Weniger Müll im Verpackungsabfall
VDI nachrichten, Düsseldorf, 25. 4. 08, swe – Ganz Deutschland hat die Gelbe Tonne. Fast. In vielen Regionen wird mit anderen Systemen experimentiert. Im Rhein-Neckar-Kreis zwischen Mannheim, Heidelberg und Sinsheim geht man seit 25 Jahren eigene Wege, von der Abfallwirtschaft bisweilen argwöhnisch beäugt. Ein Großversuch, der für eine halbe Million Bürger zum Alltag geworden ist.

Grüne Wertstofftonne: Deutlich älter als das Duale System.
Foto: Duales System Deutschland DSD
Wir haben ein bewährtes System, das wesentlich älter als das Duale System ist – unsere Grüne Wertstofftonne“, erklärt Alfred Ehrhard, der Geschäftsführer der Abfallgesellschaft des Rhein-Neckar-Kreises (AVR) mbH, nicht ohne Stolz. „In § 6 Abs. 3 der Verpackungsverordnung gibt es eine Regelung, dass derartige kommunale Systeme wie unsere Wertstofferfassung von den Systemträgern – wie DSD, Landbell, Interseroh usw. – mitbenutzt werden können.“
Für die Bürger bedeutet dies: Im Reich der AVG werfen sie sowohl lizenzierte Verpackungen, die den grünen Punkt tragen, wie auch alle nicht lizenzierten Wertstoffe in ein und dieselbe Tonne. „Damit unterscheiden wir uns bundesweit von anderen Systemen“, weiß Ehrhard.
Die Geschichte liest sich so selbstverständlich, dass man sich fragt, warum die „Grüne Tonne plus“ nicht früher und nicht an vielen anderen Stellen eingeführt wurde. Es war die Zeit der frühen 1980er Jahre, als die Müllberge wuchsen und die Verbrennungskapazitäten nicht mehr ausreichten.
1984 baute der Landkreis in Sinsheim eine erste Sortieranlage, um Wertstoffe zu gewinnen und den Restmüll zu reduzieren. Das System wurde dann sukzessive im ganzen Rhein-Neckar-Kreis eingeführt – die Städte Mannheim und Heidelberg ausgenommen.
Mitte der 1990er Jahre wurde das System durch eine separate Glasbox ergänzt. „Das Glas-Abholsystem ist wesentlich kundenfreundlicher und auch effektiver als die öffentlichen Sammelboxen“, meint Erhard und sieht sich da im Einklang mit den Kommunen, die die geräuschvollen Glaseinwürfe in die öffentlichen Glascontainer mehrheitlich ablehnen.
Und was kommt in die „Grüne Tonne plus“? Eigentlich alles außer Glas, Rest- und Biomüll, für den es eigene Sammelbehälter gibt – und natürlich weder Schadstoffe, Elektroaltgeräte oder Batterien, Altholz und Sperrmüll. In zweiwöchiger Sammlung werden demnach alle so genannten stoffgleichen Nichtverpackungen, Metalle, Plastik aller Art sowie Papier und Kartonagen gesammelt und in Sinsheim teils automatisch, teils von Hand sortiert.
Die Output-Mengenbilanz von rund 76 200 t/Jahr teilt sich auf in 60 % bis 65 % Papier, Kartonagen und Getränkeverbunde, 10 % Kunststoffe, Kunststofffolien und -flaschen sowie 4 % Metalle. Während sich in der Gelben Tonne oft 35 % und mehr Fehlwürfe finden, ist die AVR stolz, nur 20 % bis 25 % Reststoffe aussortieren zu müssen.
„Das liegt an unserer intensiven Öffentlichkeitsarbeit und daran, dass sich unsere Bürger nach fast 25 Jahren mit dem System identifizieren“, sagt Erhardt. Der hohe Wertstoffanteil bringe jährliche Erlöse von 2,5 Mio. € bis 3 Mio. €. Diese Erlöse werden mit den Geldern der Systemträger in Deutschland, die die AVR über die Grüne-Punkt-Gebühr erhält und den Sammel- und Sortierkosten des Systems verrechnet. Den Rest, etwa 4,2 Mio. €, zahlt der Bürger über seine Müllgebühren, nicht benutzungsbezogen wie bei der Grauen Restmülltonne, sondern als Behältergebühr. Die Glassammlung wird direkt im Auftrag der Dualen System GmbH abgewickelt.
Sorgen bereiten der AVR die schwindenden Altmetallmengen. Das betrifft weniger den Inhalt der „Grünen Tonne plus“ als vielmehr die der separaten Altmetallsammlung. Hier müssen Bürger ihren Schrott per Abholscheck-System bei der AVR anmelden, doch bis die Sammelfahrzeuge vor Ort sind, haben findige Schrottsammler die Gehwege abgeräumt. „Hier hat unser System eine Lücke, denn inzwischen haben wir durch das illegale Abschöpfen der Altmetalle gut die Hälfte der Sammelmengen verloren“, muss AVR-Chef Erhard zugeben. Eine Lösung sei nicht in Sicht.
An eine Weiterentwicklung des Systems in Richtung „Gelbe Tonne plus“, bei der wie in Leipzig auch Klein-Elektroschrott in die Wertstofftonne kommt, ist nicht gedacht. Auch hat man die PET-Flaschen noch nicht als lukrative Einnahmequelle erkannt, denn viele Bürger entsorgen diese trotz Pfandpflicht noch immer in ihrer „Grünen Tonne plus“. „Es gibt leider noch kein Sortiersystem, um pfandpflichtige und pfandfreie PET-Flaschen voneinander zu trennen.“ Eine manuelle Sortierung hält Erhard derzeit für zu teuer, schließt aber eine Entwicklung in diese Richtung nicht aus.
MARTIN BOECKH
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