Algen helfen Klima retten
VDI nachrichten, Stuttgart, 18. 1. 08, ber – Pilotanlagen arbeiten bereits mit Algen zur Energieerzeugung etwa für Blockheizkraftwerke. Möglich wäre hier sogar eine Kreislaufwirtschaft, bei der die CO2-haltigen Abgase von Kraftwerken wiederum der Algenaufzucht dienen. Deutsche Forscher entwickeln nun Methoden, um einzellige Mikroalgen auch in größerem Maßstab kultivieren zu können.
Bald schon könnte die Algenzucht in Deutschland aus den Labors in Großanlagen übergehen: Im August nahm die Stuttgarter Subitec GmbH eine erste Pilotanlage zur industriellen Algenproduktion in Betrieb. Subitec ist eine Ausgründung des Fraunhofer-Instituts für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik (IGB) in Stuttgart.
Die Firma vermarktet einen speziellen Algen-Bioreaktor, der von IGB-Forschern um Walter Trösch entwickelt wurde. „Die Kunst besteht darin, Mikroalgen in großer Menge wirtschaftlich zu produzieren“, sagte Subitec-Geschäftsführer Peter Ripplinger. Mit seinem Reaktor sei das kostengünstig und unter sterilen Bedingungen möglich.
Auf den ersten Blick erscheint die Algenaufzucht einfach. Mikroalgen sind ausgesprochen genügsam: Da sie wie Pflanzen Fotosynthese betreiben, benötigen sie zum Wachsen nur Wasser, Sonnenlicht, Nährsalze wie Nitrat und Phosphat sowie Kohlendioxid (CO2). Viele Aquarienbesitzer können davon ein leidiges Lied singen, wenn sich das klare Wasser ihrer Glasbecken innerhalb weniger Tage in eine grün-schleimige Brühe verwandelt.
Für die industrielle Algenzucht, bei der es auf eine möglichst hohe Produktivität ankommt, ist die Aquarien-Methode freilich ungeeignet. Denn lässt man Algen einfach in einem lichtdurchfluteten Glasbehälter aufwachsen, wird die wässrige Lösung mit der Zeit so dicht bevölkert, dass kaum noch Licht ins Innere dringen kann. Im Dunkeln aber findet keine Fotosynthese mehr statt, das weitere Wachstum der Kultur wird stark gebremst.
Die IGB-Forscher lösten dieses Problem mit einer speziellen Technik für ihren Fotobioreaktor. Zum einen ist der Reaktor mit rund 5 cm Durchmesser flach wie der Kollektor einer Solaranlage zur Warmwasserbereitung. Dadurch vergrößert sich im Verhältnis zum Volumen die Oberfläche, die dem Licht ausgesetzt ist. Zum anderen sorgt eine spezielle Struktur im Inneren der senkrecht stehenden Konstruktion dafür, dass das darin enthaltene Wasser mit Algen ständig durchmischt wird.
Dafür wird von unten Luft, die mit reinem CO2 aus Gasflaschen angereichert ist, in den aufrecht stehenden Reaktor gepumpt. Die Luftblasen perlen langsam nach oben und werden durch Rippen und Mulden auf ihrem Weg so umgeleitet, dass sie einen verwirbelten Flüssigkeitsstrom erzeugen. Dadurch werden alle Algenzellen immer wieder an die Reaktoroberfläche und somit zum Licht gespült. Die kurzen, aber regelmäßigen Lichtreize in diesem Kreislauf reichen aus, um die Fotosynthese auch bei einer sehr hohen Zelldichte am Laufen zu halten – auch wenn sich die Algen dicht im Wasser drängen.
In der Pilotanlage produziert Subitec vorerst zwei Algentypen. Die Süßwasseralge Haematococcus pluvialis bildet in ihren Zellen den roten Farbstoff Astaxanthin. Gefragt ist er bei Kosmetikherstellern als Grundlage für Lippenstifte. Zudem wird Astaxanthin in der Fischzucht als Futterzusatz eingesetzt, da er dem Fleisch von Lachsen und Forellen die rosa Färbung verleiht. Die Kieselalge Phaeodactylum tricornutum wiederum bildet Eicosapentaensäure, eine natürliche Omega-3-Fettsäure, die sich hervorragend als Nahrungsergänzungsmittel eignet.
Mit der Pilotanlage will Subitec vor allem die Verfahrensweise und die Wirtschaftlichkeit der Algenproduktion in Bioreaktoren demonstrieren. Zugleich geht es darum, weitere Geschäftsfelder für die Algenzucht zu erschließen.
„Bei der Produktion von Astaxanthin und Omega-3-Fettsäuren nutzen wir am Ende nur 3 % bis 5 % der Algenmasse“, sagte Ripplinger. „95 % der Biomasse bleiben somit übrig. Es ist viel zu schade, sie einfach nur als organischen Abfall aufs Feld zu fahren.“
Ideen für weitere Verwertungsmöglichkeiten reifen bereits heran. „Man kann die Algen zur Energieerzeugung einsetzen“, so Ripplinger. Einige Algenarten enthalten viele Fette und Öle. Daraus ließe sich Biodiesel gewinnen. Vergärt Algenschlamm ohne Sauerstoff, so entsteht Biogas, das als Treibstoff für die Motoren in Blockheizkraftwerken (BHKW) genutzt werden könnte.
Besonders interessant erscheint dabei die Möglichkeit, eine Kreislaufwirtschaft zu etablieren: Die Abgase der Kraftwerke enthalten CO2, das man abzweigen und wieder in den Algenkulturen einsetzen könnte, um ihr Wachstum zu fördern.
Anfang November wurde in Hamburg mit dem Bau einer solchen Versuchsanlage begonnen. Mikroalgen sollen dort einen Teil der Abgase eines kleinen Heizkraftwerkes verwerten. Laut Ripplinger interessieren sich sogar große Energieversorgungsunternehmen für diese Technik, um möglicherweise eines Tages mit Algenfarmen direkt neben ihren Kraftwerken den CO2-Ausstoß bei der Stromproduktion zu senken und damit einen Beitrag zum Klimaschutz leisten zu können.
Noch ist das Zukunftsmusik. Das größte Potenzial für die industrielle Algenproduktion und eine reale Marktchance für den Subitec-Reaktor sehen Experten wie Carola Griehl derzeit vor allem bei der Gewinnung von Astaxanthin. Bisher werden 90 % des weltweit produzierten Astaxanthins auf künstlichem Weg hergestellt. Doch bei der Chemosynthese entsteht ein Gemisch aus sogenannten Stereo-Isomeren. Solche Moleküle weisen zwar die gleiche chemische Struktur auf, doch ihre Atome sind in der räumlichen Anordnung spiegelbildlich vertauscht. Dadurch hat das künstliche Astaxanthin eine geringere biologische Wirksamkeit als sein natürliches Vorbild. „Als Nahrungsergänzungsmittel wird die Bedeutung des natürlichen Astaxanthins in Zukunft wachsen“, sagte Griehl – und dafür sind die Algen als Quelle bestens geeignet. LUCIAN HAAS
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