Kampf gegen den Schlamm
Das Wasser fließt ab, der braune Schlamm bleibt. Überall in den Hochwassergebieten riecht es nach Verwesung, Öl, Fäkalien. Unter Hochdruck wird die zähe Masse abgetragen und auf Deponien verfrachtet. Der braune Schlamm ist überall – in Grimma auf dem Marktplatz ebenso wie im Dresdner Zwinger, auf den Straßen und Wegen ebenso wie im Fußballstadion, auf den Feldern, in den Kellern und Wohnungen. Das Braun zeigt an, wie hoch das Wasser stand. Und der Schlamm stinkt bestialisch, nach Verwesung ebenso wie nach Diesel und Heizöl.
Aus Wohnungen und Geschäften wird Sperrmüll auf die Straße geworfen. In Bergen liegt er am Straßenrand. Was noch vor wenigen Tagen Heimat und Broterwerb vieler Menschen war, das ist zerstört. Waren wurden unbrauchbar, Mobiliar kann meist nur noch weggeworfen werden.
Für die Entsorgung sind die Landkreise und Kommunen verantwortlich, heißt es im sächsischen Umweltministerium. Sämtliche Containerdienste sind im Einsatz. Wer ihre Tätigkeit finanziert, ist momentan noch nicht geklärt. Die Staatsregierung hat die Betreiber öffentlicher Mülldeponien angewiesen, durch Hochwasser zerstörtes Material als Hausmüll kostenlos entgegenzunehmen. Auch der Schlamm gilt nicht als Sondermüll, darauf haben sich die zuständigen Minister geeinigt.
Doch nicht überall können die Aufräumarbeiten begonnen werden. Etliche Straßen sind nicht mehr befahrbar. In Grimma beispielsweise schiebt das Technische Hilfswerk mit Radladern dicke Schichten Schlamm beiseite, damit die Straßen wieder passierbar werden.
Die tobenden Wassermassen haben alles verschlungen – Hausrat, Papiere, Zäune und Baugerüste, Baumstämme, ganze Häuser, Vieh, das nicht schnell genug von der Weide getrieben werden konnte, Autos, ja, sogar Lastkraftwagen. In Glashütte wurde der Asphalt von den Straßen geschwemmt, in Tharandt fraß die Flut einen Bahndamm, anderswo riss sie Brücken mit sich.
Jetzt sinkt das Wasser, und allmählich wird sichtbar, welche Fracht es mitgebracht hat, welche Schäden zu beklagen sind. Viele Gebäude sind so schwer beschädigt, dass sie nur noch abgerissen werden können – mit allem, was darin geblieben ist.
Die Bürger räumen ihre verwüsteten Geschäfte, Wohnungen und Häuser leer. Dabei helfen ihnen Nachbarn, die selbst verschont geblieben sind. Tatkräftig packen auch das Technische Hilfswerk und die Bundeswehr mit an. Die Arbeit ist schwer, die Fortschritte minimal. Die Nerven liegen blank, Gaffer sind nicht gern gesehen. Da kann es schon passieren, dass ein Fotoapparat im Wasser landet.
Bewohner der vom Hochwasser betroffenen Städte und Gemeinden reagieren auf Katastrophentouristen mit Aggressionen: „Glotzt nicht, greift mit zu!” Auch Politiker auf Wahlkampftour werden mit wenig Begeisterung empfangen.
Welche Mengen an Schlamm und Sperrmüll in den nächsten Wochen zu entsorgen sind, darüber vermag derzeit niemand Auskunft zu geben. Ein Wettlauf mit der Zeit hat begonnen: Der braune Schlamm, der alles bedeckt, wird zunächst zäh wie Kleister, so dass er kaum noch aus dem Eimer zu kriegen ist, und später hart wie Beton.
„Der fäkalienhaltige Schlamm muss dort, wo das Hochwasser bereits zurückgegangen ist, möglichst innerhalb von zwei Tagen auf die Mülldeponie gebracht werden. Bei den derzeit hohen Temperaturen können sich sonst Krankheitsherde bilden”, sagte Sachsens Umweltminister Steffen Flath.
Regelmäßig wird das Wasser der Flüsse kontrolliert. In den Proben fanden sich bisher keine Giftstoffe. Die Quecksilber- und Dioxinkatastrophe, die Umweltschützer befürchteten, ist zum Glück ausgeblieben.
Die sächsischen Chemiebetriebe hat die Flut verschont. So mancher Heizöltank jedoch wurde hinweggeschwemmt, so manches Auto vom Strom zermalmt. Auf dem Wasser treiben Öllachen.
Spezialisten sollen sich um ihre Beseitigung kümmern, wenn der Pegel weiter gesunken ist. „Wir können uns um die Probleme nur schrittweise kümmern”, unterstreicht Flath. „Ich erwarte von den Bürgern, dass sie den Feuerwehren jetzt bei der Schlammbeseitigung helfen. Alles andere kommt später.“ ANKE MÜLLER
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