Ultraschall säubert Abwässer
Ultraschall wird meist für mechanische Hilfsdienste bei Reinigungsvorgängen genutzt. Doch in den kleinen Blasen steckt viel Kraft, deren Potenzial noch kaum genutzt wird. Einen viel versprechenden Anfang macht jetzt Klärschlamm, der so für Biogasanlagen aufbereitet wird.
Unsere Ohren können Ultraschall in der Luft nicht wahrnehmen, aber wehe, wenn diese ultrakurzen Wellen sich im Wasser ausbreiten. Sie quälen die Ohren, während sie Brillen beim Optiker reinigen oder in Laboren schmutzige Gläser von Chemikalien befreien. Über mechanische Hilfsdienste kommen die meisten Ultraschallbäder nicht hinaus, dabei steckt viel ungenutzte Kraft in den winzigen Blasen, die die Wellen in Flüssigkeiten reißen. Kavitation heißt das Phänomen, dass Wissenschaftler jetzt nutzen, um Klärschlämme aufzuarbeiten, Abwässer zu entkeimen oder von Chemikalien zu reinigen.
Das kreischende Brillenreinigungsbad beim Optiker ist fast schon eine akustische Wohltat gegen den Krach mit dem Dr. Klaus Nickel von der Firma Ultrawaves Klärschlamm für Biogasanlagen vorbereitet. „Wir haben zusammen mit der Industrie einen Durchlaufreaktor entwickelt, mit dem wir Klärschlamm auf dem Weg in den Faulturm behandeln“, erklärt er. Klärschlamm fällt in der biologischen Reinigungsstufe von Abwasser in riesigen Mengen an. Experten schätzen, dass 100 000 Einwohnern alle zwei Tage ein Reihenhaus mit dem dicken Brei aus Mikroorganismen und Abbauprodukten füllen könnten.
Er wird inzwischen als gute Energiequelle für Biogasanlagen angesehen – eine Anwendung aus der Not geboren, denn das Deponieren des Schlamms ist seit diesem Jahr verboten und es ist nur eine Frage der Zeit, bis das ohnehin umstrittene Ausbringen der Kläranlagenabfälle auf die Felder flächendeckend eingestellt wird. „Die Zellen werden vom Ultraschall aufgeschlossen und dabei verflüssigt. Dieses verflüssigte Material ist im Faulturm besser umsetzbar. Das Futter wird sozusagen besser verfügbar gemacht.“
Bis zu 30 % mehr Biogas erzeugt der Faulturm, wenn der Brei vorher wenige Sekunden durch den Reaktor läuft. Die Energiemenge, die in die Ultraschallwellen gesteckt werden muss, ist geringer, als der Energiegewinn durch die höhere Gasausbeute. Bei 20 kHz und Intensitäten von 10 W/cm2 bis 100 W/cm2 verwandeln die Wellen den aktiven Klärschlamm in Zellmatsch. Und der Reaktor ist nicht größer als ein Koffer für einen Wochenendtrip.
Das Prinzip ist simpel: Die niederfrequenten Schwingungen zerreißen das Wasser um die Mikroorganismen herum. Dadurch entstehen „Kavitationen“ – mit Wasserdampf gefüllte Hohlräume, die spontan zusammenfallen und dabei die Bakterienwände zerfetzen. Das funktioniert nicht nur in Klärschlamm, sondern auch, wenn die Wasserqualität von Seebädern zu wünschen übrig lässt.
Torben Blume, Wissenschaftler im Arbeitsbereich Abwasserwirtschaft der Technischen Universität Hamburg-Harburg, desinfiziert Abwasser mit Ultraschall. „An Nord- und Ostsee gibt es einige Strände, deren Wasserqualität von den Umweltämtern überwacht wird. Dementsprechend müssen die sich in der Nähe befindlichen Kläranlagen ihre Abwässer desinfizieren, um die Belastung nicht noch weiter zu erhöhen.“ Die Standardverfahren zur Desinfektion sind ultraviolettes Licht oder Chlor. Nur ist das Abwasser aus Kläranlagen leider selten glasklar. Enthält es viele Feststoffe, ballen die sich zu Flocken zusammen und das UV-Licht erreicht nur die außen liegenden Keime. Die in den tieferen Lagen überleben, aber „bei entsprechender Vorbehandlung können wir die benötigte Chlordosis deutlich verringern, bzw. die Kontaktzeit mit dem UV-Licht heruntersetzen“.
Die ersten Geräte gibt es zu kaufen, Pilotanlagen beweisen ihre Funktionalität und die Anwendungsbereiche mehren sich. Mal ist es der Pizza-Hersteller, der seine Förderbänder nicht mehr mit Chlor desinfizieren möchte. Mal soll die zerstörerische Kraft der ultrakurzen Wellen sogar auf Chemikalien in Industrieabwässern erprobt werden. Der Leiter Abwasserwirtschaft an der TU Harburg, Professor Uwe Neis, hat noch viel vor: „Mit Ultraschall kann man chemische Reaktionen hervorrufen, ohne Chemie einzusetzen. Das ist was ganz Spannendes. Wir überlegen, inwieweit man Chlor bei der Desinfektion von Schwimmbädern ersetzen kann. Oder Krankheitskeime in Abwässern aus Krankenhäusern sind natürlich ein interessanter Fall.“ JO SCHILLING/wip
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