Weltniveau lockt asiatische Forscher
VDI nachrichten, Düsseldorf, 18. 2. 05 -Deutsche Forschung bewegt sich – allen Unkenrufen zum Trotz – auf Weltniveau. Es sind zunehmend Wissenschaftler aus Asien, die für den hohen Standard in Quantität und Qualität sorgen. Die USA aber starten eine forschungs-politische Gegenoffensive.
Der Forschungsstandort Deutschland hat international einen besseren Ruf, als wir das hier zu Lande wahrhaben wollen.“ Georg Schütte lässt keinen Zweifel, dass deutsche Forschung zur „Weltspitze“ gehört. Der Generalsekretär der Alexander von Humboldt-Stiftung, die internationale Forschungszusammenarbeit fördert und Stipendien vergibt, nennt als Indiz blühender Attraktivität die steigende Zahl ausländischer Wissenschaftler, insbesondere aus Asien.
Es ist aber nicht allein die wachsende Zahl, sondern auch das steigende Niveau, über das sich Schütte freut: „Die Auswahlausschüsse unserer Stiftung bestätigen, dass die Qualität der Bewerber noch besser geworden ist.“ Die Gründe: „Die Wissenschaftssysteme expandieren auch in den Schwellenländern. China und Indien sind inzwischen Enklaven erstklassiger Forschung. Diese Länder haben zudem an den Hochschulen die Möglichkeiten zur Förderung von Nachwuchswissenschaftlern weiter ausgebaut. Dadurch gelangen immer mehr gute Leute auf den internationalen Forschungsmarkt.“ Rigide Einreisekontrollen in Folge des 11. Septembers hielten viele Wissenschaftler lange davon ab, in die USA zu gehen. Jetzt aber kündigt die US-Regierung an, die Auflagen für Wissenschaftler wieder zu lockern.
Das soll Deutschland nicht dazu anhalten, im Wettbewerb um die klügsten Köpfe klein beizugeben. Schütte: „Das Zuwanderungsgesetz schafft auf Ebene der Studierenden Erleichterungen. Studenten können nach einem ersten akademischen Abschluss hier eine berufliche Tätigkeit aufnehmen. Auf diese Weise gehen nicht mehr diejenigen verloren, in die wir teures Geld investiert haben.“ Um ein Stipendium bei der Humboldt-Stiftung bemühen sich vor allem Chemiker, Physiker sowie Bio- und Lebenswissenschaftler. Gut jeder zehnte Stipendiat ist Ingenieurwissenschaftler.
Michael Meier, Leiter Internationale Zusammenarbeit bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), sieht in der intensivierten Werbung für den Forschungsstandort Deutschland ein weiteres Erfolgsrezept. Viele studierwillige Chinesen schätzten zudem die – noch existierende – Gebührenfreiheit für ein Studium in Deutschland sowie das Renommee namhafter Institute und Hochschulen. Exzellente Forschung in den Natur- und Ingenieurwissenschaften seien vor allem verantwortlich für den Zuwanderungsanstieg in diesen Bereichen.
Während der Zustrom aus China bereits seit knapp einer Dekade anhält und eine Prüfstelle der Deutschen Botschaft in Peking inzwischen die geeigneten von den ungeeigneten Bewerbern ausliest, entscheiden sich viele Inder erst seit rund drei Jahren für den Studienstandort Deutschland. In diesem Zeitraum hat sich ihre Zahl von etwa 1000 auf 3000 verdreifacht.
Was nicht zuletzt an der Einsicht deutscher Behörden liegt, dass man es nicht allein mit Wissenschaftlern und Studierenden, sondern vor allem mit Menschen aus anderen Kulturen zu tun hat. „Noch vor wenigen Jahren“, so Georg Schütte von der Humboldt-Stiftung, „waren die Ausländerbehörden unzureichend auf ihre Klientel eingerichtet. So behielt eine Behörde den Pass eines russischen Forschungspreisträgers, der für den Nobelpreis nominiert war, drei Monate lang ein, weil sie auf Akten einer anderen Ausländerbehörde wartete. In der Zwischenzeit musste der Forscher internationale Kongresse absagen – für ihn ein berufliches Desaster.“ Inzwischen aber sei es zu einem Bewusstseinswandel mit guten Betreuungsmodellen gekommen.
Obwohl die Lage rosig erscheint, warnt Schütte, alles über einen Kamm zu scheren: „Die universitäre Forschung leidet schon seit geraumer Zeit unter einer Politik der Bestandserhaltung.“ Geld für zusätzliche Projekte fließe nur spärlich. „Die Zuwendungen steigen zwar nominell, was aber durch die wachsende Zahl der Studierenden und durch Gehaltssteigerungen im Hochschulbereich kompensiert wird.“ Mit anderen Worten: „Außeruniversitäre Forschungseinrichtungen haben einen Wettbewerbsvorteil.“
Auch Hans-Dieter Evers vom Zentrum für Entwicklungsforschung (ZEF) an der Uni Bonn sieht das Dilemma der Hochschulen: „Investitionen werden zurückgefahren, Elite-Programme nur angedacht, Stellen und Budgets gekürzt.“ Die Folge: „Immer weniger Graduierte verlassen die Universitäten, um die Wissensgesellschaft zu tragen.“
Im Projekt „Globalisierung des Wissens“ hat sich der ZEF-Leiter intensiv mit der Forschung in Asien beschäftigt. Ergebnis: Staaten wie Singapur und Korea widmen sich intensiver dem „Rückgrat der Wissensgesellschaft“, den Informations- und Kommunikationstechnologien. „Da spielen die Ingenieure eine wichtige Rolle“, so Evers. Im Vergleich mit anderen OECD-Ländern liege Deutschland bei den Absolventen gut im Rennen: Rund 30 % eines Jahrgangs verließen die Hochschulen mit einem ingenieur- oder naturwissenschaftlichen Abschluss (OECD-Durchschnitt: 22 %, USA: 16 %). In Südkorea, als Vorbild tauglich, seien es 40 %.
Singapur und Korea hätten Strategien entwickelt, um komplexe Wissenschaftseinheiten zu verweben. „Hier zu Lande gibt es im Bundesministerium für Bildung und Forschung gute Ansätze. Die Bundesländer jedoch sind nicht in der Lage, einzelne Projekte in einer konsistenten Strategie zusammenzuführen.“ Deutschland gerate im Forschungswettlauf zusehends unter Druck.W. SCHMITZ
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