Umwelt 30.06.2000, 17:25 Uhr

Rettung für „bella Venezia“?

Venetien. Das alte Venedig aber ist durch Schadstoffe aus der chemischen Industrie bedroht. Die Firmen wollen bis 2004 ihre Emissionen drastisch reduzieren.

Nicht nur Italienliebhaber werden sich erinnern: 1989 vermieste eine Algenpest an der norditalienischen Adriaküste Millionen Urlaubern die Stimmung. Seither hat sich am Zustand der Gewässer nicht viel gebessert. Am meisten unter der Verschmutzung zu leiden hat Venedig. Hier treffen ein besonders labiles Ökosystem und eine der emissionsstärksten Branchen frontal aufeinander: Gerade mal 10 Bootsminuten sind die Stadt und das „Herz“ der chemischen Industrie Italiens, Porto Marghera, voneinander entfernt.
Die Probleme liegen auf der Hand: Emissionen in Wasser und Luft schaden hier mehr als anderswo, da Kanäle und Lagune über die meiste Zeit des Jahres quasi isoliert sind und von der Reinigungskraft der Gezeiten nur eingeschränkt erfasst werden. Nicht nur die Schadstoffe der Industrie sind seit Jahren eine ernste Bedrohung für Luft und Gewässer. Auch die Landwirtschaft pumpt pestizid- und düngerhaltige Abwässer in die Lagune, dazu kommen die häuslichen Abwässer – bis heute ist nur jeder dritte Haushalt im Großraum Venedig an eine Kanalisation angeschlossen.

Senkung der Emissionen soll Chemie-Standort sichern

Der Druck auf die Industrie wächst. Daher wollen die Unternehmen von Porto Marghera ihren Anteil an der Verschmutzung reduzieren. „Wir müssen Bedingungen schaffen, damit Umweltschutz und die Entwicklung der Firmen nebeneinander möglich sind“, betonte Fabrizio d“Adda kürzlich vor Journalisten am Rande einer Tagung des europäischen Chemieverbandes Cefic mit Sitz in Brüssel.
Dabei liegt dem Präsident von Italiens größtem Chemiekonzern, Enichem, nicht in erster Linie die Lagune am Herzen: Wenn der Standort Marghera nicht zu halten ist, ist auch Enichem gefährdet. Hier an der Lagune produziert das Unternehmen seit Jahrzehnten vor allem Olefine wie Ethylen, Propylen und Toluol, aber auch Dünger und anorganische Säuren, Chlor und Toluoldiisocyanat (TDI) – ein wichtiger Ausgangsstoff für die Herstellung von Polyurethan. Mit rund 3000 Mitarbeitern macht das Unternehmen derzeit einen jährlichen Umsatz von knapp 2 Mrd. DM.
Nicht nur Enichem fürchtet ums Überleben, in Porto Marghera produzieren insgesamt 15 Unternehmen aus Chemie, Erdöl- und Energiewirtschaft, darunter auch die Enichem-Tochter Agip. Sie alle haben gemeinsam mit dem italienischen Umwelt- und Wirtschaftsministerium, den Gewerkschaften, den regionalen und kommunalen Behörden vor gut einem Jahr ein „Übereinkommen für die Chemie in Porto Marghera“ geschlossen. Hauptziel des Abkommens: Die Verschmutzung der Flächen, die Emissionen in die Lagune und die Störfallrisiken sollen drastisch reduziert werden. Dafür verpflichten sich die Unternehmen in Porto Marghera, ihre Anlagen mit der „besten verfügbaren Technik“ nachzurüsten. Besonders alte Anlagen und Anlagen nahe an Wohngebieten sollen stillgelegt werden.
Kein billiges Projekt. Die Firmen planen bis 2004 Investitionen in Höhe von 1,6 Mrd. DM. Der Großteil davon ist gedacht für Maßnahmen, um die Anlagen sicherer zu machen, um Filter nachzurüsten, Altlasten aufzuspüren und zu reinigen, um Abwasserbehandlungsanlagen zu bauen und Prozesse so umzugestalten, dass weniger Müll und Abwässer anfallen.
Den Löwenanteil davon hat als größter Verschmutzer der Lagune Enichem zu tragen: Von den rund 1,1 Mrd. DM sind laut d“Adda bis heute Maßnahmen für rund 500 Mio. DM gestartet. Zu den wichtigsten gehören die Umrüstung der Chlorproduktion auf moderne Membrantechnologie, was die Quecksilberemissionen senken soll, die Modernisierung der TDI-Herstellung – hier vor allem mittelfristig der Verzicht auf das hochgiftige Phosgen – und die Schließung der alten Raffinerie. Auch will Enichem mehr für die Sicherheit der Produktion tun: Seit 1998 wurden die Mitarbeiter in 39 000 Stunden in Umweltschutz und Arbeitssicherheit geschult.

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Erneuerungsprogramm könnte zum Papiertiger werden

Aber es wäre nicht Italien, würde ein Problem einfach durch ein geschriebenes Programm aus der Welt geschafft. Das erste ehrgeizige Erneuerungsprogramm für Italiens Chemie könnte durchaus zum Papiertiger werden: So neu es für italienische Chemie-Manager ist, in „grünen“ Kategorien zu denken, so neu ist es für die italienischen Behörden, geplante Umweltschutzmaßnahmen zu bewerten und zu genehmigen. „Was wir dringend brauchen, ist eine Basis für Industrie und Behörden für eine effektive Zusammenarbeit“, formuliert es d“Adda.
Bisher war die Situation für ein Industrieunternehmen, das in den Umweltschutz investieren wollte, ausgesprochen kompliziert. Für geplante Investitionen erklärte sich auf Behördenseite niemand zuständig, die immens komplexe Prozedur einer Genehmigung ist selbst für Insider oft undurchschaubar, erklärt der Enichem-Chef. Bei Umweltschutzmaßnahmen ist die Situation noch komplizierter: Was entscheiden die Ministerien in Rom, was die Provinzbehörden und was die Regional- und Kommunalämter? Chemie und Behörden von Marghera vereinbarten daher klare Zuständigkeiten für die Maßnahmen innerhalb des Programms. Ein „Überwachungskomitee“ aus Vertretern aller beteiligten Firmen, Behörden und Organisationen soll die Umsetzung des Programms verfolgen und beschleunigen. Außerdem beinhaltet das Übereinkommen die Verpflichtung für die Behörden, über Investitionen innerhalb von 120 Tagen zu entscheiden. C. FRIEDL
In Venedig stoßen zwei Welten frontal aufeinander: Nur durch wenig Wasser getrennt liegen die alte Stadt und das Herz von Italiens Chemieindustrie. Ein Milliardenprogramm soll die Verschmutzung der Lagune durch die Industrie eindämmen.

 

Ein Beitrag von:

  • Christa Friedl

    Redakteurin VDI nachrichten. Fachgebiet: Umweltpolitik, Umwelttechnologien.

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