Schiffbau 17.09.2004, 18:33 Uhr

Dieselgiganten auf Deutschlandtour

VDI nachrichten, Augsburg/Papenburg, 17.9.04 In der Meyer Werft wird zurzeit ein neues Kreuzfahrtschiff der Luxusklasse gebaut. Allein seine Motoren könnten eine Kleinstadt mit Energie versorgen. Doch auch der Weg, den die Dieselgiganten von MAN in Augsburg bis nach Papenburg zurücklegten, forderte Spitzenleistung aus Germany.

Kranführer Reinhold Willems sagt es leise: „Die Schäkel passen nicht.“ Die beiden Arbeiter neben ihm am 165 t schweren Dieselmotor zucken nur leicht mit den Schultern. Keine Zeit für große Gesten. Alle stehen unter Hochspannung. Sie warten auf den großen Moment. Alles muss klappen, denn Journalisten und das Management der Meyer Werft im emsländischen Papenburg gucken zu. Eine Panne will sich jetzt niemand leisten. 15 mm fehlen – nach rund 1000 km Reise.
„Wenn das noch lange dauert, kostet uns das richtig Geld“, so Kranführer Willems etwas lauter. Schiffsbauer haben rigide Zeitpläne. Jeder verlorene Tag kann in die Hunderttausenden gehen. Manchmal liegt es nur daran, dass die Schäkel, an denen die 20 000 PS starken Maschinenkolosse vom Frachter in das künftige Luxus-Kreuzfahrtschiff „Norwegian Juwel“ gehoben werden sollen, 15 mm zu klein sind.
Wo auf der Meyer Werft Ersatz herkommen soll, weiß in diesem Augenblick keiner so recht. Unruhe macht sich breit. Das Management wirkt eher gelassen. Die Motoren sind zwei Monate lang von der MAN-Zentrale in Augsburg nach Papenburg transportiert worden. Und dann soll alles an nicht passenden Verbindern scheitern?
Bereits das Schwesterschiff der Norwegian Jewel, die Norwegian Dawn, hat vergleichbar große Dieselmotoren, die für die notwendige Fahrtleistung und für buchbaren Überfluss auf See sorgen: Quer durch die Karibik in ansprechender Umgebung. Mit Pools, Tennisplätzen, Minigolfanlage, Restaurants und Bars bieten die schwimmenden Hotels ihren Passagieren Luxus pur.
Noch liegt der „Juwel“ jedoch reglos im Trockendock der Meyer Werft. Der Schiffskoloss mit einer Länge von fast 295 m und einer Breite von mehr als 30 m beansprucht nahezu die gesamte Halle. Der Schriftzug „Norwegian Juwel“ ist auf dem rostfarbenen Bug zwar schon zu lesen – vom Glanz eines Edelsteins kann bei diesem Kreuzfahrtschiff, das Mitte 2005 an die Norwegian Cruise Line ausgeliefert werden soll, gut ein Jahr vorher noch nicht die Rede sein. In der Mitte des halbfertigen Schiffsrumpfes gähnt ein riesiges Loch. Insgesamt fünf gigantische Dieselmotoren soll es nun aufzunehmen.
Die von MAN in Augsburg gelieferten Dieselmotoren sind mit ihren 165 t nicht nur imposante Schwergewichte. Mit den Maßen 5 m x 5 m x 11 m erzeugt schon jeder einzelne Motor 14 400 kW (19 600 PS). Zusammen schaffen die fünf es auf rund 72 000 kW, was rund 100 000 PS entspricht. „Das reicht, um eine Kleinstadt mit Energie zu versorgen“, erklärt Bernd Meyer, Geschäftsführender Gesellschafter der Meyer Werft, die bereits in sechster Generation Schiffe baut. Mit Stolz verweist Meyer darauf, dass die neuen Schiffsmotoren sogar umweltfreundlicher sind als so manches stationäre Kraftwerk einer Kommune.
Das beginnt schon beim Kraftstoffverbrauch. Da erweisen sich die gelb gestrichenen Giganten als genügsame Vertreter der Motorengattung: „Sie verbrennen die Schweröl-Rückstände der Ölraffinerien und leisten damit sogar einen Beitrag zum Umweltschutz“, betont Holger Gehring, Chefchemiker bei der MAN B&W Diesel AG in Augsburg. Nur rund 130 $ kostet derzeit in Europa eine Tonne Bunkeröl, wie das Schweröl in der Hafensprache genannt wird. Pro Liter entspricht das etwa 13 Cent. Sogar Rohöl ist teurer.
Zudem sind die Schiffsmotoren für die Norwegian Jewel mit der Invisible-Smoke-Technologie ausgerüstet, die das Abgas unsichtbar macht. Dazu wurde die Form der Verbrennungskammer der Motoren und das Verdichtungsverhältnis optimiert. „Die Motoren der Baureihe 48/60 B sind nicht nur leichter als ihre Vorgänger, sondern sie erreichen auch eine um etwa 14 % höhere Leistung“, erklärt MAN-Entwicklungschef Ralf Marquard. So genannte Pod-Antriebe (pod = Gehäuse) sorgen für ein besonders geräusch- und vibrationsarmes Fahrverhalten des Schiffes. Am vorderen Ende der Pods befinden sich die fünfflügeligen und besonders vibrationsarmen Schiffsschrauben. Sie lassen sich um 360 ° drehen und sorgen so für extrem gute Manövrierfähigkeit. Die wird jedoch vor allem beim Transport der Motorblöcke gebraucht.
Zwar ist das Verladen der Giganten auf die Zugmaschinen „schon fast Routine“, wie Bernd Hillmann, Versandleiter bei MAN erklärt, doch die Anspannung bleibt bei allen Beteiligten bis zuletzt. Immer kann auf dem Weg etwas schief gehen. Und sei es, dass – wie jetzt – Minuten vor dem Umladen die Schäkel nicht passen.
Im Juni waren fünf Gespanne mit je zwei Zugmaschinen gestartet, um die Motoren nach Papenburg zu bringen. Bereits die Ausfahrt aus dem engen MAN-Werktor in Augsburg forderte den Fahrern des 69 m langen Gespanns mit 140 Rädern ein gutes Augenmaß und vor allem Fahrkönnen ab. Ein Eisenbahntunnel der ICE-Strecke Hamburg-München war die nächste Hürde. Der Motor ist zu hoch. Ausgleich schaffte die abgesenkte, fahrbare Kesselbrücke, auf der der Schiffsdiesel vertäut war.
Zeitweise quält sich der Schwertransport nur im Schneckentempo vorwärts. Ob Ampeln oder Verkehrsschilder – alles, was im Weg ist, wird umgeklappt oder abmontiert. Die Bewohner der Stadt scheint das nicht zu stören. Im Gegenteil: „Die Augsburger sind mächtig stolz auf ihr Motorenwerk“, erklärt ein älterer Herr. Als ehemaliger Mitarbeiter kennt er sogar den Motortyp. Nach zwei Stunden ist die Stadtgrenze erreicht. Mit Tempo 25 geht es weiter bis nach Donaualtheim. Dort kann sich die fünfköpfige Crew der Schwergut-Spedition Voss um drei Uhr nachts erst einmal schlafen legen, bevor es am nächsten Tag über die schwäbische Alb geht.
Bevor der Hafen in Heilbronn erreicht wird, wo der Motor auf ein Binnenschiff umgeladen wird, müssen noch weitere Hindernisse überwunden werden. Die zwei Lastwagen schaffen eine 10 %ige Steigung nicht. Ein dritter Truck muss her. Jetzt ziehen und schieben 2100 PS den Schiffsmotor über den Berg. Schließlich hat der erste der fünf Schiffsdiesel seinen ersten Zwischenhafen erreicht: Heilbronn. Vorbei an der Loreley und dem Kölner Dom geht es dann über den Rhein stromabwärts Richtung Norden. Die letzten Kilometer der Reise über die Flüsse Leda und Ems verlaufen gemächlich. Pünktlich am 16. August treffen die „Schiffsherzen“ bei der Meyer Werft ein.
Die weißbunten Kühe auf dem Deich bedenken die vorbeifahrende, teure Fracht mit gelassenen Seitenblicken. Viel zu sehen gibt es für sie ja nicht. Die gelben Motoren verbergen ihre kräftigen Zylinder unter einer Plastikplane. Lediglich an der letzten Schleuse vor der Werft haben sich einige Schaulustige eingefunden. Sie kennen die Bedeutung der Meyer Werft. Sie wissen, dass von Meyer-Produkten die gesamte strukturschwache Region abhängt.
Das jedoch ficht Kranführer Willems und seine Mitarbeiter im Moment nicht an. „Wo finden wir passende Schäkel?“, lautet jetzt die Kardinalfrage. Die Antwort kommt mit einem roten Gabelstapler. Irgendwo in einer anderen Halle haben Willems Kollegen doch noch 15 mm stärkere und damit passende Verbinder aufgetrieben.
Bolzen werden nun zügig durch die Öffnungen gehämmert. Als der Kranführer die Seile seines „Kaiseradlers“ strafft, applaudieren die Anwesenden. Langsam hebt der mit 800 t Traglast größte Kran auf der Werft den ersten Motor aus dem Rumpf des Küstenmotorschiffs. 165 t Metall schweben der „Juwel“ entgegen. „Das Wichtigste im Schwerlastverkehr ist: Ruhe bewahren“, reflektiert MAN-Versandleiter Hillmann nach etwa einer Stunde Wartezeit. „… und bloß nicht hektisch nach dem Schweizer Messer greifen“, fügt er hinzu.D. WENDELN-MÜNCHOW

 

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