Bohren nach Wärme
VDI nachrichten, Düsseldorf, 22. 8. 08, sta – Bohren – nicht nach Öl, sondern um Öl zu sparen. Das ist das Motto von Bauherren wie Hans-Jürgen Michel. Der Technik-Fan suchte 2006 nach einer Lösung, welche die Nebenkosten seines Hauses reduziert und unabhängig von fossilen Brennstoffen macht. Heute nutzt er die Erdwärme seines Grundstücks für Heizung und Warmwasser. Ein System, das sich rechnen kann.
Die Energiepreise werden zukünftig steigen. Darin sind sich die meisten Experten einig. Hans-Jürgen Michel will darunter aber nicht leiden. Als der 49-jährige Maschinenbauingenieur 2006 einen Neubau im hessischen Griesheim beginnt, sucht er nach Alternativen zu Öl und Gas. Dabei hat er klare Vorstellungen: „Ich will eine regenerative Technik, die das ganze Jahr konstant Energie liefert, ohne anderweitig zuheizen zu müssen. Auch geringe Betriebskosten und die Autarkie von Brennstofflieferungen sind mir wichtig.“
Damit scheidet eine mit relativ geringen Investitionskosten verbundene Luftwärmepumpe aus. Auch eine Holzpelletheizung und Solarkollektoren oder eine Kombination dieser Systeme kommen nicht in Betracht. Gleiches gilt für Erdwärme-Flächenkollektoren. Diese würden das 1,5-fache der 280 m2 großen beheizten Wohnfläche benötigen. Soviel freie Grundstücksfläche steht aber nicht zur Verfügung. Bleibt also die Erdsonde.
Michel wendet sich nach einer Internet-Recherche an die auf Bohrtechnik spezialisierte Klink GmbH in Büttelborn. Geschäftsführer Hans Dieter Klink macht sich zunächst schlau, ob überhaupt gebohrt werden darf. Ein Blick auf die hydrogeologische Karte des hessischen Landesamts für Umwelt und Geologie (HLUK) schafft Klarheit: Das Baugebiet von Michel ist grün markiert. „Hier wird nur eine Genehmigung der Wasserbehörde des Landkreises benötigt“, erklärt der Brunnenbauer.
Deshalb können die Planungen schnell beginnen. Wegen der mangelhaften Qualität des örtlichen Grundwassers schlägt der Experte ein Sole-Sole-System mit zwei Bohrungen vor. Jede solle 99 m in die Tiefe führen. „Hier herrschen immer rund 12 °C. Diese Wärme soll die nach unten geleitete Sole aufnehmen. Der vorhandene Sand-Kiesboden liefert dabei rund 50 W/m Wärmeleistung. Die Wärmepumpe selbst ist auf 12 kW Heiz- und 10 kW Kälteleistung ausgelegt“, so Klink. Michels Neubau erfüllt den KfW-60-Standard, der Jahres-Primärenergiebedarf für Warmwasser und Heizung beträgt also weniger als 60 kWh/m² Gebäudenutzfläche. Zur Technik erklärt Klink: „Die Pumpe arbeitet wie ein großer Kühlschrank – nur umgekehrt: Durch abwechselndes Verdampfen, Verdichten und Entspannen eines Kältemittels wird der aus dem Erdreich kommenden Sole Wärme entzogen und an den Heizkreislauf abgegeben.“
Die gesamte Anlage wird mit 27 000 € veranschlagt. Der Bauherr ist überrascht: „Das sind 15 000 € mehr als für eine neue Öl- oder Gasheizung.“ „Aber Sie benötigen keinen Kamin, Tank, Gas- oder Öl-Anschluss und keine Abgasmessungen. Sie gewinnen dauerhaft bis 75 % Ihres Wärmebedarfs für Heizung und Brauchwasser kostenfrei aus Ihrem Grundstück“, gibt der Spezialist im Gegenzug zu bedenken.
Überzeugende Argumente, zumal sein Kunde die Nutzung von Geothermie – vor allem in Verbindung mit der Errichtung eines Energiesparhauses – mit einem zinsgünstigen Kredit der KfW-Förderbank finanzieren kann. Außerdem bietet der lokale Energieversorger für den Wärmepumpen-Strom einen verbilligten Tarif von 0,15 €/kWh statt der sonst üblichen 0,18 €/kWh an. „Die Mehrkosten sollten sich also in etwa fünf Jahren amortisieren, die gesamte Anlage in zehn bis 15 Jahren – bei weiter steigenden Energiepreisen auch früher“, überschlägt Michel beruhigt.
Wenige Tage später rollt eine dreiköpfige Kolonne der Klink GmbH mit zwei Lkw an. „Zuerst wird ein Stahlrohr mit 190 mm Durchmesser in den Boden getrieben. Damit stabilisieren wir die oberen 15 m bis 20 m, um sicher tiefer bohren zu können“, erläutert der nach 300 installierten Erdwärmeanlagen routinierte Klink.
Dann frisst sich der Widia-Meißel am immer wieder verlängerten Bohrgestänge langsam nach unten. Eine Förderpumpe spült das aus der 150 mm breiten Bohrung abgetragene Erdreich in einen Container. Zwecks Verbesserung der geologischen Karten werden alle drei bis vier Meter Bohrtiefe Bodenproben entnommen. Als nach etwa vier Stunden die Endtiefe erreicht ist, gleiten die beiden Doppel-U-Rohr-Sonden des Sole-Systems mit einem Gewicht versehen hinab. Von den 32 mm PE-100-Rohren bleiben nur vier Enden sichtbar. Sie liegen später 1,5 m unter der Geländeoberkante.
Um die Rohre im Boden zu verankern, wird ein Gemisch aus Bentonit, Zement und Wasser per Schlauch von unten nach oben ins Bohrloch gepresst. Das Material leitet gut Wärme und dichtet die durchstoßenen Bodenschichten mit einem Faktor von 1,8 gegeneinander ab. „Nach 14 Tagen ist alles ausgehärtet“, erklärt der Handwerksmeister. Die zweite Bohrung folgt mit einem Mindestabstand von fünf Metern zur ersten. Ziel: Jede Sonde kann dem Erdreich ausreichend Wärme entziehen, ohne die andere Sonde zu beeinflussen. Zum Schluss gilt es, deren genaue Lage zu vermessen und den Behörden mitzuteilen.
Später werden die Sonden mit Kunststoffrohren in frost- und beschädigungssicheren 1,2 m Tiefe auf dem direkten Weg am Verteiler vor der Gebäudeaußenwand zusammengeführt und mit zwei Leitungen mit der Wärmepumpe verbunden. Wenn geschultes Fachpersonal die Pumpe installiert, verlängern viele Hersteller ihre Garantie um ein Jahr.
Durch die Sonden läuft eine Glykosol-Wasser-Mischung, die biologisch abbaubar und bis -18 °C frostsicher ist. „Um störungsfrei in Betrieb gehen zu können, muss ein fachmännischer hydraulischer Abgleich im Sole- und Wasserkreislauf gemacht werden“, weiß der 46-jährige Klink.
Wärmepumpen liefern besonders dann mit wenig Stromverbrauch viel Wärme, wenn die Heizung und Warmwasserbereitung mit niedrigen Vorlauftemperaturen betrieben werden. Ideal sind Wand- oder Fußbodenheizungen. Die Effizienz der Anlage lässt sich an der Jahresarbeitszahl ablesen, also dem Verhältnis zwischen abgegebener Wärmemenge und verbrauchtem Strom pro Jahr. Um energieeffizient gegenüber dem Heizen mit fossilen Brennstoffen zu sein, sind Jahresarbeitszahlen der Wärmepumpe von deutlich über 3 erforderlich. Hintergrund: Strom aus fossiler Energie wird mit einem mittleren Wirkungsgrad von etwa 30 % gewonnen.
Und die Anlage von Hans-Jürgen Michel? Sie weist eine Jahresarbeitszahl von 4,7 auf. Mit ihr kann prinzipiell geheizt und gekühlt werden. Der Bauherr hat sich jedoch gegen das Kühlen entschieden. „Ich möchte bei hoher Luftfeuchtigkeit keine Kondenswasserbildung auf dem Parkett riskieren.“ Obwohl der Ingenieur den Wirkungsgrad seiner Wärmepumpe also nicht voll ausnutzt, ist er begeistert: „Im ersten Jahr in unserem eigenen Haus zahlten wir bei einem Stromverbrauch der Pumpe von 6000 kWh rund 900 € für Heizung und Warmwasser. Früher hatten wir – bei einer halb so großen Mietwohnung – etwa 30 % bis 40 % höhere Gesamtnebenkosten.“
Die Wärmepumpe und der Warmwasserboiler stehen in einem Kellerraum, der gleichzeitig zum Waschen und Bügeln dient. Die Fußbodenheizung arbeitet mit einer Vorlauftemperatur von 25 °C bis 30 °C, das Warmwasser mit 50 °C. Eine Elektroheizpatrone erhitzt das Wasser einmal pro Woche auf über 60 °C, um mögliche Legionellen abzutöten.
Begeistert ist der Bauherr darüber, dass die Technik leicht zu erweitern ist: „In einer vom Dach bis zum Keller durchgängigen, doppelten Gipskartonwand können Leitungen für eine Photovoltaik-Anlage oder für eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung, beides mit der Wärmepumpe gekoppelt, verschwinden.“
In Zukunft dürfte Erdwärme an Bedeutung gewinnen: Die Bundesregierung will bei Neubauten vorschreiben, dass ein Teil der Energieversorgung aus regenerativen Quellen stammen muss.
Während bei Neubauten der errechnete Heizbedarf die Dimensionierung der Erdwärmeanlage bestimmt, ist es bei Altbauten der jährliche Heizverbrauch der letzten zwei bis drei Jahre.
Räumlich beengte Verhältnisse sind dabei kein Problem. „Neben der großen Bohrtechnik verfügen wir auch über kleineres Bohrgerät, um dort effektiv arbeiten zu können“, erklärt Klink. Das war ein entscheidender Aspekt für Siegfried Lemke, als er die Öl-Heizung seines 1898 erbauten und teils energetisch sanierten Einfamilienwohnhauses erneuern musste. „Ich wollte eine zukunftssichere Lösung, die mir in meinem späteren Ruhestand wenig Arbeit und Kosten verursacht“, so der 57-jährige gebürtige Darmstädter. Pragmatisch fügt er hinzu: „Lieber für kurze Zeit einen durchpflügten Garten, als störende Umbauten im Haus, zumal ich keine südwärts gerichteten Dachflächen für eine Solarnutzung habe.“
Lemkes Altbau hat keine Fußbodenheizung. Deshalb riet ihm der Handwerksmeister: „Testen Sie vor dem Ausrangieren der alten Anlage, ob Sie im Winter mit einer Vorlauftemperatur von 40 °C bis 45 °C für die Heizkörper auskommen.“
Da dies möglich war, wurde 2006 ein Wasser-Wasser-System zum Beheizen der 200 m2 Wohnfläche eingebaut. Dabei entnimmt eine Tauchpumpe bis zu 2400 l/h etwa 11 °C bis 13 °C warmes Wasser aus dem neu im Garten gebohrten, 17 m tiefen Ziehbrunnen und führt es der Wärmepumpe zu. Ein bereits bestehender, 20 m tiefer Brunnen nimmt das von der Pumpe um 3 °C abgekühlte Wasser als Schluckbrunnen wieder auf. Die Anlage mit der Jahresarbeitszahl 5,1 hat 14,5 kW Heiz- und 11 kW Kälteleistung. Lemke ist zufrieden: „In 2007 erhöhten sich meine Stromkosten zwar um 1350 €, gleichzeitig habe ich aber rund 3500 l Heizöl eingespart. Ein zinsgünstiges Darlehen der KfW half, die Anlage für 22 000 € zu finanzieren.“
Hans Dieter Klink zieht als Fazit: „Wärmepumpen haben eine Lebensdauer von 25 bis 30 Jahren, Sondenfelder von 80 bis 90 Jahren. Ihr Einsatz lohnt sich bei hydrogeologischer Eignung des Bodens und bei Vorlauftemperaturen bis 50 °C. Andernfalls sollten Bauherren zuerst die Wärmedämmung verbessern.“
In Zukunft dürfte Erdwärme an Bedeutung gewinnen, denn die Bundesregierung will bei Neubauten vorschreiben, dass ein Teil der Energieversorgung aus regenerativen Quellen stammen muss.
B. GEHBAUER-SCHUMACHER
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