DDT-Giftmüll auf Reisen
VDI nachrichten, Korogwe/Tansania, 22. 2. 08, swe – Seit Jahren wird gefordert, chemische Altlasten in Afrika, Asien und Lateinamerika zu beseitigen. Aber wenig geschieht. Deutschland finanziert jetzt die fachgerechte Entsorgung des Pestizids Dichlordiphenyltrichlorethan aus Tansania, besser bekannt unter seinem Kürzel DDT. Ein Projekt mit Vorbildcharakter.
Brütende Hitze, dennoch schaufeln zwei Teams à fünf Leute in einem mit Folien verhängten Lager Granulat in Plastiksäcke. Sie tragen Schutzanzüge und Atemmasken. Das Granulat ist ein altes Pestizid. Es liegt seit 30 Jahren hier in dem tansanischen Ort Korogwe in Ostafrika. Der Wirkstoff: das Umweltgift Dichlordiphenyltrichlorethan, kurz DDT.
Nach einer Stunde ist Schichtwechsel: Ein Team schält sich aus seinen Schutzanzügen und wringt die durchnässten T-Shirts aus. Währenddessen beginnt das andere Team mit der schweißtreibenden Arbeit. In zwei Wochen füllen sie rund 1500 Plastiksäcke à 50 kg, hieven diese in „Big Bags“ und verstauen sie mit einem Gabelstapler in Containern. Insgesamt neun Container, vollbepackt mit DDT-haltigem Abfall. Ziel der Container: der Chemiepark Dormagen, wo sie in einer Sondermüllverbrennungsanlage des Entsorgungsspezialisten Currenta entsorgt werden sollen.
Die Müh“ ist für eine gute Sache. „30 m hinter dem Lager fließt der Fluss Pangani, den viele Menschen zum Wasserholen und Waschen nutzen“, erklärt Wolfgang Schimpf, Chemieexperte der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ). Das Lager sei nur dürftig gegen Wind und Wetter geschützt gewesen. Die tansanische Firma Sapa Chemicals aus Daressalam hat die 75 t Pestizide Mitte der 70er Jahre hergestellt. Unbekannt ist, woher sie den Wirkstoff bezog.
„Das Pestizidlager von Korogwe ist das erste, das geräumt wird“, erklärt Samuel Msangi. Er ist in der tansanischen Nationalen Umweltbehörde NEMC (National Environment Management Council) dafür zuständig, diese Altlasten zu beseitigen. Das Verpacken des Abfalls, der Transport und die fachgerechte Beseitigung finanziert das deutsche Bundesentwicklungsministerium mit 200 000 €.
Korogwe ist nur ein Anfang. In Tansania gibt es mindestens 350 weitere Lagerplätze mit mehr als 1200 t unbrauchbarer gefährlicher Pestizide und in Afrika gibt es keine Anlage, die diese Mengen fachgerecht entsorgen könnte.
Weil auch diese Angaben älter als zehn Jahre sind, sollen NEMC-Fachleute jetzt das Land durchstreifen und eine aktuelle Übersicht erstellen. Danach sollen alle alten Pestizide an 16 zentralen Punkten zusammentragen werden und NEMC will Giftmüllfirmen beauftragen, diese Altlasten zu entsorgen.
Das Geld dafür liegt bereit. Tansania erhält aus dem Globalen Umweltfonds (GEF) 6,8 Mio. $. Der tansanische Umweltminister Marc Mwandosya begrüßt das Engagement. „Es ist ein kleines, für uns aber wichtiges Projekt.“ Dem Land fehle das Know-how, chemische Abfälle selber zu entsorgen. Die Wirtschaftskraft Tansanias sei zudem zu gering, um die Kosten zu schultern.
In zwei oder drei Jahren, so hofft NEMC-Fachmann Msangi, wird es in Tansania keine alten Pestizide mehr geben. Das Korogwe-Projekt hat Vorbildcharakter: Zwei NEMC-Mitarbeiter waren während der Aufräumarbeiten dabei und haben gesehen, wie gefährliche Substanzen sicher verpackt und transportiert werden. Mit diesem Wissen sollen sie jetzt die Entsorgung der übrigen Pestizide vorbereiten.
„Und erstmals wird bei solch einer Entsorgungsmaßnahme das Lager mit entsorgt“, betont GTZ-Experte Wolfgang Schimpf. Das sei notwendig, weil das ganze Lager mit DDT kontaminiert sei und sich direkt daneben eine Mikrokreditbank für Frauen befindet.
„Auf dem Gelände spielen daher immer wieder Kinder“, erklärt Wolfgang Schimpf. Um sie zu schützen, werden der Zementboden, die Seitenwände aus Stein und die Holzbalken des Daches ebenfalls in Dormagen verbrannt. Die Wellbleche wurden, nachdem sie gereinigt wurden, dort gelassen.
Keine Frage, DDT ist gefährlich und muss weg. „Das Gift zu verbrennen ist besser, als es dort liegen zu lassen“, meint Ingo Kolmorgen, Abgeordneter der Grünen im Rathaus von Dormagen. Er betrachtet aber jede weitere Belastung des industriell belasteten Nordens von Köln als skeptisch.
„Jede Verbrennung setzt geringe Mengen Dioxine frei – selbst wenn die gesetzlichen Grenzwerte deutlich unterschritten werden.“ Der Abgeordnete kann diese eine Giftmüllentsorgung akzeptieren, fürchtet aber den Beginn eines Mülltourismus aus aller Welt nach Dormagen.
„Abfälle aus Übersee sind die Ausnahme und werden es auch bleiben“, erwidert Jörg Brückner, Sprecher von Currenta, den ehemaligen Bayer Industrial Services, der Dienstleistungssparte des Leverkusener Chemiekonzerns. Currenta gehört zu 60 % Bayer und zu 40 % dem Bayer-Spin-off Lanxess.
Zurzeit verbrennt Currenta in sechs Spezialöfen in Dormagen, Leverkusen und Uerdingen jährlich rund 270 000 t Sondermüll von rund 300 Firmen. Drei Viertel der Abfälle stammen aus Chemieparks des Bayer-Konzerns, 19 % von Firmen aus Deutschland (vor allem aus Nordrhein-Westfalen), 6 % von Firmen aus der EU (vor allem aus den Beneluxländern) und weit weniger als 1 % aus Übersee. Diese Verhältnisse würden auf absehbare Zeit so bleiben, meint Brückner.
2007 gab es einen ähnlichen Fall. Australien wollte 22 000 t Giftmüll in Dormagen, Leverkusen, Herten und Brunsbüttel entsorgen. Die Umweltminister aus Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein stoppten den Mülltourismus: Australien muss als Industrieland nach der Basler Konvention in der Lage sein, seinen Abfall selber zu beseitigen. Giftmüll aus Entwicklungsländern darf hier aber fachgerecht entsorgt werden. RALPH AHRENS
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