Automobilbau 04.08.2000, 17:26 Uhr

Deutsche Autos erleben Frühling in Thailand

DaimlerChrysler, BMW und Volkswagen bauen ihre Präsenz aggressiv aus.

Statt Sauerstoff atmet man in Bangkok Kohlenmonoxid“, lamentiert Bhichit Rattakul, Oberbürgermeister der pulsierenden 10-Mio.-Stadt. An „Höllenkreuzungen“, wie die Polizei notorisch-verstopfte Verkehrsknotenpunkte nennt, drängen sich die Autos Stoßstange an Stoßstange im tränentreibenden, blauschwarzen Abgasnebel.
Grün! In einer weißgrauen Wolke jagt der Wespenschwarm knatternder Motorräder zum nächsten Rotlicht, gefolgt vom laut hupenden Pulk der Motorfahrzeuge. Nach dem Motto „je lauter desto besser“werden Auspuffe oft angebohrt, bis lahme Pickups wie Ferraris röhren.
Seit den boomenden 90er Jahren sanken die Neuzulassungen zwar auf heute täglich 460 Fahrzeuge, dennoch droht Bangkok der Verkehrsinfarkt. Im Vergleich zu einer europäischen Millionen-Stadt, in der mindestens 20 % der Fläche Straßen sind, verfügt Bangkok lediglich über 8 %. Blei-, CO- und Staubgehalte überschreiten die Maximalwerte der Weltgesundheitsorganisation oft um ein Vielfaches.
Bhichit Rattakul hat es satt. In einer Ergänzung zur städtischen Verkehrsordnung setzte er Verkehrsbeschränkungen für Fahrzeuge ohne Beifahrer durch. Sie dürfen seit vergangenem Jahr bestimmte Hauptverkehrsstraßen nicht mehr benutzen. Die Folge: Der Staubgehalt der Luft auf diesen Verkehrsadern reduzierte sich um 20 % bis 60 %. „Als Träger von Bakterien und Viren ist Staub der gefährlichste Verschmutzer“, warnt Debhanom Muangman, Lungenarzt der Mahidol Hochschule. Heute leiden seiner Schätzung nach über eine Million Bangkoker an Allergien oder Atemweg- und Lungenkrankheiten.
„Derzeit ist unsere Luft verschmutzter als in Mexiko City“, rügt der grüne Oberbürgermeister, „da sich kaum jemand um den Dreck schert.“ Wütend lehnt sich der Asthmatiker aus dem Fondfenster seines Toyota-Geländewagens und droht dem vorfahrenden Trucker mit einer Anzeige. Die Massen an Lkw emittieren viel Ruß, der sich in Thailands feuchtheißem Klima besonders während der Regenzeit zur stickigen Smog-Glocke ballt. Daher tragen Verkehrspolizisten oft einen Atemschutz oder tanken ab und zu aus ihrer Sauerstoffflasche frische Luft.
Seit Rattakuls Amtsantritt vor vier Jahren sind in Bangkok Abgaskontrollen und Bußgelder an der Tagesordnung. Zudem stellen nun die städtischen Verkehrsbetriebe Bangkok Mass Transit Authority (BMTA) endlich ihre alten Stadtbusse von Diesel- auf Naturgasbetrieb um. Vorübergehend verbesserte sich die Luftqualität der Innenstadt in den letzten zwei Jahren merklich, da viele Industriebetriebe eingingen oder ihre Produktion drastisch senkten. Hunderttausende wurden entlassen oder mussten Gehaltskürzungen hinnehmen. Sei Beginn des Jahres ist nun alles wieder anders: Die Konjunktur zieht an.
„Heute ist Bangkoks Luftverschmutzung fast wieder so schlimm wie vor der Krise“, wettert Kwansuang Atibodhi, Dozent der Chulalongkorn Hochschule, „da die Thais kaum aus ihren Fehlern lernen!“ Trotz katastrophaler Luftverschmutzung ist das eigene Auto, zumindest ein Pick-up, nach wie vor der Traum eines jeden Thailänders, weshalb seit kurzem die Autoverkäufe wieder sprunghaft anziehen.
Neuerdings aber entdecken auch in Bangkok die Autohersteller den Umweltschutz. „Dieses Jahr sind über 60 % unserer Pkw-Verkäufe mit einem neuen Antrieb von Honda ausgerüstet“, betont Satoshi Toshida, Präsident von Asian Honda, „er stößt 80 % weniger Schadstoffe aus als konventionelle Motoren.“ Wie Honda entwickelt heute jeder Autokonzern möglichst „saubere“, also emissionsarme oder -freie Autos. Der Export schadstoffarmer Fahrzeuge nach Thailand aber ist wegen der hohen Einfuhrzölle schwierig. So kann Toyota sein neues Hybrid-Fahrzeug, das mit einem effizienten Erdgas- und Elektromotor ausgerüstet ist, momentan nicht nach Bangkok exportieren.
Trotz Einbußen kratzte Asiens Krise nicht an Thailands Nimbus, das südostasiatische Detroit zu sein. Überdies werden die sechs ASEAN-Staaten (Brunei, Indonesien, Malaysia, Philippinen, Singapur und Thailand) in ihrer südostasiatischen Freihandelszone AFTA für die Automobilindustrie sämtliche Zolltarife im Jahr 2005 auf 0 % bis 5 % senken. Daher erhöhen nun alle Autobauer ihre Präsenz in Thailand, das weit und breit die liberalste Wirtschaftspolitik hat.
So fasst nun die Volkswagen Gruppe mit einer Joint Venture in Thailand Fuß. Letztes Jahr modernisierten die Wolfsburger für über 10 Mio. DM das Werk ihres Partners Yontrakit. Mit modernsten Laserschweißanlagen sollen in diesem Jahr 2000 Passat und Audi A6 gefertigt werden. „Diese Zahl wird mittelfristig bestimmt verfünffacht“, ist Robert Büchelhofer, Vorstandsmitglied der VW-Gruppe, überzeugt. Neu ist im Königreich auch der US-Riese General Motors. Aus seinem über 1,3 Mrd. DM teuren Werk etwas außerhalb von Bangkok rollte nach endlosen Verzögerungen Anfang Mai das erste 1.8-l-Zafira-Mehrzweckfahrzeug. Für die modulare Montagetechnik und die Umweltverträglichkeit der Produktionsstätte stand das Opelwerk in Eisenach Pate, wobei aber die Automatisierung der Montage-straße dank niedriger Lohnkosten auf 5 % und im Karosseriebau 15 % gesenkt werden konnte. In diesem Jahr will GM rund 8000 Opel Zafira produzieren, die von Bangkok aus in alle Welt gehen werden. Das benachbarte Joint Venture des Erzrivalen Ford mauserte sich bereits 18 Monate nach Eröffnung zum Exportschwergewicht. „Im Mai wurden wir erstmals Thailands Exportleader“, freut sich Chatchai Bunnag, Präsident der Ford Operation Thailand.
Auch in der Oberliga geht es rund. Hier hat BMW letztes Jahr den bisherigen Primus Mercedes-Benz abgelöst. Ende 1998 übernahmen beide den lokalen Vertrieb von ihren langjährigen Generalvertretern und bauten inzwischen ihre eigene Organisation auf. DaimlerChrysler lässt seine Fahrzeuge weiterhin im hochmodernen Montagewerk seines Partners Thonburi Phanich montieren. „Nach anfänglichen Importen aus Deutschland wird die C- und S-Klasse ab Januar bei Thonburi Phanich produziert“, so Karl-Heinz Heckhausen, Präsident von DaimlerChrysler Thailand. 2003 will DaimlerChrysler in Thailand 5000 Mercedes-Benz-Pkw absetzen, das entspricht immerhin der Hälfte ihrer Verkäufe in den Boomzeiten Mitte der 90er Jahre.
BMW hingegen baute 160 km östlich von Bangkok für rund 55 Mio. DM sein erstes eigenes Montagewerk in Asien. Zur Eröffnung der modernen Produktionsstätte Mitte Mai kam sogar Thailands Ministerpräsident Chuan Leekpai, da der Regierung ausländische Investitionen sehr wichtig sind. Allerdings will BMW bis Ende des Jahres nur 2000 BMW der 3er-Serie für den Inlandsmarkt bauen. „Exportiert wird erst, wenn die Freihandelszone AFTA verwirklicht ist“, so Ralph-Rainer Ohlsen, Präsident der BMW Manufacturing Thailand.
Nicht nur die deutsche Automobilindustrie, sondern auch alle anderen Branchen warten auf das Jahr 2005: Dann fallen die Zollschranken im ASEAN-Raum endgültig. Bis dahin sollen auch Bangkoks Nahverkehrssysteme fertig sein, was Thailand für ausländische Investoren interessanter machen und die Lebensqualität in Bangkok erhöhen wird. „Dann werden viele Autofahrer auf öffentliche Nahverkehrsmittel umsteigen“, hofft Bürgermeister Bhichit Rattakul, und mit den haarsträubenden Mega-Staus wird endlich Schluss sein. URS MÜLLER

 

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