Techno-Push und Market-Pull halten die Robotik auf Trab
In Halle 17 tummelt sich z. B. ein halbes Dutzend Roboterassistenten, die als mobile Helfer in der Fabrik dem Facharbeiter zur Hand gehen oder im Haushalt als Gehilfe arbeiten.
Aktuelle Schaubühne Hannover Messe vom 15. bis 20 April hier lüftet sich der Vorhang für neue sichtbare Entwicklungen der Robotertechnik. Doch hinter den Kulissen wird schon an deren Weiterentwicklung gearbeitet, z. B. an anthropomorphen Geräten: Konventionelle Roboter werden programmiert, die neuen Roboter werden belehrt durch menschliche Sprache, visuelle Kommunikation und Gestik.
Die zentrale Idee dieses BMBF-Leitprojekts „Morpha“ ist es, neue, intelligente Robotersysteme mit leistungsstarken Kommunikations- und Interaktionsmechanismen auszustatten, die eine intuitive Belehrung, Programmierung und Kommandierung solcher Systeme ermöglichen. Die Roboter sollen dadurch befähigt werden, mit dem menschlichen Benutzer unter dessen Anleitung und Kontrolle zu kooperieren und ihm zu assistieren, und zwar in zwei Szenarien, als Assistenzsystem in der Produktion (Produktionsassistent) und als Assistenzsystem im Haushalt und Heimbereich. Damit wächst die Robotertechnik in neue Märkte, die sie auch dringend gebrauchen kann.
Denn, wer hätte das gedacht, die Robotik ist zur reifen Technik geworden, obwohl sie nun gerade erst 30 Jahre in Deutschland zu Hause ist. Erste Anzeichen einer Sättigung treten auf. Auch 2002 werde die Roboterproduktion in Deutschland steigen, aber nicht mehr zweistellig wie in früheren Jahren, prognostiziert der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA). Neue Themen könnten helfen, den bisherigen Siegeslauf fortzusetzen.
„Allein die Ausweitung bestehender Anwendungen bringt nicht weiter“, resümiert eine internationale Arbeitsgruppe in einem „White Paper“ über den Status und die Möglichkeiten der europäischen Roboterindustrie. Erstellt wurde diese Studie im Rahmen des European Robotics Forum (IFR-ERF) und des European Robotics Network (Euron) von Henrik I. Christensen vom Königlich-Schwedischen Technologie-Institut, zusammen mit Rüdiger Dillmann, Universität Karlsruhe, Martin Hägele, Fraunhofer-Institut IPA, von Arif Kazi, Kuka-Roboter, sowie Ulf-Göran Norefors, ABB Roboter.
Demnach gibt es einen Market-Pull für neue Industrieanwendungen und besonders für neue Märkte, z. B. Service-Roboter. Getrieben wird diese Entwicklung durch einen Technology-Push, z. B. durch neue Methoden der Mensch/Roboter-Interaktion.
Hintergrund ist, wie die Verfasser des White Paper festgestellt haben, dass die Verkäufe in den traditionellen Robotermärkten „zu stagnieren beginnen“, obwohl der potentielle Absatzmarkt bisher nur zum Teil realisiert wurde. Das gilt besonders für die europäische Industrie, die nahezu 40 % aller Systeme liefert.
Weitere Ergebnisse der Studie in einem statistisch schwierigen Feld: Der Weltmarkt für Industrieroboter (nur die Hardware) wird auf 5,6 Mrd. ¿ geschätzt. Davon repräsentiert die EU 3,5 Mrd. ¿. Mit Software-Peripherie, System-Engineering kommt der Robotersystemmarkt auf die dreifache Größe. Für Europa bedeutet das ein Wert von über 10 Mrd. ¿.
Traditionell war die Automobilindustrie der Trendsetter für die Robotisierung. In Europa sind dies Fiat, DaimlerChrysler, Renault, Volkswagen, GM, BMW, PSA, Ford, Saab, Volvo etc. Aufgrund ihrer Kaufkraft bestimmten diese Konzerne die Spezifikationen in der Robotertechnik.
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Die europäischen Roboterhersteller, deren Subunternehmer und das System von Integratoren stehen für eine Beschäftigung von 55 000 Menschen. In der Triade konkurrieren die Europäer mit Japan. Die amerikanische Industrie ist stark von europäischer und japanischer Robotertechnologie abhängig.
30 Jahre Robotertechnik in Deutschland, das sind 40 Jahre Robotertechnik USA. 1961 erhielt George Deval ein Patent für den ersten modernen Roboter. Zusammen mit Joe Engelberger entstand daraus die Firma Unimation, deren Unimates in den 70er Jahren weltweit eingesetzt wurden.
Es entwickelte sich eine fortschrittliche Roboterindustrie zuerst in den USA und dann in anderen Ländern. Aber Firmen wie Westinghouse (Unimation, IBM), Cincinnati Milacron, GEC, Siemens, DEA oder Olivetti gaben auf oder wurden verkauft. Doch neue Europäer kamen groß raus auf der Grundlage des hier hoch entwickelten Maschinenbaus, durch Mikroprozessortechnik.
Heute kommen zwei der drei großen Roboterbauer aus Europa: ABB Robotics, Kuka Roboter der dritte, Fanuc, ist in Japan beheimatet. Europäer wie ABB, Kuka, Reis, Stäubli, Comau u. a. stehen heute für 40 % der weltweit verkauften Industrieroboter. Und schon melden sich neue Firmen auf dem Robotermarkt, dessen Wachstum sich in letzter Zeit verlangsamte, z. B. Elektrolux und Kärcher mit ihren Staubsaugern und Reinigungsgeräten. Diese Expansion in den Dienstleistungsbereich erinnert an den Durchbruch der Industrieroboter beim Punktschweißen, dem heute noch immer größten Einzelanwendungsgebiet, geprägt durch die Automobilindustrie.
An der Forschungsfront vorn dabei ist das Stuttgarter Fraunhofer Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA). „Des packe mer“, wusste der heutige Institutsleiter Rolf Dieter Schraft auch schon nach einer Studienvisite in Japan Anfang der 70er Jahre, wo Kawasaki Unimates in Lizenz nachbaute und Kuka in Deutschland, bislang von Robotics unbeleckt, gerade dabei war, den ersten Auftrag für eine robotisierte Schweißstraße bei Mercedes an Land zu ziehen.
„Die 70er Jahre waren geprägt von der ,fundamentalen“ Entwicklung technischer Lösungen“, berichtete Kuka-Geschäftsführer Stefan Müller kürzlich auf einem Festkolloquium zur Feier des 60. Geburtstags von Schraft vom 2. Februar. Müller, der auch Vorsitzender des Fachverbandes Robotik + Automation im VDMA ist, erinnerte in Stuttgart an die Anfänge der Roboter in Deutschland, die Schraft dann 30 Jahre begleitete: „Als in Sindelfingen die erste Fertigungslinie zum Punktschweißen mit hydraulischen Robotern anlief, gab es ungeahnte Probleme“, resümierte Müller. „Aus heutiger Sicht sage ich: Zum Glück, denn dies war für Kuka der Start in die eigene Roboterentwicklung.“
Noch heute entfallen 50 % der in Deutschland neu installierten Roboter auf die Automobilindustrie. Aber andere Branchen wie Kunststoff- und Pharmaindustrie sowie die Lebensmittelindustrie gewinnen an Bedeutung.
Es ist eine technologische Erfolgsgeschichte: Von 1990 bis 2000 haben die reinen Roboterpreise um 50 % abgenommen. Bei unterstellter gleicher Leistungsfähigkeit eines Roboters sogar um 80 %. Erst jetzt scheint dieser Trend auszulaufen, da die Investitionen in zusätzliche Intelligenz und Ausstattungsmerkmale sowie Verfügbarkeit die Preiseffekte bei Elektronik-Hardware zu kompensieren beginnen.
„Wir müssen die Mega-Trends kennen, die das Geschäft der Anwender unserer Roboter prägen und gegebenenfalls mit ihnen gemeinsam Applikationen entwickeln“, argumentiert Müller. Nach dem Siegesszug der Industrieroboter sei das Vordringen von Servicerobotern nur noch ein Frage der Zeit. Hier stehe Prof. Schraft mit seinem Institut wieder in der ersten Reihe der Entwickler.
„Den habe ich 1971 als Dipl.-Ing. von meinem Kollegen Dolezalek übernommen“, erinnert sich Prof. Hans-Jürgen Warnecke, langjähriger Leiter des IPA. 1993 wurde Schraft sein Nachfolger. Dessen große Stärke, neben dem Erkennen von Technologietrends, ist die Akquise nach der Methode: „Wir haben die Lösung, wo ist das Problem?“ Solche Überzeugungskraft wird auch für die neuen Themen benötigt. Doch heute nach 30 Jahren Robotertechnik in Deutschland ist die Konkurrenz größer – das ist auch der Arbeit des Roboterpioniers Rolf Dieter Schraft zu verdanken. IP/KÄM