Osteuropa forscht für die Nachhaltigkeit
VDI nachrichten, Berlin, 2. 10. 08, mg – Ressourcen und Energie werden knapp. Das Erdklima gerät aus den Fugen. Für Forschung und innovative Unternehmen birgt dieses Bedrohungsszenario Chancen. Letzte Woche debattierten Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik in Berlin darüber, wie sie zu nutzen sind.
Wir erarbeiten aktuell unser neues Rahmenprogramm Forschung für Nachhaltigkeit und streben dabei eine Verdopplung des Etats von bisher 160 Mio. € jährlich an“, berichtete Dr. Thomas Rachel letzte Woche in Berlin. Mit dieser Ankündigung eröffnete der parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) das 5. BMBF-Forum Nachhaltigkeit, das auch dem 12. European Roundtable on Sustainable Consumption and Production als Rahmen diente.
Über 500 Experten aus West- und Osteuropa und sowie ein Dutzend Beobachter aus Schwellenländern erörterten drei Tage lang Chancen umwelt- und sozialverträglicherer Produktion, Energieerzeugung, Landnutzung oder Gebäudetechnik. Zudem im Fokus: engere internationale Zusammenarbeit. „Das politische Großereignis im Laufe des ersten Rahmenprogramms war die EU-Osterweiterung“, sagte Rachel. Die neuen Mitgliedstaaten hätten als politische Akteure und bedeutende Wachstumsmärkte massiven Einfluss auf die künftige Entwicklung. Um so wichtiger sei es, den Nachhaltigkeitsdialog gemeinsam zu führen.
„Wir müssen Stärken vernetzen und unsere Zusammenarbeit da konzentrieren, wo wir am meisten erreichen können“, appellierte Rachel an vielfach anwesende Experten aus Mittel- und Osteuropa. Gebot der Stunde sei es, das gestiegene Bewusstsein der Bevölkerung für Klima- und Umweltprobleme zu nutzen.
Maria Elzbieta Orlowska, Staatssekretärin für Wissenschaft und Hochschulwesen in Polen, sieht es ähnlich. „Der Umbau in eine nachhaltige Gesellschaft ist eine riesige Herausforderung, die nur durch enge internationale Kooperation und zusammen mit allen gesellschaftlichen Gruppen zu stemmen ist“, sagte sie. Das funktioniere leider nur sehr langsam, erst recht in der konservativen Gesellschaft Polens. Knackpunkt sei der Transfer aus der oft hervorragenden Wissenschaft und Grundlagenforschung in die Praxis. Hier könne ihr Land durch internationale Kooperation eine Menge lernen. „Die Forschung für Nachhaltigkeit muss neue Wege aufzeigen – in Technik, politischer Vermittlung sowie in der Bildung und Erziehung“, sagte Orlowska.
Anton Anton, Staatssekretär im Ministerium für Bildung, Forschung und Jugend Rumäniens, räumte in Sachen Nachhaltigkeit und -forschung Nachholbedarf seines Landes gegenüber den westlichen EU-Ländern ein. Zugleich drückte er die Hoffnung aus, den Rückstand durch europäische Forschungs- und Wirtschaftskooperationen zügig aufzuholen. Zentrale Handlungsfelder sieht er in der Anpassung der Ver- und Entsorgungsinfrastruktur an EU-Maßstäbe.
Auch der Wissenstransfer aus den Hochschulen in die Gesellschaft stocke, so Anton. Zudem unternehme Rumänien zu wenig, um seine Jugend für Technik, Wissenschaft und Nachhaltigkeit zu begeistern. Als konkretes Gegenmittel stellte er eine Regelung vor, die es rumänischen Wissenschaftlern künftig erleichtern soll, mit Kollegen aus Westeuropa zu kooperieren. „Wenn sie Forschungsgelder aus Westeuropa für so ein Kooperationsprojekt werben, werden wir ohne jede weitere Prüfung kofinanzieren“, erklärte Anton. Sein Ministerium verlasse sich ganz auf die Qualität westeuropäischer Evaluation.
Das Beispiel zeigt, dass osteuropäische Länder viel Vertrauen, den guten Willen und die Bereitschaft mitbringen, sich finanziell in die Nachhaltigkeitsforschung einzubringen. Die vielen Wissenschaftler werden es mit Blick auf ihre chronische Unterfinanzierung sicher gern gehört haben.
PETER TRECHOW
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