Die Arktis verschwindet
Der Klimawandel kommt nicht erst, er ist da, schneller als erwartet.
Viele der Berichte, die man liest, vermitteln das Gefühl, dass es da eine Unsicherheit gibt. Es gibt da keine Unsicherheit“, stellte der Geowissenschaftler Jonathan Overpeck auf dem Alaska-Umweltforum Anfang letzter Woche in Anchorage klar. Overpeck, Professor und Direktor des Environmental Studies Labs der University of Arizona, spricht von der Erderwärmung.
Was dann passiert, darüber legen Klimaforscher aus aller Welt schon seit langem Daten vor. „Was wir nicht vorausgesagt haben, ist, dass es so dramatisch sein würde“, erläutert Overpeck. In Anchorage herrschte direkte Betroffenheit: Das Ökosystem der Meere verschiebe sich nach Norden. Bedroht sind die vom Packeis abhängigen Eisbären ebenso wie Lachse und Baumarten, deren Wachstum zurückgeht.
Zurzeit sind die Klimaforscher in aller Welt recht aktiv am Publizieren. „Jetzt sind die Beobachtungen reif, die man vor zehn oder zwanzig Jahren begonnen hat“, erläutert Prof. Peter Lemke, Experte für Polares Klima am Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI). So beobachte man jetzt seit zehn Jahren die Höhe des Meeresspiegels mit Satelliten.
Anfang des Monats bestätigten seine Kollegen John Church und Neil White von der Commonwealth Scientific and Research Organization erstmals durch Analysen die Prognosen bisheriger Klimamodelle: Der Meeresspiegel stieg im 20. Jahrhundert tatsächlich zunehmend schneller. Pro Jahr legte der jährliche Anstieg um 0,013 mm zu.
Das AWI berichtete jüngst in „Nature“, dass die Berggletscher schneller schmelzen als erwartet. „Das beschleunigte Abschmelzen der Berggletscher ist ein bedeutend höheres Risiko als bisher angenommen“, sagt AWI-Forscherin Sarah Raper. Sie befürchtet katastrophale Überschwemmungen durch Gletscherseen.
Glaciologen der walisischen Swansea University“s School of Environment belegen in einer Studie, dass zwei Grönlandgletscher namens Kangerdlugssuaq und Helheim in nur zwei Jahren ihre Fließgeschwindigkeit verdoppeln. Sie bestätigten damit Beobachtungen, die US-Forscher am Kangerdlugssuaq-Gletscher 2005 im Rahmen einer Greenpeace-Aktion machten.
Das Abschmelzen des arktischen Meereises ist ein aktuelles Thema. Die Temperaturerhöhung in der Arktis nimmt stark zu, das Meereis wird immer dünner, die durchschnittliche Eisdicke ist von 3,1 m auf 1,8 m gesunken. „Neueste Klimaszenarien besagen, dass es bis Ende dieses Jahrhunderts verschwinden wird“, sagt Prof Lemke. „Nur steigt dadurch der Meeresspiegel nicht, wenn das Eis, das jetzt auf dem Wasser schwimmt, schmilzt. Der Meeresspiegel steigt unter anderem durch das Abschmelzen der Gletscher und Eisschilde auf den Kontinenten.“
Was passiert, wenn das Eis auf Grönland schmilzt, wissen die Forscher. „Dann würde der Meeresspiegel um 7 m steigen“, so Prof. Lemke, aber: „Das passiert vielleicht in ein paar Jahrhunderten. Es wäre Panikmache, das jetzt als kurzfristiges Szenario an die Wand zu malen.“ Jonathan Overpeck stellt mit seinem Institut auf einer Webseite nachvollziehbar per Karte dar, was passiert, wenn der Meeresspiegel steigt – um 1 m, 2 m oder mehr (s. Screenshot).
Der letzte Bericht des Intergovernmental Panel on Climatic Change geht davon aus, dass der Meeresspiegel sich bis 2100 im Mittel um 35 cm erhöht. „Die zivilisierten Nationen werden in diesem Zeitraum ihre Deiche erhöhen können“, erklärt AWI-Forscher Lemke, „wer das nicht kann, das sind Länder wie die Malediven und Bangladesh.“
Vergleiche man den Anstieg des Meeresspiegels durch das Abschmelzen der Gletscher in der Zeit von 1961 bis 2003 mit den letzten zehn Jahren, dann sei deutlich eine Beschleunigung zu sehen. „In den letzten zehn Jahren haben die Gletscher 0,8 mm/Jahr geschafft, die letzten 40 Jahre 0,5 mm/Jahr.“ Der Meeresspiegel steigt zurzeit etwa 3,1 mm/Jahr. Davon macht das Abschmelzen des Eises etwa 1 mm/Jahr aus. Die Erwärmung des Meereswassers führt zu 1,6 mm Erhöhung pro Jahr. „Der Restanstieg von 0,5 mm/Jahr ist bislang ungeklärt. Das ist zurzeit in der Diskussion“, so Prof. Lemke. swe
Ein Beitrag von: