Die „Wiege der Shell“ wird saniert
Im Süden von Düsseldorf, wo der Ölkonzern seinen ersten Standort in Deutschland hatte, geht in diesen Tagen eine der modernsten Bodensanierungsanlagen in Betrieb.
Die Sonne brennt heiß vom Himmel. Karl-Heinz Gebhardt schlüpft trotzdem in seine gefütterte violette Arbeitsjacke, schnürt die Sicherheitsschuhe und stülpt den Helm über, bevor er zum Rundgang über das Gelände im Stadtteil Holthausen aufbricht. „Sicherheit hat oberste Stufe“, betont der Koordinator für Altlastensanierungen der Deutschen Shell. Unwillkürlich hält das Auge Ausschau nach ein bißchen Schatten. Doch den gibt es hier nicht. Das Gelände ist bis zum Horizont planiert und abgedeckt.
Unter dieser Decke schlummern die Lasten der Vergangenheit. Mehrere Unternehmen betrieben auf dem rund 100 000 m2 großen Gelände zwischen 1902 und 1958 eine Raffinerie, die zuletzt 56 000 t Benzin und Kerosin im Jahr produzierte. Später baute die Shell hier ein großes Tanklager, das bis 1987 in Betrieb war.
Die Leckagen über die Jahrzehnte waren enorm. Vor allem im zweiten Weltkrieg gelangten große Mengen an Kohlenwasserstoffen ins Erdreich, als Bomben die Anlagen trafen. Resultat: 38 000 m2 Boden sind stellenweise bis in 15 m Tiefe kontaminiert. Wo die alten Tanks standen, fanden die Gutachter Mengen bis zu 15 g Kohlenwasserstoffe pro kg. Das Grundwasser ist mit Gehalten bis zu 6 mg pro l verunreinigt. Auch Benzol, das den Kraftstoffen zugesetzt wurde, findet sich an vielen Stellen, im Grundwasser mit Konzentrationen bis zu 1 mg pro l, im Boden bis zu 1000 mg pro kg.
Dennoch geht Gebhardt die Sache recht gelassen an. Untersuchungen der Technischen Gesellschaft für Umweltschutz, Koblenz, und der Düsseldorf Consult haben ergeben, daß unter dem Gelände eine ortskonstante Kontamination liegt. „Durch die Bewegungen des naheliegenden Rheins wird das Grundwasser mal rein-, mal rausgedrückt“, erläutert Gebhardt. Dazu kommt, daß Kohlenwasserstoffe im Wasser schwer löslich sind, was deren Verschleppung erschwert. Nicht zuletzt halten Bodenbakterien in Randzonen, wo die Konzentrationen niedrig sind, durch biologischen Abbau die Schadstoffe in Grenzen.
Die Gelassenheit freilich hatte Gebhardt in den vergangenen Jahren nicht immer. Seit 1991, als die Hauptanalysen begannen, debattierten Gutachter und Behörden der Stadt mit Shell über den besten Weg zur Sanierung. „Da gab es Gutachten und Gegengutachten, das ging so über Jahre“, erinnert sich der Altlastenexperte. Am Ende schließlich stand ein Sanierungskonzept, das Shell gemeinsam mit Düsseldorf Consult, der Aachener Firma Caro Biotechnik und dem Büro Dr. Tillmanns & Partner, Bergheim, ausgearbeitet hat. Innerhalb der kommenden zwei bis vier Jahre sollen sowohl Boden als auch Grundwasser gereinigt werden. Kostenpunkt: 20 Mio. DM. Die Sanierungstechniken, meldet die Stadt Düsseldorf, wurden in dieser Kombination und Größe bisher noch nicht eingesetzt.
Die Sanierungsanlage besteht im wesentlichen aus zwei Teilen: Die Bodenluft wird aus dem knapp 50 000 m2 großen Gelände, von dem etwa drei Viertel belastet sind, über 400 Saugbrunnen abgesaugt. Über Sammelleitungen gelangt die Luft in eine auf dem Gelände gebaute Anlage, wo die Kohlenwasserstoffe bei rund 800 °C verbrennen. Damit der mit Erdgas gefeuerte Ofen ökonomisch arbeitet, muß die Bodenluft immer ausreichend Kohlenwasserstoffe enthalten. Das gelingt über einen Trick: Das kontaminierte Gelände wurde geviertelt und wird nun Stück für Stück nacheinander behandelt.
Kontaminiertes Grundwasser wird auf biologischem Weg wieder sauber
Die bei der Verbrennung entstehende Wärme verpufft nicht, sondern unterstützt den zweiten Sanierungskomplex – die Reinigung des Grundwassers in einer Wasseraufbereitungsanlage. Ein dem Ofen nachgeschalteter Wärmetauscher heizt das über sechs Brunnen geförderte Wasser auf 27 °C auf, was den biologischen Abbau der Schadstoffe im Wasser beschleunigt. Die Wasseraufbereitung besteht aus drei Stufen: in der ersten Stufe zersetzen Mikroorganismen im Festbettreaktor die Schadstoffe, in der zweiten Stufe filtern Kiesfilter Organismen und ausgefälltes Eisen ab, die dritte Stufe bilden zwei Aktivkohlefilter, die letzte Schadstoffreste zurückhalten, bevor das Grundwasser in den Rhein fließt. „Das abfließende Wasser hat dann weniger als 200 µg Kohlenwasserstoffe pro l, Benzol liegt im Bereich der Nachweisgrenze, der Aromatengehalt darf 5 µg nicht überschreiten“, zitiert Gebhardt die Vorgaben des Umweltamtes der Stadt.
Die Reinigung von Boden und Grundwasser wird durch das sogenannte „Air Sparging“ ergänzt. Bei diesem Verfahren drücken die Sanierer über 150 Lanzen, die bis zu 15 m lang sind, Frischluft in den Untergrund. Die Luft mobilisiert die leichtflüchtigen Schadstoffe, die dann einfacher abgesaugt werden können. Am Ende der Sanierung sollen rund 80 % der Schadstoffe verbrannt oder abgebaut sein, Bodenbereiche, die nicht erfaßt werden, werden ausgekoffert und oberirdisch biologisch gereinigt.
„Bei Shell gilt die Devise: kein kontaminierter Boden auf die Deponie“, sagt Gebhardt stolz. Das wird in Düsseldorf-Holthausen so sein, das war bei der Umrüstung und Sanierung von bundesweit 1700 Shell-Tankstellen bei der Einführung des Saugrüssels der Fall. Allerdings: Glaubt man dem Koordinator für Altlastensanierungen, ist es mehr als schwierig, in Deutschland qualifizierte Ingenieurbüros und Sanierungsun-ternehmen zu finden – und das, obwohl in Deutschland seit Jahrzehnten Boden mit allen möglichen Verfahren saniert wird.
Die Suche nach den richtigen Fachleuten kostet viel Zeit. Erschwerend kommt hinzu, daß kein Sanierungsfall wie der andere ist und nur wenige Firmen und Planungsbüros über umfassendes Know-how verfügen. „Der eine versteht nur was von Geologie, der andere nur von Chemie, der dritte nur von Verfahrenstechnik“, so Gebhardts Erfahrung. Von 68 angeschriebenen Firmen hätten sich nur zwölf in der Lage gesehen, die Sanierung des Shell-Geländes in Holthausen überhaupt anzupacken. Letztendlich erwies sich nur eine Handvoll von Firmen als tauglich. Ein ähnliches Manko erlebte er bei den Tankstellen: von 22 Gutachtern taugten zwölf von vornherein nicht.
C. FRIEDL
Das erste Teilstück des ehemaligen Tanklagers ist bereits zugedeckt und „verkabelt“ – für Karl-Heinz Gebhardt, Altlastenexperte bei Shell, kann“s losgehen: Viele Kilometer Rohrleitungen bringen die abgesaugte Bodenluft zur Verbrennungsanlage. Die dunklen Flecken markieren die „hot spots“ auf dem ehemaligen Raffineriegelände – Bereiche, in denen vor allem durch Bombentreffer im 2. Weltkrieg besonders große Mengen Kohlenwasserstoffe in Boden und Grundwasser gelangten.
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