Innovative Methoden für Hochwasserschutz
VDI nachrichten, Trier, 5. 10. 07, swe – Nachdem in den letzten Jahren Hochwasser in Deutschland stärker in den Blickwinkel der Öffentlichkeit gerückt sind, machen sich Fachleute Gedanken, wie durch einen intelligenten Mix und Steuerung von Einzelmaßnahmen den verschiedenen Hochwassertypen am besten begegnet werden kann. Um zu verhindern, dass vor allem wegen der kurzen Vorwarnzeit größere Mengen Oberflächenwasser in kleinen bis mittleren Einzugsgebieten bedeutende Schäden anrichten, bieten sich zum Beispiel verschiedene Möglichkeiten der Landnutzung.
Dezentrale Landnutzungsmaßnahmen wirken in der Regel unmittelbar und vor Ort, also in kleinen Einzugsgebieten“, weiß Gebhard Schüler, Professor an der Forschungsanstalt für Waldökologie und Forstwirtschaft im pfälzischen Trippstadt. Schüler leitet das EU-Projekt „Wasserrückhalt durch angepasste Landnutzung“, kurz Warela, innerhalb dessen Strategien für den Umgang mit der Hochwasserproblematik entwickelt werden sollen. Anfang letzter Woche trafen sich beteiligte Forscher zu einem Symposium in Trier an der Mosel.
„Bei Warela geht es im Prinzip darum, innovative Ideen zum Hochwasserschutz zu kreieren“, sagt Schüler. Er verweist dabei auf die nach Detailuntersuchungen des Geländes, der Abflussprozesse und anderer Faktoren samt Raumdaten ausgewählten Maßnahmen hin.
Je nach Situation müssen Lösungen in der Landwirtschaft, Forstwirtschaft und dem Siedlungsbau realisiert werden. Bodenverdichtungen durch schwere Fahrzeuge stellen zum Beispiel ein wichtiges Problem der Forst- und Landwirtschaft dar. Naturnahe Waldbewirtschaftung und Lockerung des Ackerbodens bis in 1 m Tiefe hingegen sind effektive Gegenmaßnahmen zur Steigerung des Wasserrückhaltes.
Effektive örtliche Maßnahmen zum Hochwasserschutz sind oft unspektakulär und sprengen nicht zwangsläufig Budgets, es geht um andere Herangehensweisen, schon in der Planungsphase. So können sich Gemeinden den Bau von Kleinrückhaltebecken als Ausgleichsmaßnahmen gutschreiben lassen (Stichwort Ökokonto). Oberflächenwasser im Siedlungsbereich sollte nach Möglichkeit dort verbleiben und nicht in Mischkanalisationen abgeführt werden.
Viele Maßnahmen stellen keine zusätzlichen Kostenfaktoren dar, sondern erfordern lediglich ein Umdenken bei der Planung von Infrastrukturen. So sollten tiefe Gräben entlang der Wege einst das Oberflächenwasser schnell ableiten. Ein Rückbau der nun in die Landschaft flach auslaufenden Gräben und somit ein Wiedereinleiten des Wassers in die Landschaft bieten ein sehr hohes Wasserrückhaltepotenzial ohne nennenswerte Mehrkosten.
Eine andere Möglichkeit des effektiven Hochwasserschutzes sind neben den Wegen ausgehobene Versickerungsgruben, in denen sich alle 30 m oder alle 60 m das Oberflächenwasser sammelt. Im Winter sind diese Maßnahmen wegen des gesättigten und gefrorenen Bodens weniger effektiv. Sie weisen hingegen bei Sommerniederschlägen wie heftigen Gewittern einen hohen Wirkungsgrad auf.
Forstwirtschaftliche Maßnahmen sind zum Beispiel die Vermeidung von Kahlschlag und die Aufforstung mit Mischwald sowie unterbrochene lineare Strukturen im Wald. Alle diese Methoden senken den Wasserabfluss und damit sinkt das Überschwemmungsrisiko.
„Ich denke, dass solche Maßnahmen bei kleinen Wetterereignissen eine bedeutende Rolle spielen, bei großen Ereignissen aber weniger Bedeutung haben“, unterstreicht Ian Calder den Wirkungsgrad von Aufforstung. Der Professor und Direktor des Forschungszentrums für Landnutzung und Wasserressourcen, Bauingenieurwesen und Geowissenschaften an der englischen Universität Newcastle upon Tyne dokumentierte in seinem Einführungsvortrag zu der Trierer Tagung anhand weltweiter Beispiele von Hochwasserkatastrophen die Wirkungsweise von Aufforstungsmaßnahmen.
Seine Erkenntnis: Angepasste Landnutzungsmaßnahmen können Polder, Dämme und ähnliche Schutzeinrichtungen an den Flüssen ergänzen, aber nicht ersetzen, da bei großen Wetterereignissen oder gefrorenen Böden die Aufnahmefähigkeit der Böden begrenzt ist.
Das durch EU-Gelder geförderte Interreg III B Projekt „Warela“ wurde rund vier Jahren lang vom Fachbereich Geographie/Geowissenschaften Abteilung Fernerkundung der Universität Trier koordiniert. Für die praktische Umsetzung von Maßnahmen aus dem Warela-Projekt existiert ein Werkzeug zur Ökoeffizienzanalyse, mit dem der jeweilige Nutzer sich seine Maßnahmen schneidern kann.
Die Daten des Projekts basieren auf genauen Analysen des Einzugsgebiets, wobei man im jetzigen Stadium noch auf Modelle angewiesen ist. Das Projekt läuft zwar Ende des Jahres aus, doch folgt ein umfangreiches Follow-up. Die neuen Erkenntnisse sollen zum Beispiel bei Fortbildungsmaßnahmen für Forstwirte genutzt werden.
PASCAL WITRY
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