Neue Riffe und Mangroven fürs Paradies
VDI nachrichten, Bangkok, 11. 3. 05 – Naturkatastrophen wie Erdbeben oder Hochwasser sind keine Seltenheit in den Anrainerstaaten des Indischen Ozeans. Doch eine Katastrophenplanung gab es bisher kaum. Nach dem Tsunami soll dies nun in Indien, Indonesien und Thailand anders werden, während Malaysia noch zögert.
Natürliche Barrieren wie Korallenriffe, Mangroven und Sanddünen sind der beste Schutz vor Flutwellen“, erklärt Brian Thomson, Ingenieur für Umwelttechnik des Marine Biological Research Centre in Phuket. Sein Zeigefinger deutet auf Satellitenbilder von Südwestthailands Küste vor und nach dem 26. Dezember. Darauf ist zu erkennen, dass ein ausgedehnter Korallengürtel die Inselgruppe Similan schützte, während die Urgewalt des Tsunamis den 40 km östlich gelegenen Badeort Khao Lak buchstäblich dem Erdboden gleich machte.
„Vom Tsunami verschont wurde auch Thailands südwestlichste Provinz Trang“, fährt Thomson fort, „da die nichtstaatliche Yadfon-Vereinigung seit Mitte der 80er die Fischer zum Schutz und zur Rehabilitation des Ökosystems anhält.“ Heute managen schon 30 der 65 Fischerdörfer der Provinz ihre Mangrovenwälder und Riffe selbst. „Kommunales Engagement ist effizienter als staatlicher Umweltschutz“, resümiert Yadfon-Gründer Pisit Chansnoh, „da der Fischer aus Eigeninteresse auf ein gesundes Ökosystem zur Steigerung des Fangs und Einkommens achtet.“
Verständlicherweise hegen Trangs Fischer seit der Flutkatastrophe „ihre“ Mangroven und Seegrase noch eifriger als bisher, während Thailands Premierminister Thaksin Shinawatra sich um das Ökosystem allenfalls im Zusammenhang mit Tourismus sorgt. Die Wiederbelebung der Tourismusindustrie hat Priorität. Für globale Werbekampagnen, eine „umweltbewusste Rehabilitation“ der vom Tsunami zerstörten Strände und die Implementierung von Evakuierungsplänen stellte Thaksin 77 Mio. ? bereit.
Um die Forderungen der Überlebenden, meist arme Fischer, auf Einlösung der versprochenen Hilfe beim Wiederaufbau ihrer Existenzgrundlage, schert sich Thaksin hingegen seit dem Erdrutschsieg seiner Thai Rak Thai Partei in der Parlamentswahl am 6. Februar kaum noch. Schließlich stimmten die Südthailänder als einzige für die Opposition …
Phukets Tauchschulen ist die Fischerei da schon wichtiger. Aus den Küstengewässern fischten die Taucher tausende Tonnen Müll heraus, säuberten Korallenriffe von Sedimenten und Schutt. Nun helfen sie den Fischern mit Spenden. Ende Februar übergab Klaus Orlik, Besitzer der Phuket Tauchschule Poseidon, dem total verwüsteten Fischerdorf Ban Nam Khem 20 Fischerboote.
Das Amt für Meeres- und Küstenrohstoffe wird 3 km vor der Küste für 30 Mio. ? rund 700 wuchtige Betonriffe versenken. Ähnliche Riffe sollen um die malerischen Phi Phi Inseln versenkt werden, wo viele Korallen längst abgestorben sind. Alles in allem schätzt die Regierung die reinen Wiederaufbaukosten der Fischerdörfer und Infrastruktur auf höchstens 30 Mio. ?, da der Tsunami außer Ban Nam Khem an Thailands andamanischer Küste nur noch 29 weitere der insgesamt 418 Dörfer verwüstete.
Bereits ausgebessert sind die Küstenstraßen, so dass das Militär bis Juni bloß noch die einstöckigen Reihenhäuser für die Überlebenden bauen muss. Den Staat kostet der Bau einer 4 m breiten und 9 m langen Standardeinheit 2400 ?. Aus Kostengründen verweigert das Militär bauliche Modifikationen. Statt luftig und geräumig, also dem Klima angepasst, sind die Neubauten für die Großfamilien zu klein und stickig.
„Nicht nur Fischer sondern auch viele Hotels sind zu nahe am Meer“, warnt Sawang Srisakul, Vorsteher des Planungsamtes in Bangkok, „statt der bisherigen 30 m müssen daher Gebäude nach der neuen Zonenplanung mindestens 70 m Sicherheitsabstand zur Hochwassermarke haben.“ Indien schreibt sogar 500 m Abstand vor.
„Natürliche ökologische Barrieren sind der beste Schutz vor Flutkatastrophen“, erklärt Norair Bob Kevorkian, Geschäftsführer von K-Tech Construction & Engineering, „da Tsunami-sicheres Bauen weder praktisch noch wirtschaftlich ist.“ Gegründet im Finanzkrisenjahr 1997, mauserte sich K-Tech zu einem in Südostasien führenden Baukonzern.
Laut Kevorkian haben mindestens zweistöckige Bauten mit massiven Fundamenten, Stahlbetonwänden und Flachdach die größten Chancen, einen Tsunami zu überstehen. „Wer auf Nummer sicher gehen will“, so der Bauingenieur, „der soll wie in Hawaii erst hunderte Meter landeinwärts bauen!“ Daher will das Planungsamt nun den Badehotels vorschreiben, im Erdgeschoss keine Gästezimmer einzurichten.
Ausgerechnet in Khao Lak wehrten sich die Hoteliers am erbittertsten gegen die verschärfte Zonenplanung. Unter diesem Druck gab der Planungschef nach: Ein 30 m breiter Sandstrand zwischen Meer und Ressorts genügt hier weiterhin. „Alle Wände werden auf 20 cm verstärkt“, versichert Aranya Daopiset, Besitzer des Luxusressorts La Flöra in Khao Lak.
Auch die anderen Hoteliers wollen diesmal solider bauen, was in Thailand schon ein großer Fortschritt ist. Und: In den vergangenen Jahren rückten trotz Zonenplanung viele Hotels nach der Formel „idyllischer Privatstrand“ immer näher ans Meer. Auch das wird in Teilen nun anders.
Wie Thailand überbaute auch Malaysia gedankenlos natürliche Barrieren. Der Mangrovenbestand schrumpfte von 30 % der Landesfläche in den 70er Jahren auf heute 2 % oder 650 000 Hektar. Ungewöhnlich schnell reagierte Malaysia aber auf die Katastrophe: Noch vor Neujahr waren die Küstenstraßen repariert, Fischerhäuser wieder aufgebaut und weitere Pneu-Riffe im Küstengewässer westlich von Batu Maung verankert. Gemeinnützige Stiftungen verteilten Boote an die Fischer. Bereits Mitte Januar erinnerte nichts mehr an das Desaster.
Weitsichtiger als Thailand und Indonesien ordnete Malaysias Ministerpräsident Abdullah Badawi auch den sofortigen landesweiten Schutz der Mangroven an und stellte ein Budget für ihre Rehabilitation bereit. Am regionalen Aufbau eines Tsunami-Warnsystems will sich Malaysia jedoch noch nicht beteiligen.
Infolge des verantwortungslosen Kahlschlages der Mangrovenwälder traf der Tsunami Indonesiens Rebellenprovinz Aceh mit voller Wucht. Dort sind die Überlebenden weiterhin traumatisiert, und die Provinzverwaltung funktioniert kaum. Daher werden Schulen, Kliniken und Verkehrsdienste selbst drei Monate nach dem Desaster meist von nichtstaatlichen Organisationen aus dem In- und Ausland betrieben. Staatspräsident Yudhoyono versprach Aceh den Wiederaufbau, doch allein der ökologische Schaden der Mangrovenwälder, Korallenriffe und Seegräser wird auf 522 Mio. ? geschätzt. Aus diesem Grund formulierte die Regierung nun einen Masterplan zur Rehabilitierung der Mangroven.
Parallel dazu begann die Regierung im März außerhalb der Städte Banda Aceh und Meulaboh mit dem Bau von Häusern für 82 000 Familien. In den nächsten Monaten sollen Telekommunikation, Strom- und Wasserversorgung wieder aufgebaut werden. Erst dann werde die dritte Phase mit großen Infrastrukturprojekten anlaufen.
„Ein Tsunami-Frühwarnsystem nach der Strickart des US-Zentrums auf Hawaii für den pazifischen Ozean kann auch in Asien zahllose Menschenleben retten“, mahnt Thomson vom Marine Biological Research Centre, Phuket. Solch ein Warnsystem wird nun nach langen Diskussionen in den Tsunamigefährdeten Anrainern im Indischen Ozean aufgebaut. Thomson ist jedoch skeptisch: „Jedes Warnsystem in diesem Teil der Welt ist nur so effizient wie seine Betreiber …“ URS MÜLLER
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