Forschung 15.03.2002, 17:33 Uhr

Tote inNadelstreifen

Mord oder Selbstmord? Das ist der Stoff, aus dem unzähliche Krimis gestrickt sind. Im Leben dagegen fehlt meist das Drehbuch. Ein Tübinger Physiker hat ein Verfahren entwickelt, mit dem sich der Hergang von Unfällen oder Tötungsdelikten exakt rekon­struieren lässt.

Die Frau ist nackt. Ihre Haut schimmert wächsern, die Hände mit den spitzen Nägeln sind seltsam starr verkrümmt, ihr Mund steht einen Spalt offen – so, als sei sie erstaunt über das, was im Obduktionssaal des Robert-Bosch-Krankenhauses (RBK) in Stuttgart mit ihr passiert.

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Jörg Subke gönnt der Toten keinen Blick. Er starrt auf den großen Computerbildschirm, den er dicht an den Obduktionstisch herangefahren hat und dessen blaues Flimmern der einzige Lichtblick im Raum ist. Schwarze Plastikfolien an den Fenstern sperren die Sonne an diesem Montagmorgen aus. „Es muss dunkel sein, damit das Ganze funktioniert“, sagt der Physiker.

Leise surrend setzen sich zwei Projektoren auf mächtigen Edelstahlschienen an der Decke in Bewegung. Sie werfen längslaufende Lichtstreifen auf den Körper, die sich an Rippen, Seiten und Schultern mehr oder weniger stark krümmen. Blitzschnell verändern die Streifen ihre Breite, bis nur noch ein Muster aus hellen und dunklen Nadelstreifen auf der Haut zu sehen ist. Drei Kameras nehmen das Geschehen auf und übermitteln die Daten an den Computer. Schon Sekunden später hat Subke per Mausklick auf dem Schirm ein dreidimensionales Bild der gerade vermessenen Brustregion – in Farbe und Größe fast realistischer als das Modell. „Das war“s schon“, sagt er und knipst das Licht wieder an.

Streifenlichttopometrie (SLT) nennt Subke das Verfahren, mit dem sich schnell und präzise beliebige Körper vermessen lassen. Die zentralen Messkomponenten dafür hat Dr. Henning Wolf, Geschäftsführer der kleinen Firma ABW mit Sitz in Frickenhausen, bereits Anfang der 90er Jahre entwickelt. „Wir hatten das Ziel, damit Drehlage und Greifposition von Robotern oder gestanzte und gepresste Werkstücke präzis zu vermessen,“ sagt Wolf.

Ortswechsel. Tübingen. In einem gelben Bau aus der Jahrhundertwende, nur einen Steinwurf vom Neckar entfernt, dient das Verfahren ganz anderen Zwecken. Hier, im Institut für gerichtliche Medizin der Universität Tübingen, hat Subke die Streifenlichttopometrie für weitaus blutigere Einsätze weiterentwickelt. „Die SLT ist 10 000 Mal schneller als klassische Messverfahren, sie kann komplexe Geometrien nachbilden und liefert eine Auflösung bis 0,2 mm“, erläutert der Wissenschaftler. Durch das CAD-Programm lassen sich beliebige Ausschnitte und Teile separat simulieren und berechnen. Vor allem aber ist es die Kombination von 3-D mit realen Farben, die so beeindruckend „echte“ Körper liefert.

Unter Insidern hat das Verfahren bereits die Runde gemacht: Auf Subkes Tisch mehren sich Fälle, bei denen Kripo oder Staatsanwaltschaft den Physiker um Hilfe bitten. Wie beispielsweise im vergangenen Jahr, als ein kleines Mädchen im Besucherraum der Tübinger Uniklinik von einer umstürzenden Holzstatue erschlagen wurde. Die Augenzeugen widersprechen sich, die Kripo findet am Unfallort so gut wie keine Spuren, die Statue erscheint nahezu unversehrt.

Subke vermisst mit der SLT sowohl das tote Kind mit seinen äußeren und inneren Verletzungen als auch die 1,80 m große und 60 kg schwere Holzfigur. „Für die Digitalisierung eines ganzen Körpers unterteilen wir Vorder- und Hinterseite in je sieben Sektoren, machen pro Sektor mehrere Messungen aus unterschiedlichen Richtungen mit bis zu drei verschiedenen Helligkeitsstufen“, erläutert der Tübinger, während er seine Laboranlage justiert. Eine solche Ganzkörper-Vermessung dauert rund 20 Minuten. Würde man dafür die sonst übliche Photogrammetrie einsetzen, mit der sich ebenfalls 3-D-Körper darstellen lassen, „wäre man wochenlang beschäftigt“.

Das CAD-System erstellt dann vom Opfer und auch von der Statue dreidimensionale Modelle, wobei Subke dem Kindmodell die anatomisch richtigen Gelenke zuweist, um dessen Körperhaltung und Bewegung zu simulieren. Der Computer bestimmt Trägheitsmomente und Schwerpunkte und lässt die Skulptur über die Oberfläche des Kindes geometrisch abrollen. „Die Holzfigur war so labil aufgestellt, dass sie schon durch leichtes Anrempeln umstürzte“, weiß Subke heute. Und beim Sturz stand das Opfer so ungünstig, dass der Schwerpunkt der Statue genau den Schädel traf – das Mädchen hatte keine Chance. Der Künstler, der für die Aufstellung der Figur verantwortlich war, wird verurteilt.

Noch ungeklärt ist ein Fall aus Rottweil vom vergangenen Oktober. Ein Türke erschießt ein Ehepaar im Schlafzimmer, verweigert nach seiner Festnahme aber jede Aussage. Subke vermisst beide Opfer und diesmal auch das Schlafzimmer, erfasst die Blutspuren und die Einschüsse an Wand und Decke. Aus den Daten rekonstruiert er am Bildschirm den Tatort, aus Lage und Richtung der Einschüsse die Position des Täters. So lässt sich möglicherweise klären, ob es kaltblütiger Mord war oder ob die Schüsse während eines Kampfes fielen.

An diesem Montag ist Subke mit einem mysteriösen Todesfall aus Ravensburg beschäftigt. Anfang Februar entdeckte dort die Polizei einen Toten in seiner Wohnung. Auffällig sind schwache, seltsam geformte Wunden rund um das linke Auge des Opfers. Subke überlagert am Bildschirm Form, Größe und Tiefe der Wunden mit dem Profil eines Schuhs, den die Polizei bei einem Verdächtigen sicherstellt. „Das könnte passen.“ Auf ähnliche Weise kann er Kratzspuren den passenden Fingernägeln oder Stichwunden dem „richtigen“ Messer zuordnen.

Es muss nicht immer Mord sein. „In der plastischen Chirurgie oder der Tumorchirurgie lassen sich Eingriffe mit der SLT viel genauer planen“, sagt Dr. Peter Fritz, Leiter der Pathologie am Robert-Bosch-Krankenhaus. Die Firma ABW hat gemeinsam mit einem Orthopäden einen „Maßstuhl mit integriertem Streifenprojektions-Messplatz“ entwickelt. Das Ergebnis sind Schuheinlagen, die perfekt sitzen. In der Archäologie lässt sich aus alten Knochenfragmenten blitzschnell ein Schädel, aus Scherben ein Krug rekonstruieren. Und genau so, wie sich aus Einzelteilen ein Ganzes zusammenfügen lässt, klappt auch der Weg zurück: Wenn beispielsweise Designer von Autoteilen ein Modell erstellen, das sie für eine optimale Passform mechanisch nacharbeiten, lässt sich dieses veränderte Modell dann bis zur Konstruktionszeichnung wieder zurückführen.

Subke ist zur Zeit viel auf Reisen. Im Januar war er bei Unfallforschern der Uni Straßburg. Auch dem amerikanischen FBI in Washington hat er sein Verfahren schon demonstriert. „Die waren beeindruckt“, freut er sich. Zunächst aber sieht es so aus, als ob das Verfahren im Ländle bleibt. Das Stuttgarter Landeskriminalamt will sich eine mobile SLT-Anlage anschaffen, um damit Tatorte präzise zu vermessen und Spuren fälschungssicher zu dokumentieren. „Es ist ja bekannt“, weiß Prof. Heinz-Dieter Wehner, Direktor des Instituts für Rechtsmedizin der Uni Tübingen, „dass so mancher natürliche Todesfall in Wirklichkeit gar nicht natürlich ist.“ Wo Zweifel bestehen, könnte die SLT Klarheit schaffen. Allerdings können, so Wehner, „wir nur aktiv werden, wenn wir von diesen Fällen überhaupt erfahren.“ C. FRIEDL

Neues Modell für die Unfallforschung

„Digitaler Wundenmann“ statt Dummy

Der Verkehr auf Deutschlands Straßen fordert jährlich rund 7500 Todesopfer und über 500 000 Verletzte – trotz Airbag, ABS und immer mehr „intelligenter“ Elektronik im Auto. Autohersteller investieren Millionen in die Sicherheitsforschung. Welche Verletzungen erleiden Insassen beim Zusammenstoß? Diese Frage wird seit vielen Jahren in Crash-Tests mit Dummys untersucht. Dummys allerdings sind ein schlechtes Abbild des Menschen. Ihre Anatomie und ihre Bewegungen sind – verglichen mit realen Personen – sehr simpel. Ihre Oberfläche kann Hautverletzungen nicht nachbilden. Auch sind die teuren Dummys auf Standardgrößen beschränkt. So weiß die Unfallforschung bisher wenig darüber, wie gefährdet Kinder im Fahrzeug sind.

Die Zeit der Dummys könnte bald vorbei sein. Physiker, Radiologen, Rechtsmediziner und Informatiker arbeiten unter dem Dach eines Förderprojekts des Landes Baden-Württemberg am „digitalen Wundenmann“, einem neuen Modell für die Unfallforschung. Dafür werden derzeit Opfer von fünf Verkehrsunfällen an der Uni Tübingen und am Stuttgarter Robert-Bosch-Krankenhaus beispielhaft mit der Streifenlichttopometrie (SLT) vermessen und deren Wunden und Verletzungen exakt analysiert. Der Computer wandelt die Daten in dreidimensionale, digitale Modelle um, die Geschlecht, Alter und körperlichen Zustand berücksichtigen und realen Personen damit viel näher kommen als Dummys. So könnten in Zukunft Unfallforscher und Automobilhersteller präzise simulieren, mit welchen Verletzungen bei welcher Art Unfall zu rechnen ist, und wo am Fahrzeug nachgebessert werden muss, um Unfallrisiken zu minimieren. cf

Ein Beitrag von:

  • Christa Friedl

    Redakteurin VDI nachrichten. Fachgebiet: Umweltpolitik, Umwelttechnologien.

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