Wie wird aus einer guten Idee ein Renner?
Der breiten Öffentlichkeit ist die Deutsche Bundesstiftung Umwelt wohl kein Begriff – obwohl Europas größte Umweltstiftung seit zehn Jahren in allen ökologischen Bereichen milliardenschwere Unterstützung leistet. Für innovative Mittelständler aber ist sie unverzichtbar und hat so mancher Idee zur Marktreife verholfen.
Wenn Chemiestudenten an der Uni Jena oder Bremen künftig ihre Experimente machen, wird manches deutlich anders aussehen als heute: Sechs Unis durchforsten derzeit Versuchsvorschriften auf Ressourcenverbrauch und Umweltschädlichkeit, um – wo nötig – die Versuche ökologischer zu gestalten.
Wenn Aale auf dem Weg zu ihrem Laichplätzen sind, verenden sie nicht selten an den Turbinen von Wasserkraftanlagen. Elektronische Sensoren sollen die Abwanderung der Aale vorhersagen helfen, so dass Kraftwerke kurzzeitig für die Passage der Fische ihre Turbinenleistung senken können.
Wenn immer mehr Gemeindehäuser und Verwaltungsgebäude der Kirchen ihre Energiebilanz verschönern, dann deshalb, weil sie Solarzellen auf den Dächern haben.
Experimente, Aale und Kirchenhäuser eint eins: Sie alle sind Teil von Projekten, die durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) mit Sitz in Osnabrück gefördert werden. Europas größte Umweltstiftung feiert in dieser Woche ihr zehnjähriges Bestehen. „Uns ist es gelungen, ausgetretene Pfade zu verlassen und neue Wege zum Schutz der Umwelt zu beschreiten“, resümiert DBU-Generalsekretär Fritz Brickwedde. Dafür hat die Stiftung eine Menge Geld investiert: Seit März 1991 wurden über 4000 Projekte mit über 1,7 Mrd. DM unterstützt. Im Mittelpunkt der Förderung stehen kleine und mittlere Unternehmen: In ihre Projekte flossen 1,2 Mrd. DM. „Wir wollen besonders diesen Firmen eine Chance geben, ihre Ideen umzusetzen“, so Brickwedde.
Oftmals klappt das auch. Ein Beispiel dafür ist das Münchner Unternehmen Tinox, das mit neuen Absorbern für Sonnenkollektoren großen Erfolg hat. Bei Tinox–Absorbern wird im Vakuum eine hauchdünne Schicht aus Titan-Nitrit-Oxid auf ein Kupferband aufgedampft. Das geht emissionsfrei und der Energieverbrauch der Beschichtung verringert sich von 15 kWh auf etwa 1 kWh/m2. Der Wirkungsgrad der Kollektoren liegt höher als der herkömmlicher Schwarzchromabsorber und führt zu 5 % bis 10 % höheren Erträgen der Solarsysteme. Zwei Anlagen haben vergangenes Jahr 330 000 m2 Absorber produziert – eine Kollektorfläche, die innerhalb von 25 Jahren die Emission von über 1, 2 Mio. t CO2 vermeidet. Heute beschichtet Tinox jeden dritten Kollektor in Deutschland.
Auch die GSG Hartmetallbearbeitung in Schwerte hat mit Hilfe der DBU einen Marktrenner gelandet. Sie entwickelte ein Verfahren zur Entzunderung und Beschichtung von Drahtmaterial, das das herkömmliche nass-chemische Beizen zur Entfernung störender Oxidschichten ablöst. Beim neuen Trockenverfahren werden Zunder und Rost mechanisch entfernt – schlichtweg abgebürstet. Es liefert einen Draht, dessen Qualität der des nass-chemisch gebeizten gleichkommt, und das zu niedrigeren Kosten: Statt 100 DM/t kostet die trockene Entzunderung nur noch 20 DM/t. Mittlerweile hat die Firma 40 Fertigungslinien verkauft, zehn davon an den weltweit größten Drahthersteller in Belgien.
Längst nicht immer führen von der DBU geförderte Projekte auf so direktem Weg zum Erfolg. So manchem noch in Erinnerung ist „Greenfreeze“, der erste Kühlschrank mit halogenfreiem Kältemittel, der 1992 für Furore sorgte. Dem Entwickler, der sächsischen Firma dkk Scharfenstein, bescheinigte damals selbst Bundesumweltminister Klaus Töpfer „gute Marktchancen“. Töpfer irrte. Die lange Zeit ungesicherte Finanzierung der Ostfirma verzögerte die Weiterentwicklung des Gerätesortiments. Vor allem aber stieß der Öko-Kühlschrank auf Widerstand bei der starken Konkurrenz, die allesamt auf Fluorkohlenwasserstoffe als Kältemittel setzte.
Was es heißt, wenn im Markt ein eisiger Gegenwind bläst, weiß auch Dr. Michael Piepho. Der Geschäftsführer von Iso-Elektra im niedersächsischen Elze fühlt sich von der Konkurrenz mit Macht vom Markt gedrängt. Objekt des Streits sind Vergussmassen, die überall dort notwendig sind, wo elektronische Bauteile, Kabelverzweigungen oder -muffen, aber auch Fußböden von der Umgebung isoliert werden müssen. Iso-Elektra produziert Gießharze nicht nur aus synthetischen Ausgangsstoffen, sondern auf Rizinusölbasis. Das spart im Vergleich zu Vergussmassen auf Erdölbasis schätzungsweise bis zu 50 % Energie bei der Herstellung und 20 % an Kosten. „Unsere Vergussmassen sind in ihren technischen Eigenschaften vielfach besser als herkömmliche und haben Tests bei akkreditieren Prüfinstituten bestanden“, sagt Piepho.
Seine Konkurrenz sieht das anders. Pflanzliches Rizinusöl habe schwankende Qualitäten. Vergussmassen daraus hielten daher den Anforderungen an Stabilität und Langlebigkeit nicht stand. Seinen bisherigen Hauptkunden, den Versorgungskonzern E-ON, hat Piepho durch „Vorbehalte einzelner Techniker und Agitation von Wettbewerbern“ im Moment verloren. Andere Stromversorger und auch Kunden aus dem Automobilbereich dagegen nutzen laut Piepho die alternativen Gießharze störungsfrei.
Eine generelle Quote über den Markterfolg der geförderten Projekte hat die DBU bisher nicht ermittelt. „Kleine Unternehmen müssen genau analysieren, wo sich für sie Nischen öffnen“, empfiehlt Brickwedde. Um die Transparenz zu erhöhen, werden derzeit rund 800 Förderprojekte vom Karlsruher Fraunhofer-Institut für Innovationsforschung evaluiert und beispielsweise auf ihre tatsächliche Umweltentlastung und Markterfolge untersucht. Ergebnisse sollen im Herbst vorliegen. C. FRIEDL
Wen fördert die Bundesstiftung?
Vordenker für eine ganze Branche
Die DBU fördert Projekte aus den Bereichen Umwelttechnik, -forschung, -vorsorge und Umweltkommunikation – unter drei Voraussetzung: Die Vorhaben müssen klar über den gegenwärtigen Stand der Forschung und Technik hinausgehen. Die Innovation soll für eine breite Anwendung, z. B. eine ganze Branche, interessant sein und sich unter marktwirtschaftlichen Konditionen zeitnah umsetzen lassen. Nicht zuletzt sollen neue Umweltentlastungspotenziale erschlossen werden. Seit 1995 nimmt die Anzahl der Anträge kontinuierlich ab – ein gewollter Effekt, da in den ersten Jahren viele Anfragen nicht die Kriterien erfüllten und Antragsteller oft falsche Vorstellungen davon hatten, was die DBU eigentlich fördert. http://www.dbu.de
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