„Wir verstehen Umweltschutz als Chance für unser Geschäft“
VDI nachrichten, Mönchengladbach, 13. 1. 06, mav – Was haben Fette und Kühlschmierstoffe mit Hightech zu tun? Eine Menge, wie ein Blick hinter die Kulissen von Rhenus Lub in Mönchengladbach zeigt. 40 der 200 Mitarbeiter sind in der Entwicklung tätig. Denn neue Technologien, Werkstoffe und Werkzeuge stellen immer höhere Ansprüche an die Schmierstoffe. Wie sich die Chemikalienrichtlinie Reach auswirkt und wie der Mittelständler erfolgreich Auslandsmärkte erobert, erläutern die Geschäftsführer Max Reiners und Theo Bartholomäus.
Bartholomäus: Grundsätzlich begrüßen wir solche Maßnahmen. Es kann nicht schlecht sein, wenn Chemikalien registriert werden, die in den Verkehr gebracht werden. Das Ausmaß und die Detaillierung der Richtlinie halten wir jedoch für zu schwierig und teilweise übertrieben. Jede Registrierung kostet ja mehrere 100 000 €.
VDI nachrichten: Wie groß wird die finanzielle Belastung aus der Chemikalienrichtlinie für Rhenus Lub?
Reiners: Es sind eher indirekte Kosten, und wir können das Ausmaß noch nicht abschätzen.
Viele unserer Lieferanten stellen sehr kleine Mengen her. In unserer Branche macht sich Befürchtung breit, dass sich die Zahl der zur Verfügung stehenden Rohstoffe sehr stark einschränken wird. Damit würden auch unsere Möglichkeiten geringer, für den Kunden maßgeschneiderte Produkte zu entwickeln und herzustellen die verbleibenden Rohstoffe würden zudem mit Sicherheit teurer.
VDI nachrichten: Schmiermittel braucht man. Aber was ist daran Hightech, was ist daran spannend?
Bartholomäus: Wir machen Produkte, die da sein müssen, damit Sie in Ihrem normalen Leben Spaß haben. Die Bleche, aus denen Ihr Auto gemacht ist, könnten ohne Kühlschmierstoffe gar nicht produziert werden. Und selbst die elektrischen Zahnbürsten mit ihren Minizahnrädchen aus Kunststoff brauchen Schmierung.
Reiners: Bei unseren Produkten geht es vor allem um zwei Bereiche. Auf der einen Seite um Metallbearbeitungsöle, das sind Kühlschmierstoffe, Schneidöle, Umformöle. Unser Thema ist es, Prozesse sicherer und effizienter zu gestalten und damit zur Wertschöpfung der Anwender beizutragen. Es darf keine Unterbrechungen geben, weil der Kühlschmierfilm abreißt oder die Kühlung aussetzt.
Der andere Bereich heißt Hochleistungsschmierfette. Diese Fette finden wir in vielen Anwendungen, die auch der Endverbraucher nutzt: Bei DVD-Playern, elektrischen Zahnbürsten, Stellmotoren im Auto. Viele Fette entwickeln wir schon sehr frühzeitig zusammen mit den Kunden, da unsere Produkte ja Bestandteil einer technischen Konstruktion werden.
VDI nachrichten: Wie verteilen sich die Umsätze, sind Sie von einer Branche abhängig?
Reiners: Eine Abhängigkeit von einem Kunden gibt es auf keinen Fall. Wir achten sehr darauf, dass wir mit keinem Kunden 10 % unseres Umsatzes oder noch mehr machen.
Dominierend ist bei uns in den vergangenen Jahren die Automobilzuliefer-Industrie gewesen. Wir hatten das Glück – und das Können -, dass wir gerade da sehr stark engagiert sind, wo es um Dieselmotorenbau geht. Da alles, was mit Diesel zu tun hat, in der jüngeren Vergangenheit boomte, ist es auch unseren Kunden dieser Sparte sehr gut gegangen.
Außerdem macht das so genannte Private-Lable-Geschäft die Hälfte unseres Umsatzes aus. Da liefern wir an Dritte, die unsere Produkte dann unter ihrem Namen weiterverkaufen.
VDI nachrichten: Sie erwarten ein Umsatzwachstum von 5 % bis 7 % jährlich. Wächst der Markt so stark, oder gewinnen Sie Marktanteile?
Reiners: Der Markt in Westeuropa schrumpft seit vielen Jahren quantitativ. Die Produkte werden immer besser und haltbarer. Früher mussten die Kühlschmierstoffe alle ein bis zwei Wochen gewechselt werden. Heute halten sie ein bis zwei Jahre.
Das ist auch eine Frage des Umweltschutzes – und damit der Kosten. So viel, wie man an Schmiermitteln einsetzt, muss man auch wieder entsorgen. Wir haben den Umweltschutz und den Schutz der Menschen seit Beginn der 90er-Jahre nicht als Bedrohung für unser Geschäft verstanden sondern als Chance. Wir haben uns da an die Spitze der Entwicklung in Deutschland gesetzt. Und wir erobern stetig Marktanteile hinzu.
VDI nachrichten: Was macht Ihr Angebot dem der Konkurrenz überlegen? Geht der Wettbewerb über den Preis?
Reiners: Wir verringern die Prozesskosten unserer Kunden. Für diese Betrachtung der Prozesskosten müssen unsere Mitarbeiter besonders qualifiziert sein. Beispiel Metallbearbeitung: Da müssen unsere Leute wissen, wie die Maschine beim Kunden arbeitet, wie sie konstruiert ist, wie die Peripherie funktioniert, welche Filter vor- und nachgeschaltet sind, was bearbeitet wird.
Dieses ganze Know-how versetzt uns in die Lage, dem Kunden eine Gesamtrechnung aufzumachen und ihm zu beweisen, dass er mit unserem Produkt im Vergleich zu anderen besser abschneidet. Unsere Schmierstoffe sind pro Liter oder pro Kilogramm zwar teurer als die der Konkurrenz, aber über den gesamten Prozess betrachtet, spart der Kunde Geld.
VDI nachrichten: Wie dokumentieren Sie das?
Bartholomäus: Wir führen intern Messreihen durch, in denen wir eigene Produkte miteinander und mit fremden vergleichen, um sie weiter entwickeln zu können. Große, skeptische Kunden, wählen uns nur dann, wenn sie eigene Vergleiche auf eigenen Maschinen gefahren haben. Diese Tests können bis zu einem Jahr dauern.
Der andere Weg ist, dass wir Kunden einen Pauschalpreis für die Produkte und Dienstleistungen von der Anlieferung bis zur Entsorgung anbieten. Das heißt bei uns „rhenus lubrineering“.
VDI nachrichten: Wie sind Sie international aufgestellt?
Reiners: Mit 24 Tochterunternehmen und Distributionspartnern sind wir derzeit in 32 Ländern vertreten.
VDI nachrichten: Wie kommen Sie in neue Märkte?
Reiners: Mal begleiten wir einen bestehenden Kunden. In anderen Fällen haben uns Marktteilnehmer im Ausland eingeladen, mit ihnen zusammen zu arbeiten. Oder wir suchen aktiv Partner im Ausland – an die wir hohe Anforderungen stellen.
VDI nachrichten: Wie lösen Sie das Problem der hohen Transportkosten, wenn Sie etwa in Asien tätig werden?
Bartholomäus: Wir versuchen, vor allem mit Spezialitäten hinauszugehen. Bei diesen hochwertigen Produkten sind die Transportkosten im Vergleich zum Warenwert relativ gering.
VDI nachrichten: Wie werden Sie als mittelständischer Anbieter im Ausland wahrgenommen und akzeptiert?
Bartholomäus: Wir suchen uns genau die Partner aus, die im Zielmarkt schon über eine ausreichende Akzeptanz verfügen. Die Partner wiederum können damit werben, dass sie mit einem neuen, sehr innovativen Unternehmen aus Europa kooperieren – Rhenus Lub. Dieses Co-Branding bringt beiden Partnern eine sehr hohe Glaubwürdigkeit.
Reiners: Und nicht zuletzt hilft uns der gute Ruf, den deutsche Werkzeugmaschinen im Ausland haben. Fast alle potenziellen Kunden haben auch deutsche Werkzeugmaschinen im Betrieb. Das erleichtert uns den Markteintritt.
Auf der anderen Seite schaden uns übrigens die Qualitätsprobleme von DaimlerChrysler. Früher hieß es: Das ist der Daimler unter den Kühlschmierstoffen. Das würden wir heute nicht mehr sagen.
VDI nachrichten: Sondern?
Bartholomäus (lacht): Das ist der Toyota unter den Kühlschmierstoffen.
VDI nachrichten: Was sind die Herausforderungen für die Zukunft?
Bartholomäus: Es geht darum, längere Standzeiten zu erreichen und höhere Qualität.
Reiners: Bei der Metallbearbeitung heißen die Herausforderungen Umweltschutz und Speziallegierungen. Magnesium haben wir schon, Titan wird immer wichtiger. Auch Kunststoffe und Verbundstoffe nehmen an Bedeutung zu.
VDI nachrichten: Immer mehr Unternehmen verlagern Produktion ins Ausland. Sie haben Ihre neue Fettfabrik in Mönchengladbach errichtet. Warum?
Reiners: Als Familienunternehmen sind wir sehr eng mit dem Standort Mönchengladbach verbunden.
VDI nachrichten: Die Bindung in Ehren, aber am Ende des Tages muss sich eine solche Investition rechnen ¿
Reiners: Richtig. Der wichtigste Aspekt war, dass hier unsere Entwicklung für die Schmierfette steht. Das ist auch richtig so, weil Westeuropa eine Hightech-Region ist. Hier fordern die Kunden die anspruchsvollsten Lösungen von uns. Man benötigt bei Fett eine sehr enge Verzahnung zwischen Entwicklung und Produktion. Der Entwickler muss die Produktion der ersten Chargen eines neuen Produkts persönlich begleiten. Er steht daneben, weil man nicht einfach ein Upscaling machen kann vom Labormaßstab 5 kg auf 5 t oder 10 t.
Hinzu kommt, dass wir hier erfahrene Mitarbeiter haben. Auf deren Know-how wollen und können wir nicht verzichten. MARTIN VOLMER
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