Zunahme der Naturgefahren in den Alpen
VDI nachrichten, Salzburg, 7. 12. 07, swe – Mehr Regen und trotzdem Wassermangel, diese scheinbar paradoxen Auswirkungen könnte der Klimawandel in den Alpen haben. Einerseits verschärfen extreme Regenfälle die Hochwassergefahr, andererseits aber könnte in heißen, trockenen Sommern gravierender Wassermangel eintreten. Dies wäre dann der Fall, wenn die Wasserspende der Gletscher ausfallen würde, sollten diese in einigen Jahrzehnten ganz verschwunden sein.
Besonders deutlich ist der Klimawandel in den Alpen zu spüren. Während die globale Durchschnittstemperatur in den letzten 50 Jahren um 0,6 °C nach oben ging, war in den Alpen der Anstieg mit 1,2 °C doppelt so stark. Der Wintertourismus gerät in Bedrängnis, doch es zeichnen sich noch gravierendere Auswirkungen ab. Das zeigte die Konferenz „aqua alta alpina“ Ende November in Salzburg.
Bayern hat seit 1999 in Zusammenarbeit mit Baden-Württemberg und dem Deutschen Wetterdienst in dem Forschungsprogramm „Klimawandel und Wasserwirtschaft“ (Kliwa) regionale Klimaszenarien entwickelt. Danach ist in den Wintermonaten durch höhere Starkniederschläge mit einer Verschärfung der Hochwassergefahr zu rechnen.
Auch wenn noch Unsicherheiten bestehen, wird dem durch einen so genannten Klimaänderungsfaktor Rechnung getragen. Das aus langjährigen Abflussreihen ermittelte statistische hundertjährliche Hochwasser wird pauschal um 15 % erhöht. „Wir haben schon nächtelang auf zu niedrigen Deichen gestanden, aber noch nie auf zu hohen“, machte sich Martin Grambow, Leiter der Abteilung Wasserwirtschaft im bayerischen Umweltministerium, nachdrücklich für den Vorsorgegedanken stark. Auch ohne bedrohliche Zukunftsszenarien besteht Grund genug, sich besser gegen Hochwasser zu wappnen. Das lehren die Katastrophen der Vergangenheit.
Hans Wiesenegger, der Leiter des Hydrographischen Dienstes des Landes Salzburg, verwies auf alte Hochwassermarken. Sie zeigen, dass 1786 und 1899 das Wasser in einigen Stadtteilen von Salzburg 2,5 m über dem Gehsteig stand.
Die Katastrophe von 1899 war kein isoliertes Ereignis. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde Mitteleuropa vom Riesengebirge bis zu den Alpen von einer Folge von Flutkatastrophen heimgesucht. Das führte zu umfangreichen Schutzmaßnahmen. Zugleich beruhigte sich das Klima für etliche Jahrzehnte. Darauf machte sich eine gewisse Sorglosigkeit breit und die Siedlungen dehnten sich in ehemalige Überschwemmungsgebiete aus.
Die Wiederkehr von schweren Hochwässern im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts führte deshalb zu exorbitanten Schäden. In der Schweiz belaufen sie sich seit 1972 auf 7,2 Mrd. €, wozu die Katastrophe vom August 2005 allein 1,8 Mrd. € beitrug.
Gefahrenkarten sollen die Risiken aufzeigen. Abgestuft nach Gefährdungsgrad ist in ihnen dargestellt, welche Areale durch Lawinen, Erdrutsche, Felsstürze und eben Hochwasser bedroht sind. Bis 2011 sollen sie flächendeckend für die Schweiz vorliegen.
Sind langjährige Pegelmessungen vorhanden, lassen sich die Flutgebiete an einem Fluss relativ genau eingrenzen, für kleinere Wasserläufe ohne Messstellen ist das aber schwierig. Man behilft sich mit empirischen Schätzverfahren.
Einen neuen Weg in der Hochwasserprophylaxe hat Daniel Viviroli vom Geographischen Institut der Universität Bern eingeschlagen. Das Einzugsgebiet wird dabei durch ein Höhenmodell sowie Karten der Landnutzung und der Bodentypen dargestellt. Mit Niederschlagsdaten von Wetterstationen aus dem Gebiet wird dann für 20 Jahre der Abfluss in stündlicher Auflösung simuliert. Aus den so erzeugten Abflusskurven lassen sich die relevanten Hochwasserkenngrößen ableiten und in Gefahrenkarten einarbeiten.
Laut dem deutschen Forschungsvorhaben Kliwa ist gegenläufig zur Zunahme der Niederschläge im Winter mit einem Rückgang im Sommer um bis zu ein Fünftel zu rechnen. Sommerliche Trockenperioden wären dann noch schwieriger zu meistern, vor allem wenn das eintritt, was Glaziologen voraussehen.
Bislang garantiert die Gletscherschmelze in heißen, trockenen Sommern ein Minimum an Abfluss. „Sollten die Gletscher durch die fortschreitende Erwärmung aber ganz verschwinden, fehlt diese kompensierende Wirkung“, warnte Ludwig Braun, Leiter der Kommission für Glaziologie an der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.
Als Folge würde der Wasserstand in den Alpenflüssen extrem niedrige Werte annehmen. Wasserkraftwerke müssten ihren Betrieb einstellen, thermischen Kraftwerken würde das Kühlwasser und Industriebetrieben das Brauchwasser ausgehen.
Auch wenn derartige Probleme noch Jahrzehnte in der Zukunft liegen, müsse man sie schon heute in den Blick nehmen, mahnte Brauns Kollege Wilfried Haeberli, Professor an der Universität Zürich. HANS DIETER SAUER
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