Crash mit Schafen lässt ICE entgleisen
VDI nachrichten, Düsseldorf, 2. 5. 08, wop – Schafe lassen 200 km/h schnellen Hochgeschwindigkeitszug entgleisen. Ein Herde verursachte am 26. April kurz nach 21 Uhr das Unglück im Landrückentunnel bei Fulda. Im ICE 885 von Hamburg nach München waren 19 Reisende verletzt worden, vier von ihnen mit Knochenbrüchen und Platzwunden mittelschwer. Technische Einrichtungen, um ein solches Ereignis zu verhindern, sind auf den Bahnstrecken in Deutschland nicht vorhanden.
Bei dem Unfall im Landrückentunnel (Länge: 10 779 m) bei Fulda entgleiste am 26. April nach 21 Uhr der ICE 885, nachdem er mit 200 km/h in eine Schafherde gefahren war. Beide Triebköpfe und zehn der zwölf Wagen sprangen aus den Schienen 19 Fahrgäste erlitten Verletzungen. Der Zug war auf der Fahrt von Hamburg nach München. „Dass ein Tier überfahren wird, passiert jeden Tag die ,geballte Masse“ einer ganzen Herde kann aber durchaus einen Zug aus dem Gleis heben“, erklärte Reza Ahmari, Sprecher der Bundespolizeidirektion Koblenz. Daraus ergeben sich neue Fragen zur Sicherheit des Hochgeschwindigkeitsverkehrs in Deutschland.
Tunnel galten bisher als die sichersten Abschnitte der Strecke, weil dort Witterungseinflüsse keine Rolle spielen und äußere Einwirkungen aus der Umgebung, etwa durch kreuzende andere Verkehrswege, nicht zu befürchten schienen. Lediglich die Brandgefahr wurde, vor allem nach Intervention der Feuerwehren, als beträchtlich anerkannt, so dass technische Vorkehrungen getroffen wurden, um im Brandfall den Zug auch nach Betätigung der Notbremse bis ins Freie weiterfahren zu lassen.
Die üblichen Sicherungseinrichtungen wie Linienzugbeeinflussung (LZB), Induktive Zugbeeinflussung (Indusi) und Sicherheitsfahrschaltung (Sifa) verhindern lediglich die Annäherung an andere Züge, allenfalls Entgleisungen durch zu hohe Geschwindigkeit.
Eine Schafherde in einem Eisenbahntunnel gehörte bisher nicht zum Szenario der Sicherheitsphilosophie. Womöglich werden nun an den Tunneleingängen zusätzliche Vorkehrungen getroffen: „So etwas darf nie wieder passieren, und dafür werden wir sorgen“, erklärte Bahn-Chef Hartmut Mehdorn. Er kündigte weitere Untersuchungen an, jeder Tunnel werde überprüft. Ob Bewegungsmelder hilfreich sein könnten oder nur umfangreichere Zugangshindernisse, muss sich erst noch zeigen.
Augenscheinlich ist jedoch auf der offenen Strecke die Gefahr erheblich größer. Weidevieh, aber auch Wild gelangt immer wieder einmal auf die Gleise. Viel wahrscheinlicher als Schafe im Tunnel könnte ein Zug in Wald und Flur auf eine Rotte Wildschweine oder ein Rudel Hirsche treffen.
Deshalb stellt sich erneut die Frage, ob die mit hoher Geschwindigkeit befahrenen Strecken nicht, wie in anderen Ländern, eingezäunt sein sollten. Das Thema ist indessen so alt wie die Eisenbahn in Deutschland: Schon auf der ersten Strecke zwischen Nürnberg und Fürth ereignete sich 1840 ein Unfall, bei dem ein Bauer ums Leben kam, nachdem seine Pferde vor der Dampflokomotive gescheut hatten. Daraufhin mussten Straßen gegen die Bahn mit Hecken abgeschirmt werden.
Seit Jahrzehnten ist jedoch gängige Rechtspraxis, dass die Gleise zum Schutz vor Weidevieh nicht eingezäunt zu werden brauchen. Die sichere Umzäunung der Weide ist Sache des Landwirts. Deshalb sah das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) als Aufsichtsbehörde bisher nur in besonderen Fällen, etwa an Schulen und Kindergärten, die Möglichkeit für entsprechende Auflagen.
Dass Zäune keineswegs jedes Unheil bannen würden, sondern im Gegenteil andere Gefahren heraufbeschwören, veranlasst das EBA ebenfalls zur Zurückhaltung: „Einfriedungen können auch sehr nachteilige Wirkung entfalten“, erläuterte Pressesprecherin Bettina Baader gegenüber den VDI nachrichten. Reisende aus einem liegengebliebenen Zug könnten sich weder selbst in Sicherheit bringen, noch könnten sie geborgen werden, bevor Rettungskräfte die Einzäunung beseitigt haben. Und Wildtiere, die auf irgendeine Weise doch auf die Gleise gekommen sind, könnten nicht mehr weglaufen, womit die Gefahr noch vergrößert würde. R. R. ROSSBERG/WOP
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