Behagliches Klima im Auto senkt das Unfallrisiko beträchtlich
Hohe Temperaturen im Pkw wirken sich auf das Verhalten des Fahrers deutlich stärker aus als bisher angenommen. Nach Untersuchungen der Gesamthochschule Wuppertal, steigt die durchschnittliche Unfallzahl um bis zu einem Drittel an, wenn die Fahrzeuginnenraum-Temperatur auf 37 °C klettert.
Wärmebelastung und Abtrocknungszustand des Straßenbelags sind die gravierendsten unfallerhöhenden Faktoren. Zu dieser Einschätzung kommt eine statistische Analyse des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaft der Gesamthochschule Wuppertal. Dort wurde unter Leitung von Prof. Dr. Gerhard Arminger im Auftrag der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) die Auswirkung des sommerlichen Klimas auf das Unfallgeschehen im Straßenverkehr untersucht.
Mit steigenden Temperaturen steigt auch die Unfallhäufigkeit. Die Wuppertaler Wissenschaftler ermittelten, daß bereits bei einer mittleren Wärmebelastung im Autoinnenraum von 27 °C sich die durchschnittlichen Unfallzahlen um 6 % im Außerortsverkehr und um 11 % im Innerortsverkehr erhöhen. Ab einer Fahrzeuginnenraumtemperatur von 32 °C wachse die jeweilige Zahl der Unfälle um 13 % bzw. 22 %. Bei extremen 37 °C im Fahrzeug stellten die Statistiker innerhalb geschlossener Ortschaften sogar eine Zunahme der Unfälle um 33 % fest.
Die Wärmebelastung der Fahrer rückt durch diese Ergebnisse laut Arminger als ein neuer Sicherheitsfaktor ins Blickfeld der Unfallforscher, da die gravierende Wirkung der Innenraumtemperatur auf den Autofahrer bislang in dieser Weise nicht bekannt oder belegt war. Maßnahmen, wie Informationen über den Temperatureinfluß auf das Fahrverhalten und der Einbau von Klimaanlagen im Auto, seien erforderlich, um die temperaturbedingte Unfallhäufigkeit zu verringern.
Für die Erstellung ihrer Analyse verarbeiteten die Wuppertaler Wissenschaftler riesige Datenmengen. So wurden beispielsweise die täglichen Messungen der 25 Klimastationen in den alten Bundesländern von 1985, 1991, 1992 und 1993 für die Studie ausgewertet. Die Klimastationen ermitteln und melden das Wetter alle drei Stunden. In Zusammenarbeit mit dem deutschen Wetterdienst wurden alle Landkreise und kreisfreien Städte jeweils der Klimazone zugeordnet, deren Wetterverhältnisse dem jeweiligen Kreis am nächsten kommt. Für die so definierten Wettergebiete steuerte BASt die Anzahl der Unfälle mit Personenschäden für die jeweils dreistündigen Zeiträume bei. Differenziert wurde dabei zwischen Unfällen, die sich innerhalb oder außerhalb geschlossener Ortschaften ereigneten.
Die negativen Auswirkungen des Wärmestresses auf die Verkehrssicherheit bestätigte ebenfalls Dr.-Ing. Brigitte Taxis-Reischl. Die Leiterin Thermodynamik des Fahrzeug-Klimaanlagen-Herstellers Behr, Stuttgart, verwies kürzlich auf einen realen Test im Fahralltag, bei dem das Halten der Fahrspur unter der Einwirkung von Hitze untersucht wurde. Die Testpersonen – je zehn junge Männer und Frauen – machten während einer mehrstündigen Fahrt bei 37 °C Pkw-Innenraumtemperatur mehr als doppelt so viele korrigierende Lenkbewegungen mit einem Lenkradausschlag von mehr als 10 Grad, als bei einer Temperatur im Auto von 24 °C.
Als für die Verkehrssicherheit weitaus kritischer wurde das wesentlich häufigere Verlassen des Fahrstreifens unter dem Einfluß von Hitze bewertet. Bereits im ersten Abschnitt der Testfahrten lag die Anzahl unbeabsichtigter Überschreitungen des Mittel- oder Seitenstreifens bei 37 °C (Innenraum) um etwa 55 % höher als bei 24 °C, im zweiten gab es sogar 140 % mehr Fälle. Dies zeigt laut Taxis-Reischl, daß sich die Hitze bei längerer Fahrt deutlich negativer auf das Fahrverhalten auswirke. Bei komfortabler Temperatur habe nämlich die Fahrtdauer nur einen geringen Einfluß auf das Halten der Spur bei den Testpersonen gezeigt.
Dieses hitzebedingte Fahrerverhalten wurde bei einem Test im Fahrsimulator von Behr bestätigt. Die Pkw-Lenker mußten dabei eine auf die Leinwand projizierte monotone Straße abfahren, gleichzeitig waren regelmäßig am Fensterrand auftauchende Lichtsignale durch die Betätigung eines Schalters zu quittieren. Die nachlassende Aufmerksamkeit im zweistündigen Test bei 30 °C im Auto ließ die Fahrfehler „Verlassen der Straße“ um etwa 20 % ansteigen, und die Reaktionszeit erhöhte sich um rund 7 %.
Neben der nachlassenden Konzentrationsfähigkeit ist der Hitzestreß nach Ansicht von Taxis-Reischl auch für ein erhöhtes Aggressionspotential verantwortlich. Eine weitere Untersuchung ergab, daß der Anstieg des Hupens in direktem Zusammenhang stand mit Temperatur und Luftfeuchtigkeit (Bei Tests ließ man an einer Ampel das erste Auto stehen, obwohl Grün freie Fahrt signalisierte). Bei 38 °C und über 70 % relative Luftfeuchtigkeit im Auto wurde die Hupe von 34 % der beobachteten Personen länger als 50 % der Grünphase dauerbetätigt, während dies bei 32 °C überhaupt nicht vorkam. Während einer weiteren Untersuchung zeigte sich, daß der Prozentsatz hupender Fahrer in klimatisierten Autos mit 67 % deutlich niedriger war, als solche in nicht-klimatisierten, von ihnen hupten 89 %.
Vorübergehend erfrischt ein kaltes Fußbad den Fahrer. Probater, vor allem während der Fahrt, ist eine Klimaanlage. Sie reduziert nicht nur die Pkw-Innenraumtemperatur, sondern damit auch das Unfallrisiko, wie eine aktuelle wissenschaftliche Studie belegt.
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