Informations- und Kommunikationstechnologien helfen, den CO2-Ausstoß erheblich zu reduzieren
IKT-Technologien helfen anderen großen Industrien dabei, deren CO2-Emissionen massiv zu senken. McKinsey-Partner Markus Löffler, der die IT-Infrastruktur-Practice bei McKinsey in Europa leitet, zeigt in folgendem Beitrag die Handlungsoptionen auf und formuliert Forderungen an Wirtschaft, Politik und Verbraucher.
Bisher gab es noch keine Untersuchung, die umfassend den Beitrag von Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) zum weltweiten Ausstoß von Treibhausgasen untersucht und gleichzeitig deren Potenzial zur Lösung dieses Problems darlegt hat. Genau dies hat McKinsey für den Auftraggeber „The Climate Group“ und die „Global eSustainability Initiative“ (GeSI, www.gesi.org) mit der Studie „SMART 2020“ getan.
Die beiden Kernaussagen von „SMART 2020“ sind einfach, aber weitreichend: Einerseits dürfte sich die IKT-Branche durch ihr rasches Wachstum bis 2020 zu einem der größten Treibhausgasemittenten weltweit entwickeln. Andererseits ist sie ein notwendiger Enabler für den Klimaschutz: Ohne IKT ließe sich ein Großteil der Einsparpotenziale in den meisten anderen Branchen nicht realisieren.
Um dies zu verifizieren, haben wir uns auf vier Branchen konzentriert: Bau, Transport, Energie und Fertigung. Dabei haben wir einerseits untersucht, wie mit IKT die Energieeffizienz von Geschäftsprozessen gesteigert werden kann, andererseits, wie die Nutzung physischer Medien durch die Digitalisierung von Geschäftsprozessen dematerialisiert werden kann.
Das Ergebnis: IKT könnte bis 2020 helfen, in diesen Segmenten Treibhausgas-Emissionen in einem Umfang von 7,8 Gt des CO2-Äquivalenzwerts CO2e zu vermeiden – der Äquivalenzwert CO2e wurde entwickelt, um das Treibhauspotenzial auch anderer Treibhausgase einfach vergleichbar zu machen. 7,8 Gt CO2e entsprechen 15 % der heutigen, menschgemachten Treibhausgas-Emissionen weltweit. Und dabei haben wir bestimmte Vermeidungsstrategien noch gar nicht mit einbezogen.
Auf das Konto der durch IKT-Techniken neu geschaffenen Belastung hingegen gehen heute rund 0,86 Gt CO2e- Ausstoß, das sind 2 % des globalen Treibhausgas-Ausstoßes. Im Jahr 2020 werden es 1,54 Gt CO2e sein, also immerhin 3 % aller Treibhausgase. Der massive Einsatz von Vermeidungsstrategien der IKT-Branche wurde hierbei bereits berücksichtigt
Ein Großteil dieser Zuwächse ist auf das Wachstum der IKT-Märkte in Schwellenländern wie Indien und China zurückzuführen. Die IKT wird im Jahr 2020 in der Klimadiskussion ganz anders dastehen als heute. Heute konzentriert sich die Diskussion z. B. auf die Luftfahrt, die IKT steht außen vor, dabei wird es jedoch nicht bleiben.
Es bieten sich enorme Marktchancen für diejenigen, die grünere Lösungen anbieten können. Wer diese Debatte verschläft, hat später ein echtes Problem. Es hat sich bereits in der Studie abgezeichnet, dass es in diesem Punkt schon heute große Unterschiede zwischen den Marktteilnehmern gibt.
Viel wichtiger als die negativen Effekte der direkten Treibhausgas-Emissionen durch IKT sind aber die positiven Effekte, welche sie in ihrer Vermeidungsfunktion für andere Branchen entfalten kann.
Sieht man sich die im letzten Jahr vorgestellte McKinsey-Studie für ein Klimaschutzszenario in Deutschland an, dann findet man zum Beispiel dort nur sehr wenige Maßnahmen, die ohne Informationstechnik auskommen. Ein Großteil davon ist essenziell an IKT gekoppelt.
Wie IKT in anderen Branchen hilft, den Klimaschutz zu fördern
Ein Beispiel sind die so genannten Smart Grids im Energiesektor. Sie beruhen auf Informationsmanagement im ureigensten Sinne. Weltweit gesehen ließen sich durch Smart Grids beispielsweise durch effizientere Leitungsnetze oder durch intelligente Reduzierung der Leistungsreserven bis 2020 pro Jahr 61 Mrd. € durch Energieeinsparungen erwirtschaften und 2,03 Gt CO2e-Emissionen vermeiden.
Im Bereich der Motorsteuerung und industrieller Prozesse spielt IKT vor allem eine Rolle in der Regeltechnik. Alleine in Chinas Fabriken ließen sich mit IKT durch die Steigerung der Energieeffizienz von Motoren jährlich 200 Mt CO2e einsparen – so viel Treibhausgas, wie die Niederlande heute jährlich ausstoßen. Weltweit könnte durch energieeffizientere Motoren ein Einsparpotenzial von jährlich 0,68 Gt an CO2e-Emissionen erzielt werden.
Beim Bau spielen Smart Buildings eine große Rolle – mehr Gebäudeeffizienz etwa bei Heizung, Licht und Lüftung. Hier spielt die IKT-Infrastruktur eine große Rolle. Weltweit lassen sich bis 2020 1,68 Gt CO2e-Emissionen pro Jahr damit einsparen. Durch verbesserte IKT-basierte Logistiksysteme sind weitere 1,52 Gt CO2e vermeidbar.
Noch mehr Treibhausgas-Emissionen in Höhe von 0,5 Gt CO2e jährlich lassen sich durch Dematerialisierung vermeiden. IKT virtualisiert hier reale Produkte und Prozesse. Damit sind zum Beispiel Videokonferenzen statt Dienstreisen gemeint, aber genauso gut der Musik-Download über das Internet im Vergleich zur gekauften CD.
Was müssen wir jetzt tun? Für Wirtschaft, Politik und Verbraucher ergeben sich verschiedene Aufgaben.
Handlungsoptionen Wirtschaft:
1. Sowohl die großen Nutzer wie die Bereitsteller von IKT, die Provider, müssen sich klar werden, welchen Anteil auf der Verursacherseite sie bei den Treibhausgasemissionen haben und entsprechend agieren. Diese Verantwortung übernehmen heißt, dass sie am öffentlichen Diskurs teilnehmen, wie andere Verursacherindustrien das auch tun, etwa die Luftfahrt. Die IKT-Branche ist dort derzeit noch nicht angekommen.
2. Die IKT-Wirtschaft sieht sich möglichen Marktchancen und Marktstrategien gegenüber, die eine Steigerung der Energieeffizienz geradezu erzwingen. Sie muss ihr Produkt- und Serviceangebot entsprechend darauf ausrichten. Stromfressende Server wird man nicht mehr verkaufen können. Als IT-Outsourcing-Provider wird man sich überlegen müssen, wie der Strom für die großen Rechenzentren erzeugt wird und muss diese Information in die Standortentscheidung miteinbeziehen. Als großer Systemintegrator kann man keine Großprojekte mehr planen, ohne sich über die entstehenden Treibhausgas-Emissionen Gedanken zu machen. Das wird eine strategische und operative Notwendigkeit sein.
Handlungsoptionen Politik:
1. Die Politik muss nicht nur Hürden für Innovationen abbauen – sie muss sich auch überlegen, wie man Innovationen in diesem Bereich fördern kann. Das ist nicht trivial – vor allem, wenn man sich ansieht, dass es teilweise gut gemeinte „Stromspar-Vorschriften“ gibt, die der Entwicklung energieeffizienter Produkte und Dienstleistungen aber tatsächlich entgegenlaufen.
2. Die Politik muss mit gutem Beispiel vorangehen. Es gilt die Energieeffizienz von Verwaltungen, Behörden und staatlichen Betrieben zu erhöhen. Die am wenigsten konsolidierten Rechenzentren in Deutschland haben wir in der Behördenlandschaft, die ältesten PCs, die Systemadministrationsprozesse mit dem geringsten Automatisierungsgrad.
Auch die Energieeffizienz der IT in der Bundeswehr hat im Vergleich zur Wirtschaft noch starken Optimierungsbedarf. Ein Beispiel wäre das Beschaffungsprojekt Herkules für eine neue IKT-Struktur und -Ausstattung der Bundeswehr. Hier sollte die Bundesregierung als öffentlicher Großinvestor mit gutem Beispiel vorangehen.
Handlungsoptionen Verbraucher:
Hauptbringschuld des Verbrauchers, ob privat oder im Beruf, ist die verantwortliche Produkt- und Serviceauswahl. Der Verbraucher hat die Macht, aber auch die Verantwortung, ökologisch sinnvolle Produkte und Dienstleistungen auszuwählen. Allerdings zeigen die bisherigen Erfahrungen, dass Kaufentscheidungen beim Endkunden in der Regel wenig an die Energieeffizienz gekoppelt sind. Das gilt für Privatkunden ebenso wie für Geschäftskunden bei der Ausstattung ihrer Arbeitsplätze.
Hier muss sich der Gesetzgeber Gedanken über regulatorische Maßnahmen machen. Aber auch die Unternehmen könnten hier Vorgaben zur Beschaffung machen. So haben viele Unternehmen heute eine Verbrauchskomponente bei der Anschaffung von Dienstwagen, solche Vorgaben brauchen wir auch für die Büroausstattung.
Nutzer und Anbieter von IKT müssen maßgeblich zu einer Reduktion der Treibhausgasemissionen beitragen – das ist nicht nur ein Gebot des Umweltschutzes, sondern auch der Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit. MARKUS LÖFFLER
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