Klima 20.06.2008, 19:35 Uhr

Begeisterte Klimaschützer  

VDI nachrichten, Växjö, 20. 6. 08, rb – Im Süden Schwedens, der Heimat Pippi Langstrumpfs, wo Elche grasen und wo die Winter lang und kalt sind, leben Menschen, die nur wenig das Klima belasten. Die kleine Universitätsstadt Växjö mit ihren rund 55 000 Einwohnern zeigt, wie sich der CO2-Ausstoß pro Kopf deutlich senken lässt. Sie emittieren heute 30 % weniger Kohlendioxid als noch vor 15 Jahren.

Zwischen Wäldern und Seen liegt idyllisch Växjö. Die erste Sommersonne wärmt die Menschen der Kleinstadt. Sie lachen und die ersten Kinder springen laut kreischend in kalte Seen. Auch Henrik Johansson genießt die wärmenden Sonnenstrahlen vor seinem Bürogebäude. „Wir haben uns riesig gefreut“, schwärmt er und meint damit den Energie-Nachhaltigkeitspreis, mit dem die EU-Kommission die schwedische Stadt Växjö vor einem Jahr auszeichnete.

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Der 33-Jährige leitet der Abteilung Nachhaltige Entwicklung in Växjö und ergänzt: „Wir waren aber auch sehr überrascht.“ Warum soll Normalität einen Preis bekommen? Umwelt- und Klimaschutz ist in Småland schon lange Alltag. Eine große Sause? Nein, die gab es nicht. Doch es ist genau das, was die EU-Kommission überzeugte: die Normalität! Die allerdings musste sich die Kleinstadt erst erarbeiten – und sie tut das immer wieder aufs Neue.

„Die Geschichte begann vor 30 Jahren“, erinnert sich Bürgermeister Bo Frank. Eine Gruppe junger Politiker aus allen Parteien sorgte sich um die Umwelt. Sie sahen den Dreck mit eigenen Augen: Seen in und um Växjö waren überdüngt und durch Einleitungen von Textilfabriken verschmutzt. Es stank, niemand wollte an den Seen spazieren gehen, geschweige denn in ihnen baden. Es war eine Heidenarbeit, diese Umweltsünden zu tilgen. Växjösjön – der See direkt an der Stadt – wurde dieses Jahr zum Baden freigegeben.

Systematisch kümmerte sich die Kommune nach dem Umweltgipfel 1992 in Rio de Janeiro um Umwelt- und Klimaschutz. Die lokale Agenda 21-Gruppe stieß die Debatte an und die Stadt holte sich mit Naturskyddsföreningen, der schwedischen Gesellschaft für Naturschutz, den größten schwedischen Umweltverband als kritischen Sachverstand. Der Verband organisierte Seminare für Bürger, Politiker und Firmenchefs. Alle wurden ernst genommen, ein achtjähriges Mädchen genauso wie ein älterer Firmenboss. Positionspapiere wurden geschrieben und verworfen. Und der Umweltverband traute sich, ein ehrgeiziges Ziel vorzuschlagen: Växjö sollte die erste Stadt werden, die auf fossile Brennstoffe verzichtet.

Die Politiker zweifelten und stellten typische Fragen: Was werden die Wähler sagen, was die Unternehmen? Es stand aber keine Wahl vor der Tür und von Seiten der Firmen gab es überraschenderweise Zuspruch, so Henrik Johansson, der damals als 20-Jähriger für Naturskyddsföreningen arbeitete.

Dann kam Bert Bolin nach Växjö. Der damalige Vorsitzende des weltweiten Klimapanels IPCC erklärte, wie ernst es um das Klima stehe. „Uns wurde schlagartig klar, wir können nicht weitermachen wie bisher“, so Bo Frank. Und der damalige Umweltschützer Johansson freute sich über die Lernfähigkeit der Politiker: „Dieselben, die zuvor sagten, das sei nicht möglich, stimmten dem Ausstiegskonzept im November 2006 dann zu.“ Als Zwischenziele sollte bis 2010 der Pro-Kopf-Ausstoß an CO2 um die Hälfte sinken, bis 2025 um 70 %. Bezugsjahr ist 1993. Jeder Bürger emittierte damals jährlich rund 4700 kg CO2. Bürgermeister Frank weiß, es ist illusorisch, völlig auf fossile Brennstoffe zu verzichten. Mit einem klaren Ziel vor Augen lässt sich aber besser arbeiten. Und den Worten folgten Taten!

Växjö und seine Umgebung laden ein zum Urlaub. Wer am Växjösjön spazieren geht, kann Natur und Stille genießen. Doch die Ruhe täuscht. Die kleine Stadt mit 80 000 Menschen bietet unternehmerisches Ambiente mit universitärem Flair. Es gibt die unglaubliche Anzahl von 8000 Firmen – darunter viele innovative Klitschen mit zwei bis drei Personen.

Am Stadtrand am Ufer des Trumnen-Sees steht einer der großen Betriebe: das Kraftwerk Sandvik der kommunalen Stadtwerke Växjö Energi AB (VEAB). Im Sommer bringen nur früh morgens ein paar Laster Holzabfälle aus Sägemühlen und Holzreste aus der Forstwirtschaft hierher. Diese Biomasse liegt sauber auf dem Kraftwerksgelände. Im Winter ist es hingegen laut und hektisch. Täglich kommen bis zu 100 Trucks schwer beladen hierher. Doch Biomasse wird hier erst seit 1980 verbrannt.

Das Kraftwerk trägt den größten Anteil an der Öko-Stadt Växjö: Schrittweise wurde seit 1980 der fossile Kraftstoff Öl durch Biomasse ersetzt. Anfänglich war Klimaschutz aber nur Nebensache, gibt Johansson ehrlicherweise zu. Nach der Ölkrise im Jahr 1979 wollten die Stadtwerke unabhängiger von Energieeinfuhren werden.

Auf der gegenüberliegenden Seite des Trumnen-Sees wächst die Holzstadt Välle Broar. Zwei Häuser, sieben Stockwerke hoch, sind schon bezugsfertig, einige Apartments bereits bewohnt. Im dritten Holzhaus fehlt nur noch die Inneneinrichtung. Bauleiter Hans Andrén steht in einem der leeren 140-m2-Apartments. Er findet sie luxuriös. Es gibt drei Schlafzimmer, eine moderne Küche, einen großzügigen Wohnraum. Fußbodenheizung und Sprinkleranlage sind installiert, die Balkone begehbar. „Man hat einen wunderbaren Blick über den See und in die Wälder.“

Es ist ruhig auf dieser Baustelle. Ein Arbeiter fixiert leise Dämmstoff an der Wand. Und auch seine Kollegen, die in den anderen Räumen werkeln, sind kaum zu hören. Die Holzhäuser sind Klimaschutz pur, meint Andrén: Nicht nur, weil es Niedrigenergiehäuser sind, sondern auch weil das Baumaterial überwiegend aus Biomasse besteht und sich die Häuser schnell aufbauen lassen: Jede Etage mit vier Apartments wird innerhalb von einer Woche aus vorgefertigten Teilen aus Nordschweden zusammenmontiert. Im Sommer wird auch ein viertes Holzhochhaus bezugsfertig sein. Die Fundamente aus Beton stehen bereits.

Das größte Sorgenkind ist in Växjö – wie überall auf der Welt – der Verkehr. Heute wird aus Auspuffrohren mehr CO2 gepustet als noch 1993, klagt Nachhaltigkeitsfachmann Johansson. Zwar ist in der Kleinstadt vieles gut zu Fuß erreichbar und viele Studenten nehmen das Fahrrad. Abends und am Wochenende kommen aber viele Besucher aus der Umgebung zum Einkaufen oder zum Bummeln nach Växjö.

Johansson bleibt ruhig und gelassen. Seit 2001 sinken die Emissionen aus dem Verkehr. Dazu tragen Kurse für klimaschonendes Fahren ebenso wie finanzielle Anreize bei. So unterstützt die schwedische Regierung jeden Käufer eines Pkw, der mit alternativen Kraftstoffen fährt oder weniger als 120 g CO2 pro km emittiert, mit 1500 €.

In Växjö dürfen solche umweltfreundlichen Autos auch kostenlos parken. Und es werden immer mehr, freut sich Johansson. Und er selbst? Er wohnt mitten in Växjö und braucht keinen Pkw. Aber seinen Lebensgefährten konnte er davon überzeugen, sich einen klimafreundlichen Pkw zuzulegen. „Zwar keinen mit Biogas, aber einen mit weniger als 120 g.“ Das ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Die große Herausforderung ist, den Verkehrssektor klimafreundlicher zu organisieren.

Trotz dieser Schwierigkeiten kann sich das bisher Erreichte sehen lassen: 2006 emittierte jeder Bürger in Växjö immerhin bereits rund 30 % weniger CO2 als noch 1993 (im selben Zeitraum sanken diese Emissionen pro Einwohner in Schweden nur um 10 %). Und Bürgermeister Frank freut sich, dass sich die Stadt dennoch wirtschaftlich gut entwickelt. „Aber es wird schwer, unser Zwischenziel für 2010 einzuhalten.“

Växjö müht sich weiter. Die Stadtwerke gehen voran. VEAB will das Fernwärmenetz ausbauen und das Verhalten der Menschen ändern. „Unser Lebensstil wirkt sich auf das Klima aus“, weiß Martin Magnusson von VEAB. Eine Binsenweisheit! Vielen Menschen fehle aber das Gespür für den Energieverbrauch. Das wollen die Stadtwerke ändern: Sie veranstalten Wettbewerbe, wo derjenige gewinnt, der am meisten Energie einspart. Und in Wohnungen werden Computer aufgestellt, die den aktuellen Strom- und Wasserverbrauch anzeigen. Öffnet jemand den Kühlschrank, kann er sofort auf dem Bildschirm sehen, dass der Stromverbrauch steigt. VEAB hofft, so den Stromverbrauch pro Kopf in einem Jahr um 5 % zu senken. Zukunftsmusik ist hingegen noch die folgende Idee: Fernwärme aus Biomasse statt Strom einzusetzen, um im Sommer Wohnungen zu kühlen.

Die Geschichte der Öko-Stadt begann vor 30 Jahren – und sie wird weitergehen. Das hoffen Henrik Johansson und Bo Frank. Sie sind optimistisch, weil alle Politiker am Konsens von 1996 festhalten. Gestritten wird nur darüber, wie dieses Ziel erreicht werden kann. „Und in den Politikern brennt noch das alte Feuer“, bemerkt Johansson. Als er ihnen im Februar 2008 zeigte, was getan werden müsse, damit Växjö weiterhin als eine der grünsten Städte Europas gelten kann, gab es wieder lebhafte Diskussion. „Es war fast dieselbe Aufbruchstimmung wie damals vor 15 Jahren.“ RALPH AHRENS

Ein Beitrag von:

  • Ralph H. Ahrens

    Chefredakteur des UmweltMagazins der VDI Fachmediengruppe. Der promovierte Chemiker arbeitete u.a. beim Freiburger Regionalradio. Er absolvierte eine Weiterbildung zum „Fachjournalisten für Umweltfragen“ und arbeitete bis 2019 freiberuflich für dieverse Printmedien, u.a. VDI nachrichten. Seine Themenschwerpunkte sind Chemikalien-, Industrie- und Klimapolitik auf deutscher, EU- und internationaler Ebene.

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