Die sanfte Revolution im Flugzeugbau
Auch in absehbarer Zukunft werden Flugzeuge von außen nicht grundsätzlich anders ausehen als heute. Aber unterm Lack bereitet sich eine kleine Revolution vor.
Als ich 1964 zum ersten Mal mit einer Caravelle von München nach Wien flog, hätte ich kaum ins falsche Flugzeug einsteigen können, so wenige waren damals unterwegs“, erinnert sich Volker von Tein. „Was heute vor allem anders ist als damals, ist das immense Wachstum.“
Seit den sechziger Jahren hat von Tein so gut wie alles gemanagt, was fliegen kann oder fliegen sollte. Von Hubschraubern über Jagdflugzeuge, dem einstigen europäischen Raumgleiter Hermes bis hin zum Airbus. Und schließlich war er die letzten vier Jahre im Vorstand des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt für die Luftfahrtforschung verantwortlich.
„Wenn man sich die Flugzeuge heute anschaut“, so von Tein im Rückblick, „ist man fast enttäuscht, wie wenig sich zumindest äußerlich geändert hat.“
Und das hat seinen Grund. „Eine Technologie ist reif, wenn es zu Standardlösungen kommt, also zu einer Konfiguration, die sich bewährt hat. Beim Flugzeug ist das der Rumpf mit zwei großen Flügeln, unter die man zwei oder vier Triebwerke hängt.“ Solche klassischen Konfiguration lassen sich einfach verlängern, verkürzen oder zu ganzen Flugzeugfamilien ausbauen, neue Triebwerke sind relativ leicht anzubringen.
Daran, vermutet von Tein, wird sich auch in absehbarer Zukunft kaum etwas ändern. Denn es gibt seiner Ansicht nach zwei Grenzen für das Wachstum ziviler Passagierflugzeuge: Größe und Geschwindigkeit.
„Ein Flugzeug, das noch größer ist als der A 380 mit seinen 500 bis 600 Passagieren, wird es kaum geben“, da die gegenwärtigen Flughäfen Spannweiten von über 80 m nicht zulassen und die Landebahnen beliebig schwere Flugzeuge nicht aushalten.
Die zweite Grenze ist die Schallmauer: Wenn man in deren Nähe fliegen will, oder sogar durch sie hindurch, erfordert das enorme finanzielle Investitionen. Der transsonische Bereich, das Fliegen nahe an der Schallmauer, „ist zudem der schwierigste Bereich, den es aerodynamisch gibt – das ist Physik, da kann man sich auf den Kopf stellen“, so von Tein.
Deshalb gibt er dem geplanten Sonic Cruiser von Boeing auch keine große Chance, zumal die enormen Investitionen die Tickets teuer machen werden. „Von dieser Art des Fliegens sind keine Wachstumsimpulse zu erwarten.“
Aber ob der Sonic Cruiser kommt oder nicht, eins ist für von Tein klar: „Bisher hat immer Airbus angegriffen, jetzt greift Boeing an.“
Der Wettbewerb zwischen Airbus und Boeing wird sich deshalb vor allem da abspielen, wo ihn der Fluggast kaum sieht. Denn selbst wenn sich das Äussere der Flugzeuge wenig ändern wird, so werden sie doch umweltfreundlicher, sparsamer und vor allem leiser: „Wenn man erreicht, dass der Lärm eines Flugzeugs nur noch auf dem Flughafen selbst zu hören ist, dann hätten die Flughäfen auch keine Probleme mehr, zu wachsen. Man könnte sie sogar problemlos nachts anfliegen.“
Probleme wie diese beschäftigen die Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). In den Labors des Braunschweiger DLR-Standorts wird nach Verfahren gesucht, wie sich Start und Landung auf Flughäfen leiser gestalten lassen, etwa durch eine steilere Anflugbahn, durch aktiven Gegenschall, der den Lärm überlagert und “schluckt“, aber auch durch optimierte Flügel, eine Verkleidung des Fahrwerks und leisere Triebwerke.
Und selbst wenn sie ihre traditionelle Form behalten, so wird sich doch unter dem Lack in Zukunft einiges tun. So entstehen in den Labors des DLR ganze Rümpfe aus Kohlefaserverbundwerkstoffen (CFK) für große Passagierflugzeuge. Sie sollen das Gewicht etwa eines Airbus 320 um 4 t bis 5 t und die Herstellungskosten bis zu 40 % unter die eines vergleichbaren Aluminiumrumpfes drücken. Gut 14 Mio. l Kerosin könnte solch ein leichteres Flugzeug in den gut 30 Jahren seines Betriebslebens sparen.
Ein anders im DLR untersuchtes Verfahren, den Treibstoffverbrauch zu reduzieren, ist die Laminarisierung. Dabei werden winzige Löcher in die Vorderkanten von Flügel und Leitwerk gebohrt und über diese Löcher Teile der anströmenden Luft abgesaugt. Damit lässt sich der Reibungswiderstand im Flug senken und bis zu 20 % des Treibstoffs sparen. Noch aber fehlt der Nachweis, dass diese Laminarisierung auch im Dauereinsatz praktikabel ist.
Sowohl die Laminarisierung wie der komplette Flugzeugrumpf aus CFK sind zwar noch Zukunftsmusik, aber alle Flugzeughersteller arbeiten daran. Doch solche Zukunftsprojekte können schnell Realität werden: „Je schneller der Kerosinpreis steigt, so von Tein, „umso schneller steigen auch die Chancen solcher Technologien. Schon heute sind gut 15 % eines Airbus aus CFK und der Sonic Cruiser, schätzen Fachleute, wird zu gut 40 % aus CFK bestehen.
Kombiniert mit leisen und sparsamen Triebwerken ist so auch in klassischen Flugzeugen noch ein Optimierungspotential von gut 40 % der Kosten pro Passagierkilometer möglich, schätzt von Tein. „Das wäre noch einmal ein Schritt wie von einer Boeing 707 zum Airbus 380.“
Doch nicht nur im Flugzeug selber wird sich vieles ändern: „Das goldene Dreieck von Informations-, Bio- und Nanotechnik wird die gesamte Luftfahrt revolutionieren.“
Aber es wird eine sanfte Revolution sein. Neue Materialien im Flugzeug, immer kleinere und intelligentere Hardware und mehr Informationstechnik an Bord und am Boden werden auch die Flugwege verkürzen, weil Flugzeuge nicht mehr hinter terrestrischen Funkfeuern herfliegen müssen, sondern sich ihre Wege in der Luft selbstständig suchen können. So wird der Luftraum besser genutzt, Warteschlangen am Boden und in der Luft reduziert. Vorstellbar, so von Tein, wäre es sogar, Flugzeuge in Formationen wie Zugvögel fliegen zu lassen. Das kann noch einmal bis zu 10% Kerosin sparen.
Auch die Sicherheit ist nicht erst seit dem 11. September bei den DLR-Wissenschaftlern ein Thema. Wenn in 20 Jahren doppelt so viele Flugzeuge in der Luft sind wie heute – wovon Airbus wie Boeing ausgehen – dann werden, bei gleich bleibender Unfallrate, doppelt so viel Flugzeuge abstürzen.
Soweit wollen Fluggesellschaften und Hersteller es nicht kommen lassen. Der Trend, so Frank Thielecke vom Institut für Flugsystemtechnik des DLR, geht überall dahin, den Piloten durch intelligente Elektronik von Routinearbeiten zu entlasten und zugleich das Flugzeug vor Übergriffen sicherer zu machen. Vorstellbar ist, „ein optimiertes Kollisionsvermeidungssystem, das bei dem Versuch, etwa eine Kollision mit einem Gebäude herbeizuführen, das Flugzeug automatisch übernehmen und fliegen oder sogar landen würde.“
Da aber steht die Wissenschaft noch ganz am Anfang. „Was geschieht“, so Thielecke, „wenn der Terrorist schon im Cockpit ist? Wie kann der Pilot unumkehrbar verhindern, dass der Terrorist die Kontrolle übernimmt?“ Denkbar, so Thielecke, wäre eine Notfallprozedur im Autopiloten. Aber all diese Fragen sind noch weit entfernt von einer schlüssigen Antwort.
Dass aber Flugzeuge in Zukunft vom Boden aus und ohne Piloten geflogen werden, hält von Tein für „völlig unwahrscheinlich. Da würde doch kein Mensch mehr einsteigen.“ Und das will niemand. „Denn wer sich heute von der Entwicklung des Luftverkehrs abkoppelt, hat keine Zukunft“. moc
Volker v. Tein
Prof. Dipl.-Ing. Volker von Tein ist noch bis Ende März im Vorstand des DLR für Luftfahrt und Energietechnik zuständig. Dann geht er in den Ruhestand. Von Tein trat 1963 bei MBB ein, und war dort an der Entwicklung von Hubschraubern und Kampfflugzeugen (Tornado, Jäger 90) beteiligt. 1993 wechselte er als geschäftsführender Generaldirektor zu Airbus Industrie. 1998 kam er zum DLR. Seit 1992 ist Prof. von Tein Honorarprofessor für Hubschraubertechnik an der TU München. moc
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