Ein Drachen schwebt über dem Fluss
Die Wuppertaler Schwebebahn ist ein technisches Meisterwerk, das auch Künstler inspirierte. Berühmt wurde sie jedoch durch einen jungen Elefanten.
Die in Wuppertal aufgewachsene Dichterin Else Lasker-Schüler liebte den „stählernen Drachen“ mit seinen „vielen Bahnhofköpfen und sprühenden Augen über dem schwarz gefärbten Fluss“, und Jean Cocteau rief beim Anblick der Bahn aus: „Aber das ist ja ein Engel!“ Die Wuppertaler Schwebebahn, gerade 100 Jahre jung geworden und immer noch ein zukunftsweisendes Verkehrsmittel, verführte viele berühmte Zeitgenossen zu poetischer Bewunderung.
Vielleicht liegt das an dem leichten Hin- und Herschaukeln der in der Luft hängenden Bahn, das leicht schwindelig macht und Erstbenutzer so lange in Nervosität versetzt, bis das Schwebevergnügen über der Wupper mit ungeahnten Einblicken in die Hinterhöfe der Stadt überhand gewinnt. Und wäre nicht im Jahr 1999 während der Sanierung des Gerüstes eine vollbesetzte Bahn aufgrund menschlichen Versagens in die Wupper gestürzt, wobei fünf Menschen den Tod fanden und 46 verletzt wurden, wäre das Verhältnis der Wuppertaler zu „ihrer“ Schwebebahn gänzlich ungebrochen.
Ungeachtet des Unfalls, schweben nach wie vor täglich 72 000 Passagiere auf der 13,2 km langen Fahrstrecke mit 20 Bahnhöfen zwischen den Stadtteilen Oberbarmen und Vohwinkel, insgesamt 1,5 Mrd. dürften es nach Schätzungen des Betreibers, der Wuppertaler Stadtwerke, in den vergangenen 100 Jahren gewesen sein.
Angefangen hatte es mit einem „System hängender Wagen“, das der Kölner Ingenieur Eugen Langen im Jahre 1893 erfunden hatte. 1894 besichtigte eine Delegation der beiden Wupperstädte Elberfeld und Barmen, Zentren der Frühindustrialisierung und aufgrund der Enge des Wuppertals verkehrstechnisch hoffnungslos überlastet, eine 300 m lange Versuchsstrecke, die Langen mit Unterstützung der Firma MAN in Köln-Deutz errichtet hatte. Tief beeindruckt kehrten die Stadtväter ins Bergische zurück, und nach einigen Querelen zwischen Barmern und Elberfeldern entschloss man sich, das Wagnis einzugehen.
Nach nur vierjähriger Bauzeit konnte Kaiser Wilhelm II. mit Gattin Auguste Viktoria am 24. Oktober 1900 vom Elberfelder Zentrum Döppersberg bis Vohwinkel schweben. Am 1. März 1901 wurde ein Teilstück der Öffentlichkeit übergeben, im gleichen Jahr verkehrte die Schwebebahn wegen des hohen Passagieraufkommens nachmittags bereits im fünf-Minuten-Takt und beförderte rund 10 000 Menschen pro Tag. 1903 lief die Gesamtstrecke quer durch die Wupperstädte mit damals noch 17 Haltepunkten. 16 Mio. Goldmark hatte sie verschlungen.
Unfälle, bei denen die Fahrgäste allerdings überwiegend mit dem Schrecken davonkamen, gab es mehrere. Der spektakulärste ereignete sich am 21. Juli 1950, als der in Wuppertal gastierende Zirkus Althoff den jungen Elefanten „Tuffi“ als Werbegag in die Schwebebahn verfrachtete. Die Schräglage und das Schaukeln versetzten das fast 14 Zentner schwere Dickhäuterbaby so in Panik, dass es aus dem fahrenden Wagen sprang.
„Sitzbänke brachen aus den Halterungen, als der wild mit dem Rüssel um sich schlagende Elefant los stampfte,“ berichtete ein Augenzeuge. „Einem Wochenschau-Reporter schlug er die Kamera von der Schulter, der Pressechefin des Zirkus die Brille von der Nase. Plötzlich gähnte in der Seitenwand des Wagens ein großes Loch – und Tuffi war entschwunden.“
Zum Glück landete er weich im Wupperwasser und trug außer einer Schramme am Hinterteil keine weiteren Verletzungen davon. Dafür setzte eine riesige Publicity ein, die bis heute wirkt. Den Filmemacher Volker Anding inspirierte „Der Fall des Elefanten“ zu einer mit dem Grimme-Preis gekrönten herrlich skurrilen Rekonstruktion des Unglücks, Tuffi-Bücher und –plakate in großer Zahl erfreuen bis heute die Wuppertaler Kinder.
Aber auch die Schwebebahn selbst ist immer wieder eine beliebte Filmkulisse. Natürlich hat sie Starauftritte in Tom Tykwers in Wuppertal gedrehtem Film „Der Krieger und die Kaiserin“, im einzigen Spielfilm der weltberühmten Wuppertaler Choreografin Pina Bausch, „Die Klage der Kaiserin“, schweben Tänzerinnen und Tänzer in und unter der Bahn, und auch Wim Wenders“ frühem Meisterwerk „Alice in den Städten“ hat sie als Kulisse gedient.
Ihren Tribut an den Tourismus entrichtet die Schwebebahn mit dem Kaiserwagen, der noch aus der ersten Baureihe stammt und für Kaffeefahrten und Hochzeiten zu mieten ist. Überhaupt ist die Zahl an Heiratsanträgen und Verlobungen unter dem Dach der Jubilarin Legende. Fast hätte der Dichter Joachim Ringelnatz auch zu denen gehört, die ihr Herz in der Schwebebahn verloren, aber eben nur fast, wie sein nachgelassenes Gedicht beweist:
„Als in Elberfeld wir in der Schwebebahn/Runter auf das Wupperwasser sahen,/Und dann plötzlich unsere Blicke hoben/Gen einander ins Gesicht,/Hätten wir uns eigentlich verloben/Können. – Dann wir tatens nicht./Weil man manchmal in der Schwebe schweigen/Vorzieht, Um bald wieder auszusteigen.“ CHRISTIANE GIBIEC
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