Die Geldhähne sind aufgedreht
Der Export der Mangelware Wasser entwickelt sich zum guten Geschäft. Als erstes Land der Welt verkauft die Türkei in großem Stil Wasser. In riesige Säcke abgefüllt wird es von Schiffen übers Mittelmeer nach Zypern geschleppt. Auch Israel kauft jetzt ein.
Turgut Özal hatte eine Vision: Über eine „Friedens-Pipeline“ wollte der frühere türkische Ministerpräsident Syrien, Israel und die Region südlich der Türkei mit Trinkwasser versorgen. Gegen Geld. Das Wasser für das diplomatisch schwierige Projekt wollte Bewässerungsingenieur Özal den 22 teils riesigen Stauseen abzapfen, die seit Jahren im Süden der Türkei an Euphrat und Tigris gebaut werden.
17 Jahre später steht ein Teil des Wassertraums nun vor der Verwirklichung – trotz jahrzehntelangem Streit mit Syrien und Irak um die Rechte am Wasser von Euphrat und Tigris. Seit August steht fest, dass die Türkei in den nächsten 20 Jahren je 50 Mio. m3 Wasser an Israel liefern wird. Nicht per Pipeline, deren Baukosten schätzungsweise 21 Mrd. Dollar betragen hätten, sondern mit dem Schiff. Für etwa 50 Cent/m3 will man das Süßwasser von der türkischen Südküste zum israelischen Hafen Askalon bringen.
Wie so viel Wasser transportiert werden soll, ist allerdings noch unklar. Ausgeklügelte Lösungen für kleinere Mengen gibt es längst. Viele Unternehmen haben sich auf den Transport der Mangelware Wasser spezialisiert. Das Ziel: große Mengen über lange Strecken bis zu 600 Seemeilen zu verschiffen. Eines dieser Transportunternehmen ist Nordic Water Supply (NWS), das im vergangenen Jahr in gigantischen Säcken rund 1,7 Mio. t Süßwasser von der Türkei nach Zypern geschleppt hat. Ein Wassersack fasst 35 000 t.
Drei Riesensäcke und ein Schlepper sind permanent im Einsatz. Während das Schiff einen vollen Sack nach Zypern schleppt, wird ein zweiter in der Türkei gefüllt und der dritte vor Zypern leer gepumpt. Den leeren Sack zieht das Schiff wie ein Fischernetz auf eine gewaltige Winde und nimmt ihn aufgerollt mit zurück.
Laut Vertrag müsste NWS vier Mal mehr Wasser liefern. „Wir haben einfach noch nicht die Kapazität“, räumt Finanzgeschäftsführer Erik Tjorstadt ein zudem müsse man die Lieferungen bei stürmischem Wetter einstellen, weil sich sonst die Säcke losreißen könnten. Und so arbeitet das Unternehmen an einer neuen Generation noch größerer Säcke. Sie sollen jeweils bis zu 50 000 t Wasser fassen. Die Außenhaut der Säcke wird schon heute aus einzelnen, schnell austauschbaren Modulen zusammengesetzt, um durch Lecks nicht unnötig Zeit zu verlieren.
Tjorstadt ist gespannt, wie die Türkei jährlich 50 Mio. m3 Wasser nach Israel schaffen will: „Mit Säcken geht das sicher nicht. Damit kann man maximal 100 Seemeilen überbrücken.“ Die Alternative sind Tankschiffe. Doch damit sich die Investition in einen Tanker lohne, brauche es Verträge mit mindestens 30 Jahren Laufzeit, schätzt Tjorstadt. Außerdem verliere das Wasser bei langen Überfahrten an Qualität und sei dann nur noch für industrielle oder landwirtschaftliche Zwecke geeignet.
Dass ausgerechnet Israel gezwungen ist, Wasser zu importieren, liegt vor allem am fahrlässigen Umgang mit den eigenen Ressourcen. Zitrushaine und Baumwollplantagen wurden mit Trinkwasser beregnet. „Nach mehreren trockenen Wintern herrscht nun akuter Wassermangel“, sagt Hillel Shuval von der Hebräischen Universität, Jerusalem. Experten rechnen damit, dass sich der Wassernotstand im Nahen Osten noch verschärft.
Auch Tjorstadt ist überzeugt, dass in zehn Jahren weit mehr Wassertanker auf den Weltmeeren unterwegs sein werden als heute. „Die Wasserpreise steigen. Das wird auch höhere Transportkosten rechtfertigen.“ Davon geht auch Ric Davidge, der Vorstandsvorsitzende von World Water SA, aus. Das Luxemburger Konsortium vereint fünf Unternehmen, die sich mit Wasserexporten beschäftigen.
Dazu gehören Nippon Yusen Kaisha (NYK), eine der weltgrößten Reedereien, oder der japanisch-saudiarabische Risikokapitalgeber Mizutech. Mit von der Partie sind auch die Norweger von NWS und ein weiterer Spezialist für Wassertransporte, die britisch-griechische Aquarius Ltd. Das Unternehmen verfügt über zwölf Polyurethan-Säcke mit bis zu 2000 t Fassungsvermögen und liefert damit Wasser an griechische Inseln.
„Der Markt wird schnell wachsen, weil es gerade für kleinere Inseln billiger ist, sich Wasser liefern zu lassen, als teure Entsalzungsanlagen zu betreiben“, ist Davidge überzeugt. Davidge ist weltweit auf der Suche nach profitablen Süßwasserquellen um sich die Exportrechte zu sichern. Umweltschützern, die den Export kritisieren, hält er entgegen, dass die Inseln beim Aufbereiten von Salzwasser häufig enorme ökologische Flurschäden anrichten. Das Salz werde meist ins Meer gekippt.
Derzeit arbeitet Davidge an einem Projekt in Kalifornien. Aus quellreinen Flüssen im Norden des Bundesstaates möchte er jährlich 25 Mio. m3 Wasser über den Pazifik nach San Diego und Monterey liefern. Die Idee: Wenn die Flüsse im Frühjahr viel Wasser führen, will World Water ihre Mündungen vom Pazifik aus anzapfen und das kostbare Süßwasser durch 2 km bis 3 km lange Schläuche in Transportsäcke pumpen. Um Trinkwasserqualität zu bekommen, soll es dabei durch Keramikfilter fließen.
Doch: Wem gehört das Wasser? Viele Anwohner sehen nicht ein, dass ein Unternehmer mit dem Wasser ihrer Flüsse verdient. „Oft dauert es fünf Jahre, bis alle rechtlichen Fragen geklärt sind“, so Davidge. Immer wieder gelingt es Bürgerinitiativen, die Projekte zu kippen. Auch in Kalifornien hagelt es Proteste, weil die vorgesehenen Flüsse in ein Walschutzgebiet münden.
Solche Kritik ficht Davidge nicht an. „Es wird nicht dazu kommen, dass Quellen in die Hände von Privatunternehmen gelangen wie etwa im Ölgeschäft“, erklärt er. Das sei in internationalen Abkommen klar geregelt. Und Erik Tjorstadt ergänzt: „Wir verstehen uns als Logistiker. Wir stellen nur den Transport in Rechnung.“
PETER TRECHOW
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