Und läuft und läuft…
Im Dritten Reich als Volkswagen konzipiert, machte der Käfer nach dem Krieg zunächst in den USA Furore. Dann wurde er Symbol des deutschen Wohlstands. Später chauffierte Charles Wilp im VW Ulrike Meinhoff und Andreas Baader durch Berlin. Jetzt – eine Schau.
Der VW-Käfer ist heute Kult. Kein Wunder: Als New Beetle wird er in den USA wiederaufgelegt. Leben wir gar in einer Epoche des Retro-Futurismus? Fragen wie diese stellt sich derzeit eine Multimedia- und Autoschau im NRW-Forum Kultur und Wirtschaft in Düsseldorf. „Und läuft und läuft und läuft – Käfer, New Beetle und die perfekte Form“ heißt die Ausstellung, die bis 5. April nicht nur eingeschworene Käferfahrer in Vergangenheit und Zukunft schwelgen läßt.
Das Auto lief und lief – rund 22 Mio. mal vom Fließband. Dann lief der Käfer über Straßen und Leinwände. Nun läuft er kaum noch: Das letzte Exemplar rollte 1978 aus einem deutschen Auslieferungswerk – in Emden. Und doch erfreut sich der VW-Käfer auch unter Autofans, die nach 1978 geboren wurden, großer Beliebtheit. Obwohl: Er war nicht gerade schön und in der Form veraltet, als Ferdinand Porsche vor 65 Jahren den Prototyp eines deutschen Volksautos entwickelte und Adolf Hitler im Berliner Hotel Kaiserhof die Pläne überreichte. Trotz engen Innenraums, in dem sich manch fünfköpfige Familie der 50er Jahre zwängte, um erstmals die Sonne des Südens zu erreichen – trotz der für heutigen Standard betäubenden Lautstärke des luftgekühlten Heckmotors, trotz der fragwürdigen Form (die Amerikaner nannten ihn „ugly bug“, zu deutsch: häßliche Wanze). Der Käfer war der Pkw, der lange die Charts des deutschen Nachkriegsexports anführte.
Literaturkritiker Hellmuth Karasek, Moderatorin Nina Ruge, Werbepapst Charles Wilp und Boris-Becker-Schwiegervater Ross Felthus – wer fuhr ihn in seiner Jugend nicht? Im Studium oder in der Ausbildung. Wer schimpfte nicht über den Ölwechsel, der alle 2500 km fällig war? „Bis die Heizung ging, war man schon am Ziel,“ schreibt Nina Ruge in der Museumszeitung. Und in den wilden Apo-Zeiten chauffierte Charles Wilp in seinem VW Ulrike Meinhof und Andreas Baader in sein Berliner Fotoatelier. Sie wollten sich von ihm porträtieren lassen. Ob als umgebautes Lieferautor oder Cabrio – der Käfer, bereits Ende der 20er Jahre (also vor dem Dritten Reich) von deutschen Ingenieuren als Volksauto vorgedacht, mauserte sich im Wirtschaftswunder schnell zu „Everybody“s Darling“. Als „Herbie“ machte er gar Karriere in Hollywood.
In Europa setzte der Boom freilich erst nach dem durchschlagenden Erfolg auf dem US-Markt ein, auch dank der avangardistisch schlichten Werbestrategie der New Yorker Agentur Doyle Dane Bernbach (DDB), die bis heute ihren deutschen Sitz in Düsseldorf hat. Es war die Zeit pompöser Luxuskarossen mit zackigen Heckflossen auf dem Sunset Boulevard oder auf der Lower East Side, als Intellektuelle, Künstler und Pragmatiker in New York und Los Angeles sich auf dem „tiny ugly beetle“ als Zweitwagen besannen. Trittbrett und runde Kotflügel waren hoffnungslos veraltet. Aber dafür war er rund, praktisch, preiswert – einfach gut.
Natürlich geht es in der von Nils Jockel konzipierten Schau auch um Käfer-Historie. 17 Oldies: von 1938 bis 1998, vom grauen Prototyp ohne Heckscheibe, dem KDF-Käfer (von dem 1938 nur 630 Stück für militärische Zwecke gebaut wurden), über die 60/80er-Jahre-Modelle bis hin zum Beetle-Vorläufer, dem Prototyp Concept 1 und zum zitronengelben New Beetle mit züngelnden Flammen. Gülden glänzt die millionste Kleinlimousine mit Brokatsitzen, breiten Weißwandreifen und polierten Radkappen aus Chrom. Käfer mit Zeltaufbau und Kleinwohnwagen, Kübelwagen, Cabriolets, 1949 von Hebmüller und 1951 von Stauss gebaut, Luxuskäfer und die ersten Käfer mit Brezelfenster, bei deren Anblick Oldie-Freunde Tränen in den Augen haben.
Bis Oktober 1952 wurde der VW mit geteilter Heckscheibe gebaut. Dann kam das ungeteilte ovale Rückfenster, später das größere rechteckige. Gegen Ende der Käfer-Ära gab es dann noch eine größere Windschutzscheibe, die in ihren Ausmaßen jedoch eher bescheiden blieb, denkt man jetzt an die gewölbte Riesenscheibe des New Beetle, den verstockte Traditionalisten alleine deshalb ablehnen.
Doch anders als in der reinen Retrospektive vor zwei Jahren in Hamburg, gelang dem Museumsmann Jockel und dem Werbemanager Werner Lippert nun eine umfassende Konfrontation mit dem Phänomen und den Widersprüchen. Denn neben den technischen Details des Fünf-Personen-Klassikers – 23,5 PS, luftgekühlter Heckmotor, Kofferraum vorn, selbsttragende Karosserie, 30er-Jahre-Stromlinienform – geht es um die facettenreiche Kultur- und Wirtschaftsgeschichte dieses Automobils.
Volk und Wagen beflügelten die Medien: überall Werbeplakate und Gebrauchsanweisungen. Und in einem Käferkino laufen deutsche und amerikanische Werbestreifen. Autoritär klingt die Vorankündigung des Volkswagens aus dem Mund der nationalsozialistischen Propaganda: … für jedermann auseinanderzunehmen und wieder zusammenzufügen. Iidiotensicher sollte die Motorisierung des deutschen Volkes nach Goebbels Vorstellung ablaufen.
Wie die Zeiten Geschmack und Design verändern, erkennt man an den Winkern: Zuerst fuhren kleine Blinkzapfen aus dem Seitenrahmen heraus, später gab es Blinker auf den vorderen Kotflügel mit Chromverblendung, gegen Ende der Käfer-Ära blinkte es dann dezent rechts und links aus der vorderen Stoßstange heraus. Nur sacht veränderten sich Motorhaube, vordere Kotflügel und hintere Motorraumklappe, sprunghaft indes die Mode bei Lenkrädern und Kitschzubehör. Vasen, Ruhekissen, Abfallkorb auf Rahmentunnel und Teppiche.
Kein Pkw war bis in die 70er Jahre hinein in der Form so konstant wie der Knuddel-Käfer. Nicht in technische Neuerungen, wie ihre Konkurrenten, sondern in Ausdauer, Qualität von Verarbeitung und Service investierte Wolfsburg. Auf dieses Motto setzten dann auch Werbetexter und Grafiker. „Think small“, war ihre Antwort auf den amerikanischen Chevrolet- und Pontiacslogan „Think big“. Sprüche, die in ihrer Einfachheit bis heute unschlagbar sind, kreierte die DBB-Agentur: „Und läuft und läuft und läuft.“ „Es gibt Formen, die man nicht verbessern kann“, „Da weiß man, was man hat“, können heute noch viele auswendig. Werbe-Kultstatus erreichte auch die Anzeige mit einem auseinandergelegten Käfer: So einfach ist es, 4000 Teile zusammenzusetzen, sugerrierten Plakate noch Anfang der 70er. Genau diese Werbekampagnen schufen den Mythos Käfer eher als das Auto selbst. Davon profitierten schnell Marketingstrategen im Lande Walt Disneys, wo der Käfer neben Donald und Daisy Duck schnell zum Maskottchen wurde. 1989 produzierte Disney den Film „Love Bug“ (Ein toller Käfer), der das technisch veraltete Auto zum David gegen Goliath stilisierte. Die emotionale Ansprache galt in den USA den Kindern, die jetzt – als erwachsene Gutverdiener – den New Beetle fahren.
MICHAEL GEORG MÜLLER
Bis 5. April, Forum Kultur und Wirtschaft im Düsseldorfer Ehrenhof, dienstags bis sonntags von 11 bis 20 Uhr. Am 14 März: Ufa-Filmnacht mit sämtlichen Käferfilmen und Verlosung eines New Beetles. Weitere Informationen, Tel.: 0211/8998484.
Luxus der 50er Jahre: Das Armaturenbrett des Käfer-Cabrios ließ im Nachkriegsdeutschland die Herzen höher schlagen. Blick in die Vergangenheit: Bis heute fasziniert die Idee von der Entwicklung eines Pkws mit Heckmotor. Kein Wunder, daß eingefleischte Käfer-Fans den New Beetle mit Frontmotor ablehnen.
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