Das finanzielle Volumen des Pfands erfordert hochsichere Technologie
Das Thema Dosenpfand hat sich in den letzten Monaten in der Presse zum Dauerbrenner entwickelt. Die dramatischen Seiten des Themas sind dabei nur ansatzweise aufgedeckt worden. Jetzt muss eine endgültige Systemlösung dringend gefunden werden, fordert Walter Schlehbusch in seinem folgenden Beitrag, sonst drohe volkswirtschaftlicher Schaden.
Mit der Jahreswende 2002/2003 ist das „Dosenpfand“ in Kraft getreten. Die Vorbereitungen auf die Rücknahme der pfandpflichtigen Gebinde beschränkten sich bis Ende 2002 jedoch auf Initiativen und Entwicklungen von Sicherheitsanbietern und Entsorgern.
Erst heute, da sowohl Handel als auch Abfüller um die Gestaltung des Pfandsystems ringen, treten die unterschiedlichen Interessenlagen und die engen Grenzen der Vorschriften der Verpackungsverordnung und des Kartellamtes zutage und machen die eigentlich notwendige schnelle Entscheidung schwierig. Das Interesse der Abfüller an möglichst geringen Beeinträchtigungen des Produktionsprozesses muss genauso berücksichtigt werden wie das Interesse der Verbraucher und des Handels an verlässlichen und preiswerten Rücknahmeautomaten. Fest steht mit dem 1. Oktober nur das Datum, an dem das Pfandsicherungssystem als deutschlandweite, einheitliche Lösung eingeführt sein soll, und das ist – bei dem jetzigen Arbeitsstand – ein ausgesprochen anspruchsvolles zeitliches Ziel.
Die Höhe des Pfandvolumens stellt dabei die eigentliche Herausforderung dar: Durch die geplante Novelle der Verpackungsverordnung wird sich die Zahl der pfandpflichtigen Gebinde von ca. 14 Mrd. auf etwa 19 Mrd. pro Jahr erhöhen. Wenn, wie jetzt diskutiert wird, nur ein einziger Pfandwert von 25 Cent erhoben wird, entspricht das einem umzuwälzenden Pfandvolumen von ca. 4,75 Mrd. n jährlich. Diese Pfandhöhe ist derzeit für Einweggebinde weltweit einzigartig.
Diese Geldmenge muss die einzurichtende Clearingstelle bewältigen. Am Anfang der Kette nimmt die Clearingstelle das Pfand vom Abfüller ein und zahlt es am Schluss wieder an den Handel aus, wenn dieser das Gebinde vom Verbraucher zurückgenommen hat. Der Kunde soll dabei seine Pfandgebinde „anonym“ beim Händler seiner Wahl zurückgeben können. Die Pfandansprüche des Handels werden maschinell erfasst und der Clearingstelle übermittelt. Dafür sind etwa 75 000 Rücknahmeautomaten notwendig und damit Investitionen in Automaten und Sicherungssysteme von rund 1 Mrd. n.
Die Anonymität der automatisierten Rückgabe der Pfandgebinde verlockt bei den in Aussicht gestellten Pfandwerten zur Fälschung. Wenn nur 5 % der Rückgaben Fälschungen sind, erreicht der Fälschungsverlust schon 250 Mio. n jährlich. Neben einzelnen Betrügern oder Banden sind Fälschungen auch durch falsch oder nicht be-pfandete Gebinde möglich, die schwarz in den Markt gebracht werden. Auch schwarze Schafe unter den Betreibern von Rücknahmeautomaten sind nicht auszuschließen. Beim Preis einer Halbliterdose Bier von 30 Cent und einem Pfand von 25 Cent ist Betrug, z.B. durch Mehrfachrückgabe oder „Überlisten“ des Automaten, durchaus attraktiv.
Selbst wenn nicht davon auszugehen ist, dass die heutige niedrige Rückgabequote von ca. 50 % bestehen bleibt, so ist doch auch bei einem bundesweiten System mit einem Schwund an nicht zurückgegebenen Dosen von 2 % bis 6 % zu rechnen. In Geld ausgedrückt bedeutet das eine Summe zwischen 100 Mio. n und 300 Mio. n jährlich. Eine Verniedlichung dieses Problems wäre es, zu argumentieren, dass der Schwund bei der Rückgabe der Dosen und übrigen Gebinde die Betrügereien kompensiere. Eine Verfolgung bzw. Verhinderung organisierter Betrügereien in diesem Ausmaß ist keine Privatsache, sondern liegt im öffentlichen Interesse.
Hier kommt das Thema Sicherheit ins Spiel: Wie muss ein Pfandsystem ausgestattet sein, um als hochsicher zu gelten? Als erstes muss ein stückgenauer Nachweis des hohen Pfandwertes jederzeit möglich sein. Ein unkontrolliertes Herumvagabundieren von pfandwerthaltigen Stoffen oder Marken muss sicher verhindert werden können. Die eingesetzten Materialien müssen fälschungssicher sein. Das heißt auch, dass die Ausgangsmaterialien nicht allgemein zugänglich sein dürfen. Das Pfandzeichen muss nach Einlösung entwertet werden, damit ein Pfand nicht zweimal zu Geld gemacht werden kann, und schließlich muss der Handel in der Lage sein, bei Wareneingang die Echtheit des Pfandzeichens zumindest stichprobenmäßig zu überprüfen.
Zahlreiche Lösungsvorschläge wurden gemacht. Es gibt die „Online-Lösung“, die „Automatenlösung“, die „Labellösung“ und eine „Direktdrucklösung“. Die inzwischen abgelehnte „Online-Lösung“ sah vor, jedes Gebinde mit einem Label zu versehen, auf das eine kodierte Zifferung aufgebracht ist. Die Zahl sollte bei der Rückgabe online in einer Datenbank gegengeprüft, freigegeben und zur Entwertung gestrichen werden. Wegen der fehlenden Betriebssicherheit und des hohen Aufwandes wurde dieses System nicht weiter verfolgt.
Die „Automatenlösung“ stieß besonders auf Abfüllerseite auf Zustimmung. In dem Rücknahmeautomaten werden bei dieser Lösung neben der Lesung des erweiterten EAN-Codes eine Reihe von Plausibilitätsprüfungen vorgenommen, die Fälschungsmöglichkeiten einschränken. Als Prüfungsmerkmale wurden Gewicht, Form und Material des Gebindes, UV-Fluoreszenz und eine Deckelprägung auf der Dose angeboten. Trotz des großen Aufwands (ein Automat kostet ca. 20 000 n) bleibt hier jedoch eine bemerkenswert große Unsicherheit gegenüber einem organisierten Fälschungsangriff vorhanden.
Der Technologiekonzern Giesecke & Devrient hatte von Anfang an die „Labellösung“ empfohlen. Das gesamte Pfandsicherungssystem besteht dabei aus dem Label, das auf den Gebinden aufzubringen ist, und der DSM-Box (Deposit-Security-Module). Die DSM-Box übernimmt die Lesung eines offenen Barcodes, die Überprüfung eines unsichtbaren Echtheitsmerkmals, führt eine deutlich sichtbare Entwertung der Pfandberechtigung durch, speichert die Daten und überträgt sie sicher an die Clearingstelle. Die Technologie zur Echtheitserkennung durch die Merkmalsprüfung stammt aus dem Banknotenbereich.
Die Abfüller sehen in der Aufbringung des Labels einen zusätzlichen Aufwand, den sie gerne vermeiden möchten. Für den Handel hingegen ist besonders die für den Verbraucher sichtbare Entwertung der Label attraktiv. Sie ermöglicht neue, sehr viel günstigere Rücknahmeautomaten (Größenordnung ab 6000 n) und erfüllt dabei alle Voraussetzungen für ein hochsicheres System. Inzwischen haben Weiterentwicklungen die Labelgröße mit einer Höhe von 10 mm auf ein Maß reduziert, das den Abfüllern bei ihrer Forderung nach möglichst geringer Störung des Gebindedesigns entgegenkommt.
Eine weitere Alternative ist das sogenannte – noch nicht entwickelte – „Direktdruckverfahren“, bei dem eine Spezialfarbe auf den Gebindeboden aufgespritzt wird. Auch hierfür wurde eine Lösung erarbeitet, die aber im Vergleich zum Labelsystem einige Sicherheitsnachteile hat: Die stückgenaue Kontrolle der in den Verkehr gebrachten Gebinde entfällt. Mit der Geheimhaltung der Rezeptur der Merkmalsfarbe steht und fällt die Sicherheit des Gesamtsystems. Die Aufbringung eines Zeichens erfordert die Einfügung von Standard-CCD-Kameras in das Erkennungssystem. Es wird bewusst auf den Einbau von Spezialsensoren verzichtet. Obendrein müssen alle Rücknahmeautomatenbauer ihre Prozesse von der üblichen Seiten- auf die Bodenerkennung umstellen. Der zeitliche Druck wird durch die notwendige Neuentwicklung weiter erhöht.
Die Frage, wer den Verlust ersetzt, wenn wegen Fälschung mehr Pfand zurückgezahlt werden muss als eingezahlt wurde, kann derzeit niemand sicher beantworten. Unvorstellbar, dass die Automaten per Leuchtschrift der entsetzten Hausfrau mitteilen, eine Auszahlung des Pfandes sei nicht möglich. Auf die Reaktion der Verbraucher darf man da gespannt sein. Schon aus diesem Grunde ist es unumgänglich, eine hochsichere Lösung einzuführen. Die Labellösung erfüllt alle genannten Anforderungen. Eine endgültige Systementscheidung in den nächsten zwei bis drei Wochen durch die Abfüller und den Handel ist dringend erforderlich, wenn das bundesweite Pfandsystem noch im Oktober 2003 starten soll. WALTER SCHLEBUSCH
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