Unser Know-how ist überall gefragt
Die Essener Cornelsen Umwelttechnologie GmbH. Die Ingenieure des Mittelständlers sanieren das belastete Trink- und Grundwasser in Nordrhein-Westfalen und sammeln damit als erste praktische Erfahrung in der Beseitigung der krebserregenden Industriechemikalie. Firmenchef Martin Cornelsen erklärt im folgenden Gespräch, wie die Zukunft seines Unternehmens aussehen soll.
Cornelsen: Wir liegen unter dem angestrebten Richtwert von 100 Nanogramm PFT pro Liter Wasser. Allerdings sickert die Chemikalie an der Schadensstelle im Sauerland immer noch aus, deshalb bleibt unsere mehrstufige Aufbereitungsanlage vorerst weiter im Einsatz. Wie lange noch, ist schwer zu sagen, weil es noch keine Erfahrung mit PFT-Schäden gibt.
VDI nachrichten: Wieso eigentlich nicht? PFT wird doch schon seit Jahren in vielen Industriezweigen als Weichmacher eingesetzt.
Cornelsen: Das stimmt. Allerdings war bis zu diesem Fall unbekannt, dass PFT nicht abbaubar ist und bis ins Grundwasser eindringt. Daran hätte auch ich vor zwei Jahren noch nicht gedacht. Das Gute ist, dass die Behörden schnell reagierten, die Schadensstelle identifizierten und die Reinigung veranlassten. Jetzt haben wir aus dem Schaden das Wissen gewonnen, dass PFT mit Aktivkohleanlagen effektiv beseitigt werden kann.
VDI nachrichten: Wie zahlt sich diese Pionierleistung für Ihr Unternehmen aus?
Cornelsen: Wir haben uns mit beiden PFT-Aufträgen – Grundwassersanierung an der Schadensfläche und Trinkwasserreinigung im Wasserwerk Möhnebogen – definitiv einen Namen gemacht. Inzwischen ist auch die Forschung an unseren Praxiserfahrungen interessiert.
VDI nachrichten: Dennoch ist die Grundwassersanierung nicht mehr Ihr alleiniges Kerngeschäft. Warum haben Sie sich nach dem Management-Buyout 2001 von der einseitigen Ausrichtung verabschiedet?
Cornelsen: Schon damals war klar, dass der Altlasten-Markt in Deutschland nicht sehr zukunftsträchtig ist. Zum einen haben wir hierzulande früh mit der Beseitigung angefangen, zum anderen unterliegt die Öffentliche Hand als Hauptauftraggeber immer stärkeren Sparzwängen. Wir haben darauf gleich mehrfach reagiert: Mit einem verbesserten Kosten-Management, dem Aufbau der neuen Standbeine Industriewasserreinigung und Trinkwasseraufbereitung und mit der internationalen Ausrichtung unserer Sanierungssparte.
VDI nachrichten: War das nicht riskant? Alle großen deutschen Anlagenbauer haben sich doch aus dem globalen Geschäft zurückgezogen.
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Cornelsen: Ja, und das finde ich traurig. Für meine Begriffe haben sie das Feld relativ kampflos aufgegeben – heute sind Konzerne aus Italien, Nordamerika und Asien global unterwegs. Für uns als Mittelständler bot sich allerdings eine interessante Marktlücke, weil wir im Gegensatz zu den Großen den Auftrag nicht mit dem Bau der Anlage als beendet ansehen, sondern auch Serviceleistungen, wie Wartung und Reparaturen, anbieten.
VDI nachrichten: Welche Märkte sind für Sie besonders interessant?
Cornelsen: Wir übernehmen zur Zeit fast überall in Westeuropa Aufträge. In England haben wir sogar eine Tochterfirma aufgebaut. Das ist ein guter Markt, weil die britischen Wettbewerber das Thema Grundwassersanierung in den letzten Jahren eher vernachlässigt haben. Unattraktiv sind für uns eigentlich nur die osteuropäischen Staaten – wegen der mangelnden Infrastruktur – und China.
VDI nachrichten: Das überrascht. Gerade das Wirtschaftsboomland Nummer Eins schließen Sie aus?
Cornelsen: Ich kenne viele Mittelständler, die sich in China die Finger verbrannt haben. Die Vorlaufkosten für einen Markteintritt sind beträchtlich, das Risiko hoch und die Mentalitätsunterschiede groß. Dazu kommt die Plagiatsgefahr. Ich habe deshalb entschieden, die asiatischen Märkte überhaupt nicht anzugehen – auch wenn uns die Politik immer wieder dazu auffordert. Offenbar weiß man dort nicht, wie schwierig der chinesische Markt für Mittelständler ist. Das ist eher ein Terrain für Großkonzerne.
VDI nachrichten: Wieso – wo liegt der Unterschied?
Cornelsen: Als Mittelständler darf mich nicht nur das Marktpotenzial interessieren. Wichtig ist auch eine realistische Einschätzung der Markteintritts-Chancen. Will man überhaupt mit Deutschen Geschäfte machen? Finde ich qualifiziertes Personal vor Ort? Wie groß sind die kulturellen Unterschiede? Das sind Fragen, die für einen Konzern nicht so dringlich sind, weil er einen viel größeren finanziellen Rahmen hat. Ich muss da vorsichtiger agieren.
VDI nachrichten: 2003 haben Sie die Tochterfirma in England als Pilotprojekt für Ihre Auslandsexpansion gegründet. Bislang sind aber noch keine weiteren Dependancen gefolgt. Laufen die Geschäfte in England nicht gut?
Cornelsen: Doch, im Rahmen unserer Ansprüche sind wir sehr gut am britischen Markt positioniert und konnten binnen weniger Jahre die Gewinnzone erreichen. Die nächste Dependance bereiten wir in vorsichtigen Schritten schon seit Mitte 2005 vor, und zwar in Brasilien. Dort sehen wir nach einer gewissenhaften Vorbereitung gute Chancen für einen erfolgreichen Markteintritt in Südamerika.
VDI nachrichten: Woran machen Sie das fest?
Cornelsen: In Brasilien und auch Argentinien ist der Respekt vor der deutschen Ingenieurtechnik tief verwurzelt. Das macht den Markt für deutsche Firmen sehr attraktiv. Allein in Sao Paolo sitzen 1400 von ihnen. VW ist dort, Daimler, Bayer und Siemens auch. Damit ist die Stadt die größte deutsche Industriezone außerhalb Deutschlands. Außerdem sind Stahl- und Anlagenbau hier gut vertreten, wir finden also ohne Schwierigkeiten qualifiziertes Personal. Und in Südamerika allgemein sehen wir gute Chancen für unsere Grundwassersanierungs-Sparte.
VDI nachrichten: Muss Ihr Auslands-Engagement den Mitarbeitern am deutschen Standort Sorge machen?
Cornelsen: Im Gegenteil. Unser Werk hier profitiert vom Auslandsgeschäft, weil wir die Anlagen in Essen bauen und dann am jeweiligen Standort als plug-and-play-System in Betrieb nehmen. In unserer englischen Tochterfirma beschäftigen wir vor allem Servicetechniker für den After-Sale-Service. Das wird auch in Brasilien nicht anders sein.
VDI nachrichten: Sie sind jetzt seit sieben Jahren am Markt. Würden Sie das Abenteuer MBO heute noch einmal wagen?
Cornelsen: Das ist natürlich eine eher philosophische Frage, aber ich habe den Schritt aus dem Konzern in die Selbstständigkeit bislang noch nie bereut.
KATRIN BRODHERR