SuperC wirft Fragen auf
VDI nachrichten, Aachen, 18. 11. 05 – In Aachen soll eine 2500 m tiefe Erdwärme-Sonde ein Hochschulgebäude mit Wärme und Kälte versorgen. Ein Strömungsexperte aus Freiberg bezweifelt die projektierten Leistungswerte. Noch ist unklar, ob dem Gebäude aus externen Quellen weitere Energie zugeführt werden muss.
Für ihr neues studentisches Servicecenter wollte die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen nicht nur eine außergewöhnliche Architektur. Das so genannte SuperC soll auch innovativ und umweltfreundlich mit Energie versorgt werden. Dabei ist vorgesehen, Erdwärme aus einem 2500 m tief in die Erde reichenden doppelwandigen Stahlrohr zu nutzen, um das Gebäude im Winter zu heizen und im Sommer über eine Adsorptions-Kältemaschine zu kühlen.
Der Projektbeschreibung zufolge strömt im äußeren Stahlrohr der Sonde kaltes Wasser in die Tiefe, erwärmt sich dort auf mehr als 70 °C und gelangt vom Bohrloch-Tiefsten über ein zentrales Förderrohr wieder an die Oberfläche. Geplant ist, den Gesamtwärmebedarf des Gebäudes von insgesamt 600 kW bis zu 80 % über die Sonde zu decken. Das entspricht einer geothermischen Wärmeleistung von 450 kW und einer jährlichen Wärmeerzeugung von 620 MWh. Die Investitionskosten von insgesamt 5,1 Mio. € werden zu zwei Dritteln durch Fördermittel der Europäischen Union und des Landes Nordrhein-Westfalen finanziert. In dem Projekt, das seit 2002 läuft, ist inzwischen die Tiefenbohrung niedergebracht worden. Derzeit wird das System komplettiert.
Auf tiefe Skepsis trifft das Aachener Projekt bei Prof. Frieder Häfner, Direktor des Instituts für Bohrtechnik und Fluidbergbau an der TU Bergakademie Freiberg, der die projektierten Leistungswerte nachgerechnet hat. „Diese Werte sind in keinem Fall zu erreichen“, lautet sein Ergebnis. „Nicht einmal dann, wenn der Förderstrang unter hohem Aufwand mit einer idealen Isolation versehen würde.“ Unter realistischen Bedingungen hält Häfner konstant über das Jahr maximal eine Wärmeleistung von 180 kW bei einer Temperatur von 58,8 °C für möglich. Bei einem diskontinuierlichen Heizbetrieb sind seiner Ansicht nach in der Winterperiode aus physikalischen Gründen nur 280 kW bei 40 °C erreichbar. Um die projektierten Werte zu erreichen, müssten deshalb etwa 40 % der Wärmeleistung extern zugefeuert werden.
Ob und welcher Teil der Wärmeleistung durch externe Zufeuerung oder eine strombetriebene Wärmepumpe gesichert werden muss, kann SuperC-Projektleiter Christoph Herzog derzeit noch nicht beantworten. Dies sei erst dann möglich, wenn das System komplettiert sei. Derzeit fehle noch das Innenrohr der Sonde. „Die sich dann anschließenden Leistungstests werden Aufschluss über die erreichbare Wärmeleistung und deren Dauerhaftigkeit geben“, so Herzog. „Bei dem hohen Symbolcharakter des Projektes und auch des geplanten Hochbaus dürfen Performanceverluste nicht toleriert werden. Sollte dies der Fall sein, müsste man über geeignete Hilfsenergien nachdenken.“
Die bisherigen Erfahrungen mit deutschen Geothermie-Projekten stützen Häfners Position. „Für übliche Tiefenbereiche von Bohrungen im Bereich von 1000 bis 4000 Meter können durchschnittlich geothermische Leistungen von 50 kW bis 400 kW erwartet werden“, erklärt der Geothermie-Experte Prof. Dr.-Ing. Martin Kaltschmitt, Geschäftsführer des Leipziger Instituts für Energetik und Umwelt. Um bei 2500 m Tiefe auf die projektierte Wärmeleistung von 450 kW bis 480 kW zu kommen, müsste nach Kaltschmitts Ansicht ein zusätzliches System, z. B. eine Wärmepumpe, eingesetzt werden. Eine Wärmepumpe hätte den Vorteil, dass sie im Sommer für die Kühlung des Gebäudes nutzbar ist.
Häfner kritisiert auch den Einsatz von Fördermitteln in dem Aachener Projekt. „Die Nutzung von Erdwärme durch Wasserzirkulation ist ein uraltes Verfahren und bedarf eigentlich nicht der erneuten wissenschaftlichen Erprobung“, glaubt der Strömungsspezialist. „Es wäre dann sehr interessant, wenn es das Potenzial in sich tragen würde, ein an vielen Standorten anwendbares Verfahren entwickeln zu können.“ Das sei jedoch bei SuperC aus wirtschaftlichen Gründen undenkbar: Bei Projektkosten von 5,1 Mio. € und einer installierten Leistung von 450 kW ergeben sich Kosten von 11 333 € je installiertem kW. Zum Vergleich: Für eine geothermische Anlage mit dem von Häfner favorisierten Direktverdampfer-Verfahren, das mit viel flacheren Bohrungen auskommt, fallen nach seinen Angaben etwa 1200 € je kW installierter Leistung an.
Bei SuperC wurde das Direktverdampfer-Verfahren allerdings bereits in der frühen Planungsphase verworfen. Herzog zufolge hätten die Genehmigungsbehörden eine Realisierung in dem sensiblen Umfeld mit Heilwasserquellen und Mineralwasserproduktion nicht toleriert. Häfners Wirtschaftlichkeitsrechnungen kommentiert er nicht weiter: „Ziel eines Demonstrationsvorhabens ist ja gerade der Nachweis der Realisierbarkeit“, erklärt der Projektleiter. „Wirtschaftliche Überlegungen stehen nicht zwangsläufig im Vordergrund.“
Nun ist die Realisierbarkeit einer tiefen Sonde eigentlich bereits seit 1994 bei einem Projekt im brandenburgischen Prenzlau nachgewiesen. Dort war eine bestehende Bohrung auf 2800 m Tiefe ausgebaut worden, die Sonde erreicht im Naturumlauf eine Wärmeleistung von 100 kW bis 150 kW. Das Temperaturniveau des in der Erde auf bis zu 65 °C erwärmten Wassers wird mit einer Wärmepumpe angehoben, um 1100 Wohnungen mit Wärme und Warmwasser versorgen zu können. STEFAN SCHROETER
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