Getränkekartons auf dem ökologischen Mehrweg
Wenn der Bundesrat am 7. November der neuen Verpackungsverordnung zustimmt, wird allein die ökologische Beurteilung ausschlaggebend sein für die Pfandpflicht. Das freut die Hersteller von Einweg-Getränkekartons, die als „ökologisch vorteilhaft“ eingestuft sind.
Mit der alten Hausfrauen-Meinung „Mehrweg ist gut, Einweg ist schlecht!“ kann keiner mehr in Zukunft sein ökologisches Gewissen beruhigen. Die Novelle der Verpackungsverordnung, die schon im Juli vom Bundestag verabschiedet wurde, berücksichtigt Ergebnisse von Ökobilanzen, die Umweltbundesamt-Präsident Andreas Troge so formuliert: „Mehrweg bleibt in absehbarer Zukunft Einweg überlegen. Getränkekartons bilden allerdings eine Ausnahme.“
Wenn es der Umweltausschuss des Bundesrats (mit Beratung des Wirtschaftsausschusses) empfiehlt, wird die Plenarsitzung am 7. November der veränderten Verpackungsverordnung zustimmen (siehe auch Seite 5 dieser Ausgabe: „Einweg-Pfand dreht noch viele Kreise“).
Als auslösendes Element für die Pfandpflicht soll nicht mehr die Mehrwegquote ausschlaggebend sein oder die Art des Getränks. Einweggetränke werden dann generell mit Pfand belegt ausgenommen sind ökologisch vorteilhafte Verpackungen wie Getränkekartons und Schlauchbeutel sowie wie bisher Wein, Spirituosen, Milch- und Diätgetränke.
Bayern und andere unionsgeführte Länder machen ihre Zustimmung im Bundesrat u. a. von einer Innovationsklausel abhängig: Neue, ökologisch vorteilhafte Verpackungen sollen in die Verordnung aufgenommen werden, ohne dass Bundestag und Bundesrat darüber abstimmen müssen.
„Es wird langsam Zeit, dass unsere Arbeit und unsere Vorleistungen anerkannt werden“, sagt Wilhelm Wallmann, Geschäftsführer des Fachverbands Kartonverpackungen für flüssige Nahrungsmittel (FKN), Wiesbaden. In Deutschland werden jährlich über 7 Mrd. Liter Milch, Fruchtsäfte und andere flüssige Nahrungsmittel in 9,3 Mrd. Getränkekartons abgefüllt, die zusammen 200 000 t wiegen.
Vom gesamten Hausmüllaufkommen (inkl. Wertstoffe) in der Bundesrepublik seien dies nur 0,5 %, merkt Wallmannn an. Jeder Bundesbürger verbrauche im Durchschnitt zwar 2,3 kg Getränkekartons im Jahr, pro 1 l Inhalt fallen aber nur 26 g Verpackung an. Denn durch Reduktion des Papieranteils beträgt das Flächengewicht inzwischen nur noch 220 bis 280 g/m2.
In Deutschland läuft das Recycling auf Hochtouren und leistet damit einen positiven Beitrag zur Ökobilanz der Verpackungen. Im Jahr 2002 wurden 140 539 t gesammelt, teilt die ReCarton, Gesellschaft für Wertstoffgewinnung aus Getränkekartons mbH, Wiesbaden, mit. Sie ist Abnahme- und Verwertungsgarantiegeber für Flüssigkeitskartons und Vertragspartner des Dualen Systems. Aus den Getränkekartons werden neue Produkte hergestellt, z.B. Wellpappe (26 %), Faltschachteln (38 %), Hülsenkarton (34%).
ReCarton ist ein 100?%iges Tochterunternehmen des Fachverbands FKN, in dem die Verpackungshersteller Tetra Pak, SIG combibloc und Elopak zusammengeschlossen sind. ReCarton hat mit mehreren Papierfabriken Abnahmeverträge abgeschlossen.
In der Papierfabrik Roman Bauernfeind in Raubling bei Rosenheim werden die Sammelmengen aus dem süddeutschen Raum verarbeitet (Kapazität: 50 000 t/a). Vorwiegend aus Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Hessen und dem Saarland stammen die 50 000 t Getränkekartons, die von der N?+?R Getränkekarton Recycling GmbH jährlich übernommen werden. An dem Unternehmen in Kreuzau bei Aachen sind ReCarton und die Papierfabrik Niederauer Mühle zu gleichen Teilen beteiligt.
Dritter im Bunde als Abnehmer gebrauchter Getränkeverpackungen aus Deutschland ist die finnische Corenso United Oy, die in Varkaus, 300 km nordöstlich von Helsinki, eine Recyclinganlage mit einer Jahreskapazität von über 70 000 t betreibt.
Warum ausgerechnet in Finnland? Corenso ist eine 71?%-Tochter von StoraEnso, einem Forstindustriekonzern, mit 15 Mio. t weltgrößter Hersteller von Papier und Pappe vor International Paper und UPM-Kymne. Und: StoraEnso ist der größte Rohkarton-Lieferant von Tetra Pak, Elopak und SIG combibloc. Um der Produktverantwortung nachzukommen, wurde eine Anlage zur Zellstoffrückgewinnung errichtet.
Auch handfeste wirtschaftliche Gründe waren ausschlaggebend. „Als Hersteller von Spezialkarton für Wickelhülsen brauchten wir qualitativ hochwertigen Rohstoff, den wir fast ausschließlich aus Birkenfrischfasern gewonnen haben“, erklärt Einkaufschef Jukka Auvinen. Durch den Einsatz gebrauchter Getränkekartons, die aus reißfesten Primärfasern bestehen, kann heute auf frischen Zellstoff verzichtet werden, ohne dass die Qualität leidet. Der zu Hülsen gewickelte Karton muss bei der Rotation tonnenschwerer Papier-, Textil- oder Kunststoffrollen Zentrifugalkräfte entsprechend 20 g standhalten.
Aus gebrauchtem Karton entsteht so „neuer“ Karton. Aber was wird aus dem Polyethylen und Aluminium, die als Sperrschicht beim Getränkekarton dienen? In Deutschland werden beide als Brennstoff bzw. als Zuschlag in der Zementproduktion verwendet, da der Aluminiumgehalt der verarbeiteten Tonerde meist nicht ausreicht, um den Klinker richtig erstarren zu lassen.
Corenso im finnischen Varkaus entwickelte ein Verfahren, um auch noch das Aluminium einer höherwertigen werkstofflichen Verwertung zuzuführen: Es wird als Metall zurückgewonnen und den Al-Hütten für Gusslegierungen verkauft. S. KÄMPFER
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