Klärschlamm wandert künftig komplett in den Verbrennungsofen
Viele Städte und Kommunen fürchten, dass ihnen die Novelle der Klärschlammverordnung drastische Kostensteigerungen beschert. Kraftwerksbetreiber sehen hingegen in der Mitverbrennung des Klärschlamms ein lohnendes Geschäft mit steigenden Preisen in den nächsten Jahren.
Noch landet Klärschlamm aus der kommunalen Entsorgung als preiswerter Ersatzdünger auf dem Acker oder im Landschaftsbau. So werden vor allem in den nordöstlichen Bundesländern Städte und Gemeinden ihren Abfall kostengünstig los.
Auf die Deponie darf unbehandelter Klärschlamm schon seit Mitte 2005 nicht mehr, denn der hat es in sich: Schwermetalle, darunter Quecksilber, Chrom, Blei und andere giftige Verbindungen wie Dioxin oder PFT. „Die Schadstoffbelastung ist generell zurückgegangen“, stellt Claus-Gerhard Bergs, Referatsleiter im Bundesumweltministerium fest.
Das ist keine Entwarnung, denn der Entwurf für die Novelle der Klärschlammverordnung sieht vor, die gültigen Grenzwerte weiter abzusenken: „Für die meisten Schadstoffe wird es auf eine Halbierung hinauslaufen“, so der BMU-Experte kürzlich auf einer Euroforum-Fachtagung in Düsseldorf zum Planungsstand. Mit dem Inkrafttreten eines neuen Gesetzes rechnet er frühestens 2009. Dann soll es auch eine „Gütesicherung“ für Klärschlamm geben. Sie ist mit erheblichen Anforderungen an die hygienische Aufarbeitung verbunden und wird deshalb nicht ganz billig werden. Georg Grunwald, Geschäftsführer der Hansewasser Bremen, rechnet mit zusätzlichen Kosten in Höhe von 37 Cent/t bis 46 Cent/t.
Die Überwachung der neuen Aufgabe soll an einen von den Landesbehörden zugelassenen Qualitätssicherungsdienstleister delegiert werden. „Für die meisten Kommunen und Städte dürfte dies faktisch das Aus für die bisherige Entsorgungspraxis bedeuten“, glaubt Grunwald.
Eine Entwicklung, die durchaus im Sinne des Gesetzgebers ist. Von den 2,2 Mio. t organischer Trockenmasse aus kommunalem Klärschlamm wandern derzeit rund 40 % in die Verbrennung. Das wollen die Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg sogar vorschreiben.
Aus ökologischer Sicht sei die Verbrennung von Klärschlamm in Kraftwerken sinnvoll, stellt das Heidelberger Institut für Energie- und Umweltforschung (Ifeu) in einer Untersuchung im Auftrag des Umweltbundesamtes fest.
In der ökobilanzierenden Studie geht das Institut davon aus, dass Klärschlamm – vor allem aus der biologischen Abwasserbehandlung kommunaler Anlagen – überwiegend aus organischer Biomasse besteht und somit eine Form regenerativer Energie darstellt. Getrocknet besitzt Klärschlamm etwa den gleichen Energieinhalt wie Braunkohle.
„Die thermische Entsorgung sollte aus energetischen Gründen Priorität haben. Die Mitverbrennung von Klärschlämmen bringt erhebliche Vorteile bei der CO2-Bilanz“, sagt Ifeu-Projektleiter Horst Fehrenbach.
Tatsächlich haben die vier großen deutschen Kraftwerksbetreiber E.on, EnBW, RWE und Vattenfall die Kapazitäten in den vergangenen zehn Jahren von 100 000 Jahrestonnen auf 700 000 Jahrestonnen ausgeweitet. Inzwischen verbrennen acht Braun- und 18 Steinkohlekraftwerke Klärschlämme zusammen mit Kohle. Alle Kraftwerke verfügen über eine leistungsfähige Filtertechnologie. Für die Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg, NRW und die Stadtstaaten Berlin und Hamburg ist die Klärschlammverbrennung schon jetzt der wichtigste Entsorgungsweg. Wenn auch nicht der billigste. Derzeit lägen die Mitverbrennungspreise bei 40 €/t bis 50 €/t, sagt Harald Hanßen, Leiter Instandhaltung bei der Hamburger Stadtentwässerung.
Bei steigender Nachfrage fürchtet Hanßen deutliche Preiserhöhungen für die Mitverbrennung. Dabei sei mit einer zusätzlichen Kapazitätsverknappung zu rechnen. Diese folge aus den Erfordernissen einer optimierten Kraftwerkstechnik.
„Kohlekraftwerke mit sehr hohen Wirkungsgraden sind nicht auf die Mitverbrennung von Klärschlamm zugeschnitten“, so Hanßen. Schon jetzt drängen 650 000 t Klärschlamm pro Jahr in speziell ausgelegte kommunale Monoverbrennungsanlagen, darunter auch Industrieschlämme. Hier liegen die Preise wegen des größeren technischen Aufwands mit 50 €/t bis 60 €/t noch höher.
Da sich Monoverbrennungsanlagen, von denen derzeit 15 in Betrieb sind, an den Preisen der Mitverbrennung in Kohlekraftwerken orientieren, sei ein weiterer Ausbau der relativ teuren Technik kaum zu erwarten, so Harald Hanßen. Mit deutlichen Preissteigerungen für die Klärschlammentsorgung rechnet auch das Bremer Marktforschungsinstitut Trendresearch, das sich in einer Studie auf Umfragen unter den Kraftwerksbetreibern stützt: „Um die 70 €/t sind bei der Mitverbrennung bis 2020 drin“, sagt Projektleiter Sebastian Koch.
Nach Berechnungen des Bundesumweltministeriums (BMU) würde die Komplettumstellung auf thermische Entsorgung den Abwasserpreis zwischen 10 Cent/m3 und 25 Cent/m3, vereinzelt um bis zu 50 Cent/m3 belasten. „Wir rechnen mit Kosten für Technik und Infrastruktur von insgesamt rund 900 Mio. €“, so BMU-Experte Bergs.
Dass die Mitverbrennung für die Kraftwerksbetreiber dennoch lukrativ ist, beweist das Beispiel des sächsischen Braunkohlekraftwerks Lippendorf. In den Ausbau hat Vattenfall rund 12 Mio. € investiert. Außer Einnahmen für die Mitverbrennung bringt das dem Betreiber auch eine Gutschrift von 1,8 t CO2 pro mitverbrannter Tonne Klärschlamm. Ein ökonomisch und ökologisch lohnendes Geschäft.
SILVIA VON DER WEIDEN
Um die 70 €/t sind bei der Mitverbrennung von Klärschlamm bis 2020 drin
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