Schiffbau 11.10.2002, 18:22 Uhr

Den Werften gehen die Aufträge aus

die Werftenkrisen. Jetzt geht es wieder einmal bergab und es sieht nicht so aus, als werde sich daran langfristig etwas ändern.

Blau ist ihre ganz spezielle Farbe der Hoffnung. Auf blaue Buttons hatten sie ihren Slogan gedruckt: „Schiffbau erhalten – Flender Lübeck“. Anstecker und Aufkleber wurden von Mitarbeitern und Angehörigen der Flender Werft vor einigen Wochen in der Stadt verteilt, in der Kirche und im SPD-Ortsverein. Überall sollte das Flender-Blau zu sehen sein. Denn Flender mit seinen 800 Mitarbeitern ist die letzte Werft in der Stadt – und seit Juni insolvent. Seitdem kämpfen die Mitarbeiter um das Überleben der Werft.
„Das wurde alles vom Vorstand verbockt“, schimpft Andreas Brinkmann, 46 Jahre alt und Betriebsrat. Die Manager seien schuld daran, dass aus dem Auftrag zum Bau zweier Schnellfähren für die griechische Reederei Superfast ein finanzielles Debakel wurde, das schließlich in den Bankrott führte. Die Konstruktion war schwieriger als erwartet, statt im Januar wurde das erste Schiff erst im Juli ausgeliefert, der Reeder verlangte saftige Bußgelder – und schließlich ging die Werft in Konkurs.
Zwei von drei Vorstandsmitgliedern sind mittlerweile ihren Job los. So richtig tröstet Brinkmann das nicht. „Klar, es ist gut, wenn wir sehen, dass die Leute da oben auch was abgekriegt haben.“ Aber was hilft es – jetzt hat Insolvenzverwalter Walter Peters das Sagen.
Am 250 m langen Dock der Werft liegt noch immer die Norröna, eine Fähre für die isländische Smyril Line. Das weiße Schiff hat Platz für knapp 1500 Passagiere. Von außen sieht es fast fertig aus, aber der Innenausbau dauert noch bis März.
Die Norröna ist das bislang letzte Schiff, das bei Flender vom Stapel lief. Das erste war 1920 der Küstendampfer Orontes – seitdem wurden insgesamt gut 550 Schiffe hier gebaut.
Auch wenn Kräne und Docks seit 1920 modernisiert wurden, sieht man der Flender-Werft ihr Alter doch an. Schon die Anordnung der einzelnen Arbeitsbereiche auf dem engen, übervollen Gelände lässt kaum auf eine mit modernen Werften vergleichbare Produktivität schließen.
Und bei Flender gibt es keine gigantischen, modernen Hallen, in denen Schiffe geschützt vor Wind und Wetter zusammengeschweißt werden – so wie etwa bei der Meyer Werft in Papenburg oder auf den großen Werften Mecklenburg-Vorpommerns, die nach der Wende mit Milliardenaufwand saniert wurden.
Wie in den Montanregionen in Nordrhein- Westfalen finden auch in den Werften an der Küste oft mehrere Generationen und mehrere Mitglieder einer Familie gleichzeitig Beschäftigung. Bei Betriebsrat Brinkmann sind es die Brüder seiner Frau, die wie er bei Flender arbeiten. Wenn das Unternehmen am Ufer der Trave dichtmacht, ist die ganze Familie arbeitslos.
Mit ihren blauen Buttons und Transparenten sind Brinkmann und seine Kollegen deshalb zum Holstentor gezogen, dem Lübecker Wahrzeichen, und haben für den Erhalt der Werft demonstriert. Der Bürgermeister hat sie zum Gespräch ins Rathaus geladen, viel gebracht hat es nicht: „Sagen wir mal so, im Betrieb hätten wir die Zeit sinnvoller verbracht.“
Denn den Arbeitern läuft die Zeit davon. „Der Insolvenzverwalter muss sich langsam mal äußern, wie es weitergeht.“
Der hätte es sicher einfacher, ginge es bei Flender nur um zwei verlustbringende Fähren. Doch Walter Peters muss bei Flender mit einem Problem fertig werden, das die Werft mit fast allen deutschen Herstellern von Handelsschiffen teilt: Es gibt keine neuen Aufträge.
Die Abschwächung des Welthandels nach den Terroranschlägen in den USA, Überkapazitäten in der Schifffahrt durch zu viele neue Schiffe und die Billig-Preise der asiatischen Werften sind die Gründe.
Noch vor wenigen Wochen traf sich die Branche zur weltgrößten Schiffbau-Messe in Hamburg und verbreitete Optimismus. Doch während die Werftenchefs bei einem Gläschen Sekt mit computeranimierten Modellen das High-Tech-Image ihrer Unternehmen pflegten, ging die nächste deutsche Werft pleite – die SSW Fähr- und Spezialschiffbau in Bremerhaven.
Das Unternehmen hatte sich an einem Auftrag für sechs Containerschiffe verhoben. Ein Grund: Aus Rumänien zugelieferte Rümpfe waren schlecht und erforderten zu viel Nacharbeit. Das Finanz-Konzept platzte.
Doch Werner Schöttelndreyer, Hauptgeschäftsführer des Verbandes Schiffbau und Meerestechnik, hält die Fahne hoch: „Die Stimmung auf der Messe war gut.“ Auch die jüngsten Pleiten sind für ihn nur Einzelfälle. Flender habe vom Land Schleswig-Holstein nicht genug finanzielle Unterstützung bekommen, in SSW sei seit zehn Jahren nichts mehr investiert worden.
Zugegeben, so Schöttelndreyer, im Moment sehe es nicht rosig aus, „aber schon in einem Jahr kann sich das ändern.“
Claus-Peter Offen sieht das anders. Der Hamburger Reeder ist gleichzeitig Gesellschafter bei Flender. Früher hat er auf der Werft selbst Schiffe in Auftrag gegeben, doch damit ist es vorbei. „Es kommt der Zeitpunkt, an dem man einfach realistisch sein muss.“ Ein Schiff mit Platz für 4000 Container, das er auf dem Weltmarkt für 40 Mio. Dollar bekommt, kostet in Deutschland mindestens 55 Mio. Dollar, rechnet Offen vor.
Deshalb kommen Offens Schiffe heute aus Süd-Korea. Den Flender-Betriebsrat hat er jetzt dorthin eingeladen, um ihm Werften zu zeigen, die so groß sind wie Kleinstädte. Dort laufen wie am Fließband bis zu 60 Schiffe im Jahr vom Stapel.
Den Deutschen bliebt da nur eins, so Offen: „Sie müssen sich ihre Nischen suchen.“
Deshalb scheint Flender-Insolvenzverwalter Walter Peters sich auch eher nach neuen Nischen umzusehen: Er plant den Bau von Windkraftanlagen auf dem Gelände der Werft.
Nur noch bis Ende Oktober gibt es bei Flender Arbeit für alle. Danach verlieren wohl zuerst die Ingenieure in den Konstruktionsbüros ihre Arbeit, als nächstes trifft es die Schweißer, die in den Hallen einzelne Teile vorfertigen. Die Rohrschlosser in der Ausrüstung arbeiten noch bis März an der Fähre Norröna.
Vielleicht helfen die 6 % Subvention, gemessen am Auftragswert, mit denen ab 23. Oktober Bund und Länder die Werften wieder finanziell unterstützen dürfen. Nachdem alle Verhandlungen mit Süd-Korea über dessen angebliche Dumpingpreise ohne Resultat blieben, hat die Europäische Union grünes Licht für die neuen Werftenhilfen gegeben.
Doch das allein wird kaum reichen. Besonders hart treffen wird es kleine und mittlere Werften, die sich nicht spezialisiert haben. Außerdem wird der Trend zu immer engeren Zusammenschlüssen anhalten – das hat in Mecklenburg-Vorpommern schon angefangen, wo Aker MTW und Kvaerner Warnow zusammenarbeiten, nachdem sich auch die Mutter-Konzerne zusammengeschlossen haben.
Ein ähnlicher Trend zeichnet sich, getrieben vom U-Boot-Bau, bei dem Werftenverbund HDW – Nordseewerke – Blohm+Voss ab. Doch Platz für alle wird es in Zukunft nicht geben in Deutschland. „Von einem Dutzend großer Schiffbauer ist in ein paar Jahren höchstens noch die Hälfte da“, prophezeit auch Reeder Offen.
KARTRIN BERKENHOFF

Fakten zum deutschen Schiffbau
Die Perspektiven verschlechtern sich
In Deutschland gibt es zurzeit noch rund 35 Werften, die Seeschiffe bauen. Ein Dutzend davon hat mehr als 500 Beschäftigte. Die beiden größten Schiffbauer sind die Howaldtswerke-Deutsche Werft in Kiel mit mehr als 3400 Mitarbeitern, die vor allem U-Boote produziert, und die Meyer Werft in Papenburg mit 2600 Mitarbeitern, die sich auf Kreuzfahrtschiffe spezialisiert hat.
Im vergangenen Jahr lieferten die Werften 53 Handelsschiffe im Wert von 3 Mrd. ‰ ab. In diesem Jahr wird eine Produktion in gleicher Höhe erwartet. Spätestens 2003 tut sich für die Schiffbauer eine Beschäftigungslücke auf. Denn der Auftragsbestand sank durch weniger Bestellungen und viele Stornierungen von 10,6 Mrd. ‰ Ende 2000 auf 7,8 Mrd.‰ Ende 2001. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres sind nach Angaben des Verbandes Schiffbau und Meerestechnik erst Aufträge in Höhe von 5 % der jährlichen Produktion eingegangen. Die Wiedereinführung von Schiffbau-Subventionen durch die EU könnte bis Jahresende noch einige Bestellungen bringen. kb

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