zulieferer auf das geforderte Qualitätsniveau zu trimmen, „aber seitdem sind wir sehr erfolgreich und stehen den anderen Werken der BMW-Gruppe in nichts nach.“ Sein Fazit nach über zehn Jahren Produktion in Spartanburg: „Wir haben gelernt, wie man im Automobilbau ungelernte Mitarbeiter qualitativ ausbildet und in ein weltweites Produktionsnetz integriert.“ Zudem habe man Erfahrungen gesammelt, wie ein Logistiknetz aufgebaut wird, das über verschiedene Kontinente hinweg funktioniert.
Wenn der leicht ergraute Carl Flesher aus seinem Büro ins Grüne blickt, kommt er ins Schwärmen: „Spartanburg ist vielleicht der schönste Standort.“ Der heutige Sprecher des BMW-Werkes South Carolina ist seit Anfang an dabei und hat die Entwicklung der Region verfolgt. Wo einst eine Kleingartensiedlung stand, schleusen nun Transporteinrichtungen Fahrzeuge und Bauteile durch das Werk. Trotz weltweit einheitlichen Fertigungsstandards wird schnell deutlich, in welchem Land man sich befindet: „Stars and Stripes“ zieren Schutzhelme, Maschinen und Wände. Mitarbeiter schweißen, montieren und polieren hier den Roadster Z4 sowie den geländegängigen X5 nach den gleichen Qualitäts- und Umweltstandards, wie sie an allen Standorten der BMW-Gruppe gelten.
Dennoch überrascht ein für amerikanische Verhältnisse außergewöhnliches Umweltschutzkonzept. Dazu kooperiert das Werk mit einer nahe gelegenen Mülldeponie. „Das Methangas wird nicht nutzlos verbrannt“, freut sich Christine Todd Withmann, „sondern es werden erhebliche Mengen sauberer Energie erzeugt.“ So blieben der Umwelt jährlich bis zu 55 000 t Kohlendioxid-Emissionen erspart, macht die Beauftragte der US-Umweltbehörde „EPA“ deutlich. Gleichzeitig werden dadurch nach Werksangaben bis zu 25 % des Energiebedarfs abgedeckt.
Auch für das Automobilwerk hat die aktive „grüne“ Politik Vorteile: Als bisher einziger Automobilhersteller wurde BMW von der Umweltbehörde in eine Liste privilegierter Industrieunternehmen aufgenommen, was dem Unternehmen ermöglicht, seine Kapazitäten unter Einhaltung des Umweltschutzes flexibel zu steigern.
Das freut auch die Konzernleitung im mehr als zehn Flugstunden entfernten München. Mit einem Absatzplus bei allen Marken erreichte man dort gerade einen neuen Spitzenwert von 1,1 Mio. Fahrzeugen in 2003. Für den Vorsitzenden des BMW-Vorstands, Dr. Helmut Panke, sind Auslandsstandorte dabei eher eine Ergänzung zu den Aktivitäten in der Heimat als eine Konkurrenz: „Die zunehmende Internationalisierung hat die Rolle unserer bayrischen Standorte gestärkt. Je erfolgreicher wir international, sind desto besser für unsere heimischen Standorte.“ Als Teil des Produktionsnetzes der BMW Gruppe, werden beispielsweise im niederbayrischen Dingolfing neben kompletten Fahrzeugen auch Achsen sowie Getriebe für alle Baureihen gefertigt und über den Atlantik nach Spartanburg geliefert.
Noch hat das Werk in den USA ein Alleinstellungsmerkmal: Es ist das einzige im Konzern, das auf einer Ebene produziert. Alle anderen Werke im Konzern mussten ihre Produktion aus Platzgründen mehrstöckig gestalten.
Mit dem neuen Werk in Leipzig soll sich das nun auch auf dem europäischen Kontinent ändern. Hier werden die Erfahrungen vom Aufbau des Standorts in Spartanburg derzeit beim Bau der neuen Fabrik umgesetzt, die ab der zweiten Hälfte diesen Jahres den Probebetrieb aufnehmen soll. Ob das in Sachsen für eine ähnliche Entwicklung wie in der Region South Carolina sorgen wird, muss sich dann zeigen.MARTIN CIUPEK
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