Sauberes Wasser, saubere Karriere
Mit intelligenter Abwasserreinigung verdient der Agraringenieur Friedrich Kramer als Ein-Mann-Unternehmer sein Geld.
Nicht mehr Chemie als unbedingt nötig!“ – das war schon als Schüler das Prinzip von Friedrich Kramer. Lieber beschäftigte er sich mit Sprachen oder Sport. Dass er mit diesem Grundsatz einmal ein Unternehmen aufbauen würde, ahnte er damals noch nicht. Als Gymnasiast war Friedrich Kramer nämlich in den Naturwissenschaften alles andere als eine Leuchte. Sein Abitur machte er darum auch an einem altsprachlichen Gymnasium.
Als es aber später während des Studiums immer mehr um chemische und biologische Zusammenhänge ging, wurde es für den angehenden Agraringenieur ernst: „Ein Kommilitone, der in Chemie richtig fit war, hat mir abends beim Bier die Zusammenhänge erklärt, plötzlich habe ich vieles verstanden“, schmunzelt der Gütersloher. An diesem Abend hat Kramer offenbar seine Faszination für das Zusammenwirken der Substanzen entdeckt: Heute verdient er aufgrund von praxisorientiertem Arbeiten mit mikrobiologischer und chemisch-physikalischer Reinigung von Abwasser sein Geld und hat sogar ein eigenes Verfahren entwickelt, das mittlerweile auf mehreren großen Schlachthöfen Deutschlands und im Ausland eingesetzt wird.
„Intelligente“ Abwasserreinigung nennt Dr. Friedrich Kramer diesen Prozess. Dahinter steht das Prinzip, genau nach Bedarf nur so viele reinigende Chemikalien zum Schmutzwasser dazuzugeben, wie wirklich nötig sind – nicht nach dem Prinzip „Viel-hilft-viel“ vorzugehen. Das macht der Chef des Ein-Mann-Unternehmens in dieser konkreten Form als Einziger weltweit – mit großem Erfolg. Das von ihm entwickelte Verfahren reinigt das Abwasser von Schlachthöfen, bis am Ende die Qualität von Haushaltsabwasser erreicht ist.
Das Abwasser wird zunächst mechanisch mit Sieben und Pressen gereinigt und schließlich sedimentiert und flotiert, um auch noch die feinsten Teilchen abzuscheiden. Normalerweise durchläuft das vorgereinigte Abwasser dann ein Misch- und Ausgleichsbecken, in dem die Brühe dann gesammelt und gerührt wird, um sie gleichmäßig zu durchmischen. Anschließend werden Chemikalien, wie Eisensalze, zugegeben, die die noch vorhandenen Schmutzstoffe wie Blut oder Fett ausflocken. Ein Ausgleichsbecken ist aber bei dem Verfahren von Kramer nicht mehr erforderlich: Das Abwasser durchläuft direkt nach der mechanischen Vorreinigung einen Koagulator als Mess-, Dosier- und Reaktionsstrecke für die Reinigungschemikalien, die dabei nach tatsächlichem Bedarf zugesetzt werden.
„Die Praxis zeigt in beeindruckender Weise, dass sich ein stark schwankender Verbrauch an Chemikalien über den gesamten Zeitraum der Produktion einstellt. Während direkt in der Schlachtphase bis zu zwei Liter Eisensalzlösung pro Kubikmeter Abwasser zur Reinigung des Abwassers benötigt werden, genügen in der anschließenden Reinigungsphase oft Mengen von weniger als einem halben Liter Chemie pro Kubikmeter“, so Kramer.
Sein weltweit einzigartiges Verfahren birgt viele Vorteile: „Das Abwasser wird ganz frisch behandelt, dadurch bildet sich gar nicht erst ein hoher Ammonium-Stickstoffgehalt.
Die riesigen Misch- und Ausgleichsbecken sind nicht mehr erforderlich, dadurch spart man Platz und Betriebskosten, die Geruchsbelästigung entfällt. Es kommt nicht mehr wie bisher zur Über- oder Unterversorgung mit teuren Chemikalien. Je mehr Chemikalien zugesetzt werden, desto mehr Schlamm entsteht auch – der dann wieder teuer entsorgt werden muss. Und schließlich kann man das neue System auch nachträglich in bestehende Abwasserbehandlungsanlagen integrieren“, erläutert Kramer. Und: nach etwa ein bis zwei Jahren hat sich die Investition bezahlt gemacht.
Entscheidende Argumente, die Friedrich Kramer heute pralle Auftragsbücher und einen vollen Terminkalender bescheren. Dennoch will der Ein-Mann-Unternehmer keine Mitarbeiter einstellen: „Ich möchte jedes Projekt und jeden Kunden persönlich kennen, weil ich mit jedem neuen Einsatz wieder neue Erkenntnisse dazu gewinne.“ In der Branche nämlich sei es wichtig, dass man sich untereinander gut kenne.
So arbeitet er mit einigen Kollegen und kleineren Unternehmen, wie Labors und Lieferanten, für die einzelnen erforderlichen Komponenten von Projekt zu Projekt zusammen. Seine Philosophie: Der Kunde muss nur bezahlen, wenn er zufrieden ist und die Anlage läuft. Um die Zukunft braucht Kramer sich auch keine Sorgen zu machen: Denkbar ist, sein Verfahren auch in der Nahrungsmittelproduktion für die Abwasserreinigung bei Fleisch-, Wurst- und Käseverarbeitung, bei Fisch- und Tiernahrung einzusetzen.
Momentan aber braucht Friedrich Kramer über Mangel an Arbeit nicht zu klagen. „Irgendwann werde ich auch mal eine Internetseite haben“, sagt er mit einem Augenzwinkern. „Vielleicht in einigen Jahren, wenn ich weniger zu tun habe.“ SABINE HENSE-FERCH
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