Ein Flugzeug wie ein Fahrrad
VDI- nachrichten, Düsseldorf, 29. 4. 05 – Das in Zukunft größte Passagierflugzeug der Welt, die A380 von Airbus, setzt massiv auf neue Technologien. Im kommenden Jahr werden die ersten A380 an die Fluglinien ausgeliefert. Doch auch danach wird neue Technik Schritt für Schritt in das Flugzeug integriert. Deutsche Forschungseinrichtungen arbeiten daran mit.
Der neue Airbus A380 ist das technisch wohl fortschrittlichste große Passagierflugzeug der Welt. Wahrscheinlich ist das mit ein Grund dafür, dass es so problemlos seinen vierstündigen Erstflug am Mittwoch dieser Woche hinter sich brachte. „Dieses Flugzeug lässt sich wie ein Fahrrad bedienen. Es ist sehr, sehr einfach zu fliegen“, so Test-Co-Pilot Jacques Rosay nach dem erfolgreichen Flug.
In dem Flieger werden viele neue Technologien eingesetzt, teilweise auch solche, die bisher vor allem in Kampfflugzeugen zu finden waren.
Ein Beispiel dafür sind die neuen hydraulischen Systeme, die mit einem Druck von 5000 psi arbeiten. Standard in großen Verkehrsflugzeugen sind bisher 3000 psi. Durch den höheren Druck lassen sich Komponenten wie Rohrleitungen kleiner auslegen. Das spart Platz und Gewicht.
Eine weitere Neuheit ist die Verwendung des Aluminium-Kohlefaser-Sandwiches Glare, aus dem die oberen Rumpfschalen der A380 hergestellt sind. Durch die Verwendung von Glare, das im Verhältnis zu Aluminium gut 10 % leichter ist, werden bei einer A380 über 800 kg Gewicht eingespart.
Neu im Flugzeugbau ist auch der hohe Anteil an Kohlefaserverbundwerkstoffen (CFK) in der A380: Ungefähr 20 % (bezogen auf das Gewicht) der A380 sind aus CFK-Materialien.
In keinem großen Passagierflugzeug wird derzeit so viel CFK eingesetzt wie in der A380. Doch das wird nicht lange so bleiben. US-Wettbewerber Boeing vermarktet seine Boeing 787, die im Jahr 2008 auf den Markt kommen wird, derzeit als ersten „Composit Jetliner“ – über 50 % (auf das Gewicht bezogen) der 787 sollen aus CFK sein.
Aber auch bei den Airbus-Fliegern und selbst bei der A380 sind die Möglichkeiten des CFK-Einsatzes noch lange nicht ausgereizt. Gut 30 Jahre dürfte die A380 bei den Fluggesellschaften dieser Welt im Einsatz sein. In dieser Zeit, schätzen Wissenschaftler, wird sich der Anteil der CFK-Komponenten in dem Flieger noch deutlich erhöhen.
„Man kann davon ausgehen“, so Professor Elmar Breitbach vom Institut für Faserverbundleichtbau und Adaptronik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Braunschweig, „dass in den nächsten Jahrzehnten der Einsatz von CFK bei den Airbus-Flugzeugen von derzeit 20 % auf 40 % anwächst.“
Das trifft auch für die A380 zu.
An Breitbachs Institut wurden viele der CFK-Komponenten für die A380 mitentwickelt. Würden etwa bei der A380 Aluminium-Teile in Zukunft durch neue CFK-Teile ersetzt, müsste das Flugzeug neu zugelassen werden – im internationalen Flugzeugbau allerdings ein normales Geschäft.
Doch welche Aluminiumteile am Flugzeug würden ersetzt? In erster Linie wären das die Rumpfsegmente und die Flügel der Flieger, so dass in absehbarer Zeit sowohl der komplette Rumpf wie auch die Flügel aus CFK-Komponenten bestehen. Bereits heute wird der Flügel des militärischen Airbus A400 M aus CFK-Bauteilen gefertigt.
Auch die derzeit aus Glare bestehenden oberen Rumpfschalen der A380 könnten schrittweise durch reine CFK-Elemente ersetzt werden.
Was die CFK-Komponenten so attraktiv macht, ist die Tatsache, dass sie bei gleicher Festigkeit wie Aluminium weniger wiegen.
Was den Einsatz von CFK-Teilen derzeit allerdings noch bremst, ist ihr Preis. Sie sind in der Regel teurer als vergleichbare Aluminium-Bauteile, zumal die Herstellung größerer CFK-Teile noch immer mit sehr viel Handarbeit verbunden ist.
Zudem lassen sich kleine Schäden in Aluminiumrümpfen, etwa durch ein Servicefahrzeug auf dem Flughafen, noch immer einfacher reparieren als bei CFK-Bauteilen.
Im DLR werden deshalb auch neue, kostensenkende Verfahren entwickelt, wie sich mit Mikrowellen große CFK-Werkstücke aushärten lassen. Das würde die Produktion vereinfachen und sie von den Autoklaven lösen, in denen derzeit CFK-Bauteile „gebacken“ werden.
Gleichzeitig wird im DLR auch über mobile Mikrowellensysteme nachgedacht, mit denen sich kleine Schäden in der CFK-Flugzeughaut direkt am Flughafen beheben lassen.
Doch auch eine ganze Reihe anderer DLR-Institute und Universitäten wie die TU Hamburg-Harburg oder die Uni Stuttgart waren an der technologischen Entwicklung der A380 beteiligt.
So wurden am Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik des DLR die Hochauftriebssysteme mitentwickelt. Hochauftriebssysteme werden die Klappensysteme an der vorderen und hinteren Flügelkante genannt. Ziel war die Entwicklung leistungsfähiger Klappen mit besserer Aerodynamik, aber geringerer mechanischer Komplexität.
Dabei stellte sich bei der A380 zusätzlich das Problem, dass sich die Ergebnisse von Windkanalversuchen nicht unmittelbar auf die riesigen Flügel des neuen Flugzeugs übertragen ließen.
Auch in Sachen Aerodynamik dürften über den Lebenszyklus der A380 noch einige Verbesserungen vorgenommen werden.
Doch all das sieht der Passagier nicht. Der sieht vor allem die Kabine. Und die könnte sich von Fluggesellschaft zu Fluggesellschaft dramatisch unterscheiden, glaubt man den Marketing-Strategen von Airbus.
In der Mock-up Halle von Airbus in Toulouse sind ganze Wohnlandschaften für die A380-Kabine aufgebaut. Die Fluggesellschaften halten sich zwar derzeit noch zurück mit Ankündigungen, wie sie ihre Kabinen ausstatten wollen, doch es ist zu hören, dass etwa die Gesellschaft Emirates – mit 43 bestellten Fliegern der größte Kunde der A380 – Duschen für ihre First-Class-Kunden haben will.
Virgin, so wird berichtet, will Fitness-Räume einbauen lassen, Air France aufwendige Multimedia-Systeme auch für die Economy-Kunden.
So dürften sich die Flieger von einer Fluggesellschaft zur anderen in der Kabinenausstattung erheblich unterscheiden. Abzuwarten ist, wie lange das so bleibt. Auch bei den ersten Boeing 747 gab es auf dem Oberdeck bei einigen Linien eine Bar, teilweise sogar mit Klavier. Davon war bald nicht mehr viel zu sehen, an Stelle von Bar und Piano wurden Sitzreihen in den Jumbo geschraubt.
Wenn der A380 dasselbe Schicksal blüht, wird sie wohl in naher Zukunft mit 800 und mehr Passagieren um die Welt fliegen. W. MOCK
A380: Die Daten
– Startgewicht bei Erstflug : 421 t
– Maximales Startgewicht: 560 t
– Durchschnittliche Passagierzahl: 555
– Maximale Passagierzahl: 840
– Crew: ungefähr 20
– Triebwerke: Trent 900 (Rolls-Royce) und GP7200 (Engine Alliance)
– Reichweite mit 555 Passagieren: 14 800 km
– Spritverbrauch: 2,9 l pro 100 km pro Passagier (in einer Konfiguration mit 555 Passagieren)
– Flughäfen in Deutschland, auf denen die A380 landen wird: Frankfurt und München moc
Airbus unter Druck – Vom Jäger zum Gejagten
Der spektakuläre Erstflug des Airbus A380 sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass derzeit US-Konkurrent Boeing beim Verkauf neuer Flugzeuge die Nase vorn hat. Vor allem der geplante 787 Dreamliner von Boeing verkauft sich derzeit hervorragend. Airbus-StarVerkäufer und Chief Commercial Officer John Leahy ist deshalb erheblich unter Druck. Allein in der ersten Hälfte dieser Woche hängte Boeing seinen Konkurrenten Airbus zweimal ab: Sowohl Air Canada wie Air India entschieden sich gegen die A330 /340 Modelle von Airbus und für die 777 und die für 2008 geplante 787 von Boeing. Gegen die 787 hatte Airbus seine geplante A350, eine Weiterentwicklung der A330 ins Rennen geschickt. Die aber stößt bei den Fluglinien derzeit auf so wenig Interesse, dass schon über eine Aufgabe der A350 gemunkelt wird. Die Boeing 787 hat derzeit 217 Bestellungen und dürfte damit eines der sich am schnellsten verkaufenden neuen Flugzeuge sein. moc
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