Benzinmotor hat global die Nase vorn
VDI nachrichten, München, 27. 10. 06, wop – Benzin bleibt bis 2020 weltweit der dominierende Kraftstoff, so eine aktuelle McKinsey-Studie. Der Anteil von Fahrzeugen mit Diesel-, Erdgas- und Hybridantrieb nehme aber zu. Irritierend ist das prognostizierte Quantum der Diesel-Pkw bei Neuzulassungen in den USA von max. 10 % beim schlechtesten Szenario. In einer aktuellen Studie sieht J. D. Power den Dieselanteil an den Fahrzeugneuzulassungen in Nordamerika 2015 schon bei über 15 %.
Autokäufer sind für logische Argumente und Vernunftentscheidungen nicht sonderlich empfänglich – scheint es. Beispiel USA: die langen, gleichmäßigen Fahrzyklen dort schreien förmlich nach Dieselantrieben. Es gibt auch genug Dieselkraftstoff. Doch viele Käufer wollen vom sparsamen Diesel bisher nichts wissen. Wie eine aktuelle Studie der Unternehmensberatung McKinsey zeigt, wird sich daran in den nächsten zwei Autogenerationen auch wenig ändern.
Interviews mit weltweit 300 Branchenexperten und mehr als 10 000 Endkunden brachten dem Beraterteam um Studienleiter Dr. Philipp Radtke unter anderem die Erkenntnis, dass US-Kunden weiterhin auf den Ottomotor setzen werden. Auch der Hybrid-Boom dort wird bis 2020 anhalten.
Die Pkw mit den zwei Herzen werden deutlich mehr Marktanteil erringen als Diesel-Pkw, so die McKinsey-Studie. Logisch ist das nicht: Denn weder bei den üblichen Fahrzyklen in US-Städten noch bei Überlandfahrten verspricht Hybridisierung große Verbrauchsvorteile – doch genau damit argumentieren die befragten Amerikaner in der Studie. Anders die aktuelle J.-D.-Power-Studie „Global Outlook For Diesel“, die den Dieselautos große Chancen voraussagt und für sie in Nordamerika bis 2015 ein Dieselanteil an den Fahrzeugneuzulassungen von über 15 % prognostiziert.
Unter dem Titel „Drive – The Future of Automotive Power“ entwickelt die Studie von McKinsey je drei Szenarien für die vier wichtigsten Automärkte der Welt – USA, Europa, Japan und China. „Drei Szenarien, weil die ökonomischen und politischen Randbedingungen bis 2020 unvorhersehbar sind, aber natürlich großen Anteil daran haben werden, auf welche Antriebe die Autokäufer setzen“, erklärt Radtke.
Es sei in der Studie auch weniger darum gegangen, den haargenauen Anteil der jeweiligen Antriebe zu ermitteln, sondern vielmehr aufzuzeigen, wie stark veränderte Rahmenbedingungen auf die Märkte wirken, so der Studienleiter. Die Autoindustrie tue gut daran, diese Unsicherheiten in ihre Managemententscheidungen einzubeziehen und ihren Planungen verschiedenste Szenarien zu Grunde zu legen.
Am Beispiel der USA wird klar, welche Spannen der Markt aufweist. Blieben die steuerlichen und umweltpolitischen Rahmenbedingungen auf heutigem Niveau und sinke der Ölpreis auf 30 $ je Barrel (1 bbl = 158,99 l), so rechnet McKinsey damit, dass 2020 dort von 22 Mio. verkauften Autos 19,8 Mio. mit Ottomotor fahren werden. Daneben nähmen sich 1,32 Mio. Wagen mit Hybridantrieb (6 %) und 0,88 Mio. mit Dieselmotor (4 %) gering aus.
Ein Ölpreis um 50 $/bbl und anziehende Umweltstandards verändern die Prognose deutlich: Pkw mit Benzinmotor hätten dann statt 90 % nur noch einen Anteil von 80 % (17,6 Mio. Stück). Dafür würden aber doppelt so viele Fahrzeuge mit Hybridantrieb (2,64 Mio. Pkw) und Dieselaggregat (1,76 Mio. Pkw) verkauft.
Noch krasser ändert sich der Markt, wenn sich der Ölpreis 2020 auf einem Niveau von 100 $/bbl bewegen würde, die Emissionsstandards sich nahe Messgrenze bewegen und die Gesetzgeber den CO2-Ausstoß deckelten. Dann müssten sich Automanager im US-Markt darauf einstellen, dass sie nur noch 13,2 Mio. Pkw von insgesamt 22 Mio. Einheiten mit Ottomotoren verkaufen können, von den übrigen 40 % Pkw des Marktes hätten 6,6 Mio. einen Hybrid- (30 %) und 2,2 Mio. (10 %) einen Dieselantrieb.
Während die Berater von McKinsey Antriebsalternativen in den USA und auch in Japan (wo Benzin/Elektro-Mischantriebe je nach Szenario 25 % bis 37 % Marktanteil erringen sollen) bis 2020 kaum Gewicht beimessen, stellt sich der europäischer Markt in Europa variabler und damit auch komplexer dar.
Im Szenario mit 100 $/bbl-Ölpreis und strengen Umwelt- und Steuergesetzen gewinnen in Europa fünf Antriebsarten nennenswerte Marktanteile – die für Hersteller und Zulieferer eine gewaltige Herausforderung verbunden mit enormen Investitionen in Forschung, Entwicklung und Produktion wäre.
Der Marktanteil von Diesel-Pkw läge 2020 in Europa bei einem Ölpreis von 100 $/bbl mit einem Anteil von 42 % in der Gunst der Käufer klar vor den Ottomotor betriebenen Autos mit 35 %. Die Berater von McKinsey rechnen zudem mit bis zu 9 % Marktanteil von Erdgas-Pkw und je 7 % von Benzin- und Dieselhybriden. Bei prognostizierten 21,5 Mio. verkauften Pkw also je 1,5 Mio. Benzin- und Dieselhybride und nahezu 2 Mio. Erdgasfahrzeuge. In den zwei anderen Szenarien spielen Hybride und Erdgasfahrzeuge dagegen Nebenrollen: Dann würden laut McKinsey nur je 215 000 Erdgas- und Dieselhybrid-Pkw abgesetzt. Den Verkauf der Benzinhybride sehen die Berater dann zwischen 430 000 und 860 000 Exemplaren.
„Bis 2020 kommen nur noch zwei bis drei Autogenerationen auf den Markt“, betont Radtke. In dieser kurzen Zeitspanne müssten sich Manager auf extrem unterschiedliche Entwicklungen einstellen. Um trotz aller Unsicherheiten schnell auf veränderte Kundenbedürfnisse eingehen zu können und Trümpfe in der Tasche zu behalten, müssten Autohersteller bei der Entwicklung von Antrieben sehr viel stärker als bisher kooperieren.
Die Studie kommt nach ausführlicher Analyse der technologischen und ökonomischen Potenziale der fünf bis 2020 relevanten Antriebe noch zu einem weiteren, für die Debatte um eine CO2-Besteuerung wichtigen Schluss: „Wenn die Effizienz der Antriebe global nicht um mindestens 30 % zunimmt, werden die aktuell diskutierten Klimaschutzziele nicht zu erreichen sein.“ In Europa nennt McKinsey 120 g CO2/km bis 2020 realistisch. Diesen Wert strebt die Vereinigung Europäischer Autohersteller (ACEA) schon acht Jahre früher an. Daran wird sie laut Studie ebenso scheitern, wie an ihrer Selbstverpflichtung, den mittleren Flottenausstoß bis 2008 auf 140 g CO2/km zu senken, in dem Jahr werde sie ein Level von 153 g CO2/km erreichen. P. TRECHOW/WOP
Tagung zum Thema: Innovative Fahrzeugantriebe – Modulkomponenten im Wettbewerb. Veranstaltet vom VDI-Wissensforum am 9./10. November in Dresden. Info: www.vdi.de/fahrzeugantriebe
J. D. Power rechnet in den USA mit über 15 % Diesel-Pkw
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