„Unser Markt wächst doppelt so schnell wie die Weltwirtschaft“
VDI nachrichten, Brüssel, 9. 2. 07, ps – Mit dem Nachweis von Pesitiziden, Dioxinen und BSE verdient das Bioanalytikunternehmen Eurofins sein Geld. Welches Wachstumspotenzial hat die Lebensmittel- und Umweltanalytik in den kommenden Jahren? Welche Rolle spielt der deutsche Markt für das Unternehmen? Fragen an Eurofins-Gründer Gilles Martin.
Martin: Nein, darüber kann ich mich natürlich nicht freuen. Nie waren Lebensmittel so sicher wie heute. Die meisten Unternehmen kontrollieren ihre Waren sehr gut. Tatsächlich gibt es in einigen Unternehmen aber leider immer wieder Lücken in der Qualitätskontrolle.
VDI nachrichten: Eurofins ist eines der führenden Bioanalytikunternehmen weltweit. Was alles analysieren Sie?
Martin: Wir analysieren alles, was wir essen, trinken und atmen – also das, was in unseren Körper gelangt. Wir untersuchen auf Kontaminanten – Pestizide in Lebensmitteln, Dioxine in Bodenproben und unerwünschte Stoffe in Futtermitteln – sowie Inhaltsstoffe mit positiver Wirkung, wie Fasern, Flavonoide und Vitamine bis hin zu Pigmenten.
VDI nachrichten: Sie sind Weltmarktführer in der Lebensmittel- und in Europa Marktführer in der Umweltanalytik. Was machen Sie besser als Ihre Wettbewerber?
Martin: Wir sind nicht nur der größte Lebensmittelanalytiker, sondern auch der innovativste. Wir haben zahlreiche neue Methoden entwickelt, dank derer wir beispielsweise für Pestizide ein sehr breites Spektrum an Wirkstoffen nachweisen können. Auch die Flammschutzmittelschadstoffe, Persistent Organic Pollutants (POP) – zahlreiche nicht abbaubare Stoffe, die lange in der Umwelt und im Körper bleiben – können wir dank unserer ausgefeilten Methoden nachweisen.
Hinzu kommt, dass wir massiv in Forschung und Entwicklung investieren. Eurofins besitzt mehrere Kompetenzzentren, die allesamt das Ziel haben, in ihrem Kompetenzbereich weltweit die Besten zu sein. Wir haben auch ein Netzwerk von Laboren aufgebaut, so dass wir überall vor Ort, wo Rohwaren herkommen, Analysen machen können. Das ist wichtig für globale Unternehmen. Denn die Kosten für Nach-Kontrollen werden so drastisch gesenkt.
VDI nachrichten: Wie viele Lebensmittel- oder Umweltskandale haben Sie Ihren Kunden schon erspart?
Martin: Durch unser breites Test-Portfolio haben wir oft frühzeitig Risiken und Skandale vermieden. So zum Beispiel beim Nitrofen-Skandal mit Bio-Produkten. Unsere Kunden waren hiervon nicht betroffen, weil wir aufgrund der Bandbreite unserer Pestizid-Multiscreening-Methode das Risiko frühzeitig erkannt hatten.
VDI nachrichten: Wie wichtig sind BSE-Tests für den Umsatz?
Martin: Die BSE-Tests machen nur 1 % des Konzernumsatzes aus. Ursprünglich waren wir das erste Unternehmen, das BSE in Bayern feststellte. Inzwischen sind BSE-Tests nur noch Routineanalysen und stellen keinen Zukunftsmarkt dar. In den meisten Bundesländern führen immer noch staatliche Behörden die Analysen durch – außer zum Beispiel in Bayern.
VDI nachrichten: Womit beschäftigen Sie sich in der Umweltanalytik?
Martin: Wir untersuchen alle gesundheitsschädlichen Kontaminanten in Wasser, Luft und Boden. Das geht bis hin zu Arzneimittelrückstanden im Wasser. In Belgien hat man etwa viele Hormonrückstände im Trinkwasser gefunden. Darüber hinaus sind wir auch Weltmarktführer in der Dioxinanalytik.
VDI nachrichten: Nur in der Pharmaanalytik sind Sie nicht Weltmarktführer…
Martin: Das stimmt, aber in einzelnen Bereichen mischen wir auch ganz oben mit. Eurofins ist beispielsweise europäischer Marktführer bei genetischen Dienstleistungen, wie DNA-Analysen. Außerdem zählen wir zu den Top 5 der Labore, die als „Zentrallabor“ für die Untersuchungen in den klinischen Phasen der Medikamentenentwicklung zuständig sind. Wir tragen in Echtzeit Daten aus allen Regionen der Welt in einer zentralen Datenbank zusammen. Wenn Biomarker einmal nicht das richtige Bild zeigen, kann man die Studie sofort anpassen.
VDI nachrichten: Welche Rolle spielen die drei Standbeine Lebensmittel-, Umwelt- und Pharma-Analytik?
Martin: Die wichtigste Sparte ist die Lebensmittelanalytik. Sie macht rund die Hälfte des Konzernumsatzes aus. Knapp ein Drittel des Gesamtumsatzes entfällt auf die Pharma-Analytik, der Rest auf die Umwelt-Analytik.
VDI nachrichten: Welche Bereiche wachsen am stärksten?
Martin: Wir schätzen, dass unser Markt doppelt so schnell wächst wie die Weltwirtschaft. Im Lebensmittelbereich sehen wir noch großes Wachstumspotenzial. Bei den Lebensmittelkontrollen gibt es noch Defizite – zum Beispiel bei Pestiziden. Jüngst haben Umweltschützer wieder Pestizide in Obst und Gemüse von Supermärkten gefunden. In der Umweltanalytik hat man in einzelnen Ländern das Thema Dioxin verschlafen. Jetzt erst wachen einige Länder wie Frankreich auf. Da gibt es noch viel zu tun.
VDI nachrichten: Sie haben im abgelaufenen Jahr drei Mal die Prognosen angehoben. Folgt jetzt bald die vierte?
Martin: Wir haben bisher immer die Prognosen erreicht. Unser Ziel bleibt, jährlich um 10 % organisch und weitere 10 % durch Zukäufe zu wachsen. Das ist uns 2006 mehr als gelungen.
VDI nachrichten: Mit MWG Biotech und GeneScan hat Eurofins zwei große Übernahmen durchgeführt. Wann zahlen sich die Transaktionen aus?
Martin: MWG Biotech zahlt sich 2006 noch nicht aus, das Unternehmen konnte zwar den Verlust deutlich senken, aber von nachhaltigen Gewinnen kann man noch nicht sprechen.
GeneScan hingegen macht inzwischen seit zwei Jahren Gewinne. MWG Biotech und Genescan sind aber nicht die einzigen Deals. Wir haben auch Technologien gekauft, die Resistenzen gegenüber Antibiotika oder bei der Behandlung von HIV und Hepatitis feststellen. In den USA ist das ein Riesenmarkt, denn die Analysen werden von den Gesundheitsbehörden erstattet. Es kostet uns zwar jährlich 2 Mio. €, diese Technologien in unser US-Labor zu etablieren und zu validieren, langfristig rechnet sich dies aber.
VDI nachrichten:1997 ging Eurofins an den Nouveau Marché in Paris und 2000 an den Neuen Markt. Bereuen Sie diesen Schritt?
Martin: Nein, für die Transparenz und Wahrnehmung des Unternehmens war der Börsengang sehr wichtig. Sicherlich war die Euphorie am Neuen Markt übertrieben. GeneScan zum Beispiel brachte es bei 10 Mio. € Umsatz auf eine stolze Marktkapitalisierung von 500 Mio. €.
Bei uns fiel die Bewertung deutlich vernünftiger aus. Aktien haben wir zu 35 € ausgegeben. Heute liegt sie bei rund 50 €. Diejenigen, die in der Aktie geblieben sind, haben also kein Geld verloren.
VDI nachrichten: Analysten sehen großes Potenzial für Biotech-Aktien. Ihr Unternehmen gilt dagegen als konservativ, weil Sie nur analysieren und keine Wirkstoffe oder Medikamente entwickeln…
Martin: Das Chancen-Risiko-Profil ist anders. Wir müssen nicht zehn Jahre warten, bis Produkte zu Blockbustern werden. Aber auch wir schaffen Fortschritt. Wir ermöglichen es Unternehmen, mit ihren Medikamenten in die klinische Entwicklung zu kommen.
VDI nachrichten: Sie sind fast ein deutsch-französisches Unternehmen. Gibt es da nicht Unterschiede in Mentalität und Managementkultur?
Martin: Die Werte in Deutschland und Frankreich sind sehr ähnlich. Beide Länder haben ein großes Ingenieur-Know-How, sind dagegen weniger stark in Marketing und Vertrieb.
VDI nachrichten: Wie wichtig ist der Standort Deutschland?
Martin: Deutschland ist sehr wichtig in der Bioanalytik. Sie werden es nicht glauben: Wir haben in Deutschland mehr Umsatz und Mitarbeiter als in Frankreich. Wir investieren auch mehr in Deutschland – zuletzt 15 Mio. € in ein neues Labor in Hamburg.
VDI nachrichten: Planen Sie bald, Ihre Eurofins-Aktien zu verkaufen, um Kasse zu machen?
Martin: Meine Familie hält noch knapp unter 50 % der Anteile, und wir haben nicht vor, Aktien zu veräußern. Es macht Spaß, in dieser Branche zu sein. Und wenn irgendwann eine größere Investition notwendig wäre, könnten wir eine Kapitalerhöhung durchführen. Aber dazu besteht zurzeit keine Notwendigkeit. NOTKER BLECHNER
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