Das Fahrrad der Zukunft hat drei Motoren
Dynamo, Solarzellen und ein Akku, der die Bremsenergie aufnimmt, sorgen über Motoren beim Hightech-Fahrrad aus Darmstadt für zusätzlichen Schub. Der „Läufer“ vereinigt modernste Technik, transportiert zwei Personen und erreicht durch einen zuschaltbaren Elektroantrieb Tempo 40.
Das Fahrrad der Zukunft ist 3,5 m lang, überdacht, hat zwei Sitze, wiegt um die 40 kg und erlaubt selbst untrainierten Büromenschen ohne größere Anstrengung Spitzengeschwindigkeiten von 40 km/h. Es besticht durch ein futuristisches Design und vereint 150 maßgefertigte technische Einzelteile, die gut, aber auch teuer sind. Kein Wunder, dass der „Läufer“ trotz seines Namens zunächst so teuer wie ein Kleinwagen sein wird.
Mittwoch, 16 Uhr, Teamsitzung im Keller der TU Darmstadt, wo das Fachgebiet Maschinenelemente und Konstruktionslehre seine Visionen vom Fahrrad der Zukunft umsetzt. „Eine Vision, von der wir überzeugt sind, dass sie funktioniert“, so Projekt-Sprecher Christian Hessling nach nunmehr dreijähriger Entwicklungsarbeit. Seine Einstellung teilen nicht nur die Mitstreiter, sondern auch die Professoren und zwei Dutzend namhafte Sponsor-Firmen, die die angehenden Ingenieure und die Studenten der Fachhochschule für Design tatkräftig unterstützen.
Seit 1998 bastelt die Gruppe in jeder freien Minute am Prototyp des Läufers, der seinem Namen alle Ehre machen soll. Dabei geht es längst nicht nur um Technik, denn die soll sich nach Ansicht von Michael Gräff dem Menschen völlig unterordnen. Wer den Läufer fahre, unterstreiche optisch sein Bedürfnis nach Geltung und bringe sein ökologisches und ökonomisches Bewusstsein zum Ausdruck, er beweise Sinn für Ästhetik und dokumentiere, dass Reisen per Pedale auch Entspannung, Lebensfreude und Genuss bedeutet. Für die Studenten hat deshalb die Verbindung von Technik-Innovation und außergewöhnlichem Design oberste Priorität. Designer bemühten sich um ein sportliches und schnittiges Outfit und reduzierten technische Details auf einfachste Formen, die die Funktionalität des Läufers unterstreichen.
So wurden bei dem Tandem die herkömmlichen Pedale durch Tretringe ersetzt. Über sie läuft statt der üblichen öligen Kette ein strapazierfähiger 5,5 m langer Kunststoffriemen, der eine Lebensdauer von 10 000 Stunden haben soll. Statt direkt auf das Hinterrad einzuwirken, läuft der Riemen über einen Hightech-Antrieb, der es in sich hat.
Ein Planetengetriebe bündelt die menschliche Leistung mit der dreier Motoren. Die elektrische Energie fließt aus einem Akku, der auf drei unterschiedlichen Wegen aufgeladen wird. Da ist zum einen eine moderne Version des klassischen Dynamos, der auf Gefällestrecken zugeschaltet den Akku speist. Zum zweiten ist das Dach mit Solarzellen bestückt. Und schließlich gibt es einen Generator, der die Bewegungsenergie in elektrische Energie umwandelt.
Die gespeicherte Energie gibt der Akku an Steigungen an die Motoren ab, die sich unmerklich zuschalten. So lässt sich eine gewählte Reisegeschwindigkeit jederzeit halten. Die stufenlose Steuerung des komplexen Antriebs übernimmt ein leistungsfähiger Mikrochip. Um das mächtige Gefährt abzubremsen, sind Scheibenbremsen nötig.
Der Läufer ist komplett am PC entstanden. Der Rahmen besteht aus leichtem Kohlefaserstoff. Im Windkanal erreicht er einen cW-Wert von 0,6. Zum Vergleich: Ein Fahrrad kommt gerade mal auf 1,1, ein Auto liegt bei 0,3. Zusätzliches Feature: Ein Palmtop für Wegbeschreibung, Eingabe und Kontrolle von Geschwindigkeitswerten. Über eine Schnittstelle kann sogar ein Puls- oder Blutdruckmessgerät angekoppelt werden.
Ein arabischer Öl-Boss bot für den Läufer 50 000 DM und ein Schweizer Unternehmen wollte gleich 80 Stück für ein Modellprojekt. Doch erst Ende November soll der endgültige Prototyp fertig sein. Dann fehlt nur noch ein Sponsor für die Produktion einer Nullserie. WOLFGANG KAPPLER
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