Klima 11.06.1999, 17:21 Uhr

Was verstehen wir vom Klima?

Die langfristige Entwicklung des globalen Klimas vorauszuberechnen ist auch im Zeitalter der Supercomputer mit großen Schwankungsbreiten behaftet. Der Hamburger Klimaforscher Klaus Hasselmann fordert in seinem folgenden Beitrag zu mehr Seriosität im Umgang mit den Klimadaten auf.

Dem normalen Bürger fällt es schwer, sich ein sinnvolles Bild des Klimaproblems zu verschaffen. Dies bestätigen sowohl Umfragen als auch Leserbriefe zu Klimaartikeln, wie z.B. dem vor einigen Monaten in den VDI nachrichten (6. 11. 98) erschienenen Beitrag Wolfgang Thünes „Wettersatelliten widerlegen Treibhaus-These“.
Es gibt hierfür mehrere Gründe.
Erstens ist das Klima in der Tat ein außerordentlich komplexes System. Einige Schlüsselzusammenhänge versteht die Forschung, es gibt aber noch viele offene Fragen.
Zweitens bieten die Medien eine verwirrende Vielfalt sich widersprechender Darstellungen. Dies ist erklärlich. Seit gut zwanzig Jahren warnen Klimaforscher mit kaum veränderten Prognosen vor einer globalen Erwärmung durch steigende Treibhausgasemissionen. Dies ist recht ermüdend und keine Nachricht mehr. Also wird das Thema gern ein wenig „aufgefrischt“. Mal wird das Klimaproblem als eine unmittelbar bevorstehende oder bereits eingetretene Katastrophe dramatisiert, mal als Hirngespinst geldhungriger Forscher abgetan. Oder es werden Scheinkontroversen durch die Wiedergabe unseriöser Außenseitermeinungen erzeugt.
Zum Genre der Falschdarstellungen gehört – meiner Meinung nach – der Beitrag Thünes. Die jüngste Fernsehsendung von Franz Alt „Die Korallen sterben – die Klimakatastrophe ist da“ (3-SAT, 14. April) war – umgekehrt – ein neues Beispiel von Katastrophenmalerei. Eine kurze Klarstellung einiger Grundzusammenhänge des Klimaproblems erscheint daher angebracht.
Zunächst zum unterschiedlichen Kenntnisstand: Es gibt kaum ein Gebiet der Klimaforschung, das so gründlich untersucht und genau berechenbar ist wie der Treibhauseffekt. Quantitativ weniger gut im Griff, aber dennoch größenordnungsmäßig abschätzbar sind die Auswirkungen des Treibhauseffektes auf das globale Klima. Am wenigsten voraussagbar schließlich sind die Auswirkungen der prognostizierten Klimaänderungen auf Ökologie und Lebensbedingungen des Menschen.
Der Treibhauseffekt entsteht bekanntlich durch Spurengase in der Atmosphäre (vorwiegend Wasserdampf, CO2, Methan, Ozon und Lachgas), die die Wärmeabstrahlung der von der Sonne erwärmten Erdoberfläche absorbieren und wieder an die Erdoberfläche zurückstrahlen, wodurch die Erdoberfläche weiter erwärmt wird. Die natürliche Konzentration der Treibhausgase verursacht am Erdboden eine mittlere Temperaturerhöhung um etwa 35 0C gegenüber der Temperatur von – 20 0C, die sich ohne diesen natürlichen Treibhauseffekt einstellen würde, und ermöglicht somit erst das Leben auf der Erde. Die Konzentrationen der Spurengase werden jedoch durch den Menschen erhöht. Der hierdurch entstehende zusätzliche Treibhauseffekt wird in erster Linie durch die Emission von CO2 verursacht, dessen Gehalt in der Atmosphäre gegenüber dem vorindustriellen Stand bereits um 30 % gestiegen ist.
Thüne behauptet, dies führe zu keiner zusätzlichen Treibhauserwärmung, da in den für die Strahlungsabsorption durch CO2 relevanten Spektralbereichen die Absorptionsfähigkeit der Atmosphäre bereits gesättigt sei. Die Wärmeausstrahlung der Erde erfolge ausschließlich durch ein offenes „Fenster“ im Wellenlängenbereich von etwa 8 mm bis 12 mm (millionstel Meter), während im übrigen Wellenlängenbereich die Atmosphäre für Wärmestrahlung undurchlässig sei. Tatsache ist jedoch, daß weder das Fenster völlig offen, noch der Rest des Spektrums völlig blockiert ist. So liegt z.B. ein nicht gesättigtes CO2-Absorptionsband mitten im Fenster (bei 10,4 mm), und die Flanken der starken 15 -µm- CO2-Bande im Absorptionsbereich sind ebenfalls nicht vollständig gesättigt.
Schwieriger ist die Bestimmung der globalen Klimaänderung, die durch den zusätzlichen Treibhauseffekt des Menschen erzeugt wird. Die Umverteilung und Wiederabstrahlung der auf die Erde einfallenden Sonnenstrahlung erfolgt über eine große Zahl komplexer Regelmechanismen. Hierzu gehören neben dem Treibhauseffekt die vielfältigen Wettervorgänge – Wolken, Niederschläge, Winde, Stürme – sowie die ebenso komplexen Strömungssysteme des Ozeans, die Verteilung der Schnee- und Eismassen, die Vegetation, und die vielen ineinander greifenden chemischen und biologischen Prozesse, die letztlich die Konzentrationen der Treibhausgase in der Atmosphäre bestimmen. Dennoch geben moderne Klimamodelle die wichtigsten Eigenschaften unseres heutigen Klimas -Westwind-, Passat- und Monsunregime, die großen ozeanischen Stromsysteme – im wesentlichen richtig wieder. Dies gilt sowohl für den jahreszeitlichen Ablauf als auch für natürliche Klimaschwankungen.
Auf solchen Validierungen basiert letztlich das Vertrauen in die Brauchbarkeit von Klimamodellen für Prognosen der zukünftigen Treibhauserwärmung. Allerdings streuen die Modellprognosen wegen unterschiedlicher Parametrisierungen (insbesondere von Wolken) noch deutlich.
In den Berichten des von der UNO einberufenen Expertenausschusses Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) werden die Unsicherheitsgrenzen der Prognosen daher gewöhnlich mit 50 % angegeben. Bei einem weiterhin ungebremsten Anstieg der Treibhausgasemissionen wird eine Zunahme der globalen Mitteltemperatur im nächsten Jahrhundert von etwa 2 °C bis 3 oC vorhergesagt, verbunden mit einem Meeresspiegelanstieg von 30 cm bis 70 cm. Über den Kontinenten sind wesentlich höhere Erwärmungen zu erwarten.
Am unsichersten ist schließlich die letztlich entscheidende Frage: Wie werden sich die prognostizierten Klimaänderungen auf das Leben des Menschen auswirken? Können unsere Erde und die Menschheit eine Klimaerwärmung, die mit der Erwärmung seit der letzten Eiszeit vergleichbar ist – aber in Jahrzehnten statt Jahrtausenden abläuft -, auffangen? Eine Klimaänderung in dieser Größe und Geschwindigkeit hat die zivilisierte Menschheit noch nie erlebt. Andererseits hat sie eine Änderung ihrer Lebensbedingungen durch technische Entwicklungen, Bevölkerungswachstum, politische Umbrüche und Globalisierung – um nur einige Schlagwörter zu nennen – im heutigen Ausmaß und Tempo ebenfalls noch nie erfahren. Spielt die Klimaänderung überhaupt eine Rolle vor der Kulisse dieser Umwälzungen? Hierauf hat heute niemand eine schlüssige Antwort.
Mit der Ungewißheit zu leben ist aber schwer, und so wird fehlendes Wissen gern durch Überzeugung ersetzt. Je nach Temperament ist man überzeugt, es kommt alles zum Schlimmsten, und findet dies bestätigt durch Meldungen, daß jede anormale Wetterlage oder ökologische Veränderung durch die bereits einsetzende Klimakatastrophe ausgelöst werde – auch wenn dies durch fachkundige Experten dementiert wird -, oder man ist als unerschütterlicher Optimist überzeugt, daß es kein Klimaproblem geben kann, und sieht dies durch fachlich ebenfalls sofort widerlegbare Begründungen dieser These bestätigt. Gewiß ist nur, daß der Ausgang dieses von der Menschheit eingeleiteten einmaligen globalen Experiments ungewiß ist.
KLAUS HASSELMANN
Klaus Hasselmann: „Eine gravierende Treibhauserwärmung ließe sich durch erschwingliche Aufwendungen abwenden.“

 

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